Plastik, Lebensmittel, Masken So viel Müll produziert ein Haushalt in einer Woche

Familienporträt im Müll: Die Bilder entlarven den Preis des alltäglichen Wohlstands
Foto: Gregg Segal
In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.
Für Austern war das Coronavirus bislang ein Glücksfall. Seit der Schließung von Restaurants und Hotels ist das Geschäft mit der teuren Delikatesse weltweit schlagartig zurückgegangen, für einen großen Teil der Muscheln gab es auf einmal keine Käufer mehr.
In den USA interessierten sich dafür ganz neue Kreise für den Erwerb der Tiere. Vor wenigen Wochen kündigten Naturschützer an, mindestens fünf Millionen Austern von der US-Ostküste aufzukaufen, um sie anschließend in Riffs aussetzen zu können. Dort sollen sie das Ökosystem stabilisieren und wiederbeleben. Ein unkonventioneller Beitrag zum Umweltschutz, der darüber hinaus noch dabei helfen soll, etwa 200 Arbeitsplätze zu retten.
Vergleichbare Aktionen aus deutschen Schlachthöfen sind bislang nicht bekannt. Doch auch hierzulande zeigte das Virus, wie abhängig Lebensmittelproduzenten, Verbraucher und Natur weltweit voneinander sind. Seit dem Frühjahr landeten Millionen Tonnen von frischen Lebensmitteln im Müll. Während Toilettenpapier tagelang ausverkauft war, gab es für Obst und Gemüse oft zu wenig Abnehmer.

Die drei Studentinnen Lya, Whitney und Kathrin teilen einen gemeinsamen Haushalt. Der Müll einer Woche passte bei ihnen kaum noch aufs Bild
Foto: Gregg SegalGleichzeitig förderte die Pandemie auch neue Ernährungsweisen. Viele Menschen verbringen in diesem Jahr deutlich mehr Zeit zu Hause, sie kochen mehr zu Hause, Restaurants liefern ihr Essen in Styropor und Alu verpackt bis an die Tür.
Der Fotograf Gregg Segal fotografierte schon 2014, wie viel Müll sich in Haushalten innerhalb einer Woche ansammelt. Auf seinen Bildern baden Bürger in Seen aus Plastikfolien und Essensresten – Überfluss als Stillleben. Viele der Protagonisten stammten aus dem Umfeld des US-Amerikaners. Während auf vielen Fotos überwiegend Papier- und Kunststoffverpackungen zu sehen sind, zeigen sich andere Haushalte ernährungsbewusst zwischen Orangenschalen und Tiefkühlgemüse.
»Als ich vor einigen Jahren das erste Bild aufnahm, hätte ich nie gedacht, dass wir einmal so viel zusätzlichen Müll produzieren«, sagt Segal. Der Fotograf hat in den vergangenen Jahren immer wieder den alltäglichen Abfall dokumentiert, aber auch Bilder des Alltags, vor allem in Nordamerika. Dass dieser sich in kurzer Zeit so verändere, stimme ihn nachdenklich, sagt Segal. »Ich wünsche mir, dass Corona uns zum Nachdenken anregt.«
Längst nicht überall auf der Welt wird Müll aufwendig getrennt, auch in vielen Industrienationen landet er noch gesammelt auf der Deponie. Andernorts werden die Wohlstandsreste überwiegend verbrannt. Nicht zuletzt exportieren viele westliche Staaten ihren Abfall längst ins Ausland.
Vermutlich allen Ländern gleich ist, dass in diesem Jahr auch zahlreiche Masken im Müll landen. Weltweit sollen derzeit etwa 129 Milliarden verbraucht werden – pro Monat. Nicht alle davon werden umweltgerecht entsorgt. Bei einer jährlichen Reinigungsaktion in Großbritannien fanden sich im Herbst an 30 Prozent aller Strände Überreste von Masken und Einweghandschuhen.
Sehen Sie hier, wie es aussieht, wenn Menschen eine Woche lang ihren Haushalt aufbewahren:

Gregg Segal: 7 Days of Garbage
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft
Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.
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