Mordfall Daphne Caruana Galizia Neuer Premier, alte Seilschaften

Durch Corona ist die Aufklärung des Mordes an der Journalistin Daphne Caruana Galizia in den Hintergrund geraten. Nun wird die Generalstaatsanwaltschaft in Malta von einem Skandal erschüttert.
Regierungssitz auf Malta: Internationaler Imageschaden

Regierungssitz auf Malta: Internationaler Imageschaden

Foto: DOMENIC AQUILINA/ imago images/Domenic Aquilina

Als Robert Abela am 13. Januar Ministerpräsident wurde, konnten die Bürger von Malta auf einen Neuanfang hoffen. Der 42-jährige Anwalt und ehemalige Bodybuilder hatte offenkundig nichts mit dem größten Skandal  zu tun, der die Mittelmeerinsel südlich von Sizilien seit Langem beschäftigt: der Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober 2017.

Es sah so aus, als könnte der winzige EU-Staat sein nationales Trauma überwinden. Abelas Vorgänger war zurückgetreten, weil er zu spät und zu wenig Konsequenzen aus dem brutalen Verbrechen gezogen hatte.

Auch die juristische Aufklärung des Attentats kam nach vielen Rückschlägen voran: Das mutmaßliche Killerkommando, das die Investigativreporterin per Autobombe tötete, war identifiziert. Und im vorigen November wurde der maltesische Geschäftsmann Yorgen Fenech festgenommen, als er mit seiner Jacht gerade übers Mittelmeer fliehen wollte. Fenech wird als Drahtzieher hinter dem Mord verdächtigt, er bestreitet den Vorwurf.

"Ich erwarte eine unabhängige Aufklärung"

Eine Untersuchungskommission hatte im Fall Daphne genügend Hinweise, um den korrupten Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und organisierter Kriminalität nachzugehen. Und Robert Abela konnte sich als neuer Regierungschef daran machen, den internationalen Imageschaden seines Landes zu reparieren.

Die Ansprüche waren groß: "Ich erwarte eine unabhängige und gründliche Aufklärung", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der Mord an Caruana Galizia sei ein Angriff auf die Pressefreiheit, die Täter müssten nun so schnell wie möglich zur Verantwortung gezogen werden.

Dann begann die Coronakrise. Wie überall in Europa blieb auch auf Malta das öffentliche Leben stehen. Abela konzentrierte sich darauf, die Pandemie zu bekämpfen. Nach den medizinischen Problemen treten nun die ökonomischen Folgen in den Vordergrund. Malta hat ein lange andauerndes Wirtschaftswunder hinter sich, mit bemerkenswerten Wachstumsraten von sechs bis sieben Prozent pro Jahr, dank blühender Geschäfte  mit maltesischen EU-Pässen, Online-Casinos, eher freizügigen Banklizenzen und Touristen.

Es ist unklar, wie es weitergeht. Um von diesen Problemen abzulenken, sagen Kritiker, habe Abela einen scharfen Kurs gegen Migranten eingeschlagen: Abela schloss die Häfen und lässt seit Anfang Mai Geflüchtete vor seinen Küsten auf eine europäische Lösung warten. Maltesische Journalisten haben seine Rhetorik schon mit der des ehemaligen italienischen Innenministers Matteo Salvini verglichen.

Maltas Botschafter verglich Merkel mit Hitler

Als wäre das nicht genug, kam vor einigen Tagen noch ein weiteres Problem hinzu, als Maltas Botschafter in Finnland die deutsche Bundeskanzlerin mit dem "Führer" in Verbindung brachte ("Wer stoppt Angela Merkel? Sie erfüllt Hitlers Traum, Europa zu kontrollieren"). Der Diplomat musste zurücktreten.

Malta kommt nur schwer zur Ruhe. Ein Thema allerdings rückte angesichts von Covid-19 und den Folgen länger in den Hintergrund: die politische und juristische Aufarbeitung des Attentats.

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Doch jetzt kommt wieder Bewegung in den Fall. Und es zeigt sich, dass der Neustart, den man im Januar erhoffen konnte, noch nicht gelungen ist. Schlagzeilen machte vor Kurzem ein junger Anwalt, dessen Namen bis dahin kaum jemand kannte: Charles Mercieca. Nach seinem Uni-Abschluss arbeitete der Jurist zwei Jahre lang für die Generalstaatsanwaltschaft Malta, die das Verfahren gegen Yorgen Fenech betreibt, den Verdächtigen im Daphne-Fall.

Bruch mit der Vergangenheit – oder Kontinuität?

Vor gut einer Woche legte Mercieca seinen Posten nieder. Doch schon am nächsten Morgen erschien er wieder vor Gericht - diesmal im Verteidigungsteam von Fenech. Er sei nie mit dem Fall Daphne befasst gewesen, sagte der Anwalt.

Die Familie der Ermordeten und Prozessbeobachter nehmen ihm das nicht ab. Es gebe den "schwerwiegenden Verdacht", dass der unerfahrene junge Jurist "nur aufgrund seines Insiderwissens aus der Ermittlungsbehörde" von Fenech engagiert worden sei, schrieb der Malta-Beauftragte in der parlamentarischen Versammlung des Europarats, Pieter Omtziegt, in einem Protestbrief an die Generalstaatsanwaltschaft.

Die maltesische Regierung hatte Merciecas Seitenwechsel zunächst nur als ungeschickt abgetan. Nach wachsendem Druck hat sie nun eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls angekündigt.

Und Robert Abela? Steht der neue Ministerpräsident für einen Bruch mit der Vergangenheit – oder doch eher für Kontinuität? Im kleinen Malta, wo jeder jeden kennt, hat auch er eine Vorgeschichte. Die Anwaltskanzlei von Abela, dessen Vater von 2009 bis 2014 Staatspräsident war, ist bestens vernetzt. In den vergangenen Jahren arbeitete sie für den staatlichen Energiekonzern Enemalta und das nationale Infrastrukturunternehmen Transport Malta.

Lizenz für den Verkauf maltesischer Pässe

Sogar für den Verkauf maltesischer Pässe, mit denen der nur 475.000 Einwohner zählende Inselstaat insgesamt geschätzt bereits 2, 5 Milliarden Euro verdiente, hatte seine Kanzlei eine Lizenz. Dem bisherigen Ministerpräsidenten Joseph Muscat diente Abela als juristischer Berater.

Im Januar war Muscat zurückgetreten. Der öffentliche Druck war zu groß geworden, nachdem sein Stabschef und sein Tourismusminister wegen harter Vorwürfe in der Daphne-Affäre ihre Posten geräumt hatten. Er selbst wurde Ende 2019 vom "Organized Crime and Corruption Reporting Projekt", einem internationalen Investigativ-Verbund, mit dem wenig schmeichelhaften Titel "Person des Jahres" gekürt.

Jetzt ist Muscat wieder da, als wäre nichts geschehen. Für die Regierung seines Nachfolgers Abela schrieb er gerade ein Konzept, wie Maltas Wirtschaft nach der Coronakrise wieder in Fahrt kommen könnte.

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