Ablenkung von »Partygate«-Affäre Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Boris Johnson gestärkt

Weil der britische Premier Boris Johnson trotz Lockdown Partys gefeiert haben soll, stand seine Amtszeit vor dem Aus. Nun aber lässt der öffentliche Druck nach – wohl auch wegen der Ukrainekrise.
Entspannter Gang: Boris Johnson scheint die »Partygate«-Affäre vorerst überstanden zu haben (Foto von 2021)

Entspannter Gang: Boris Johnson scheint die »Partygate«-Affäre vorerst überstanden zu haben (Foto von 2021)

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TOLGA AKMEN / AFP

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat den Druck auf den angeschlagenen britischen Premierminister Boris Johnson nach Ansicht von Experten deutlich abgeschwächt. »Ein Zyniker würde sagen, dass der Krieg in der Ukraine sich als nützliche Ablenkung für Boris Johnson erwiesen hat«, sagte der Politikwissenschaftler Tim Bale von der Queen-Mary-Universität in London der Deutschen Presse-Agentur.

Der Politologe Matthew Flinders von der Universität Sheffield sagte, der Krieg bilde »eine Art nützlichen Schild« für Johnson. Er lenke ab von der »Partygate«-Affäre  und anderen kritischen Fragen wie etwa nach enormen Lebenshaltungskosten.

Schwache Opposition

»In diesen Zeiten lässt der Widerstand sowohl der Medien als auch anderer politischer Parteien nach, aus Angst, während einer internationalen Krise als unpatriotisch gegenüber dem Premierminister angesehen zu werden«, sagte Flinders. Hinzu komme eine schwache Opposition.

»Die Labourpartei bietet sich derzeit nicht als ernsthafte künftige Regierungspartei mit einem klaren Führungsteam oder einer einheitlichen politischen Agenda an«, so der Experte. Statt einer klaren Auseinandersetzung mit den Tories dominierten interne Konflikte.

Die Londoner Polizei ermittelt noch immer wegen mehrerer Lockdown-Partys in der Downing Street. Damals galten strenge Kontaktbeschränkungen. Johnson, der an mehreren Feiern teilgenommen hat, beharrt darauf, dass es sich um Arbeitstreffen gehandelt habe. Wegen seines Umgangs mit der Affäre hatten auch mehrere Abgeordnete seiner Konservativen Partei seinen Rücktritt gefordert.

Am Freitag händigte die Polizei die ersten Strafbescheide über jeweils 50 Pfund gegen etwa 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Feier aus. Das bedeutet, dass bei den Events tatsächlich Regeln gebrochen wurden.

Richtungsweisende Kommunalwahlen im Mai

Die Gefahr für Johnson ist noch lange nicht vorbei, sagte Mark Garnett, der politische Philosophie an der Universität Lancaster lehrt. Einerseits könnte der Premier immer noch eine Strafe von der Polizei erhalten. Das wäre für viele Tories die Bestätigung, dass Johnson das Parlament belogen hat.

Andererseits stehen Anfang Mai wichtige Kommunalwahlen bevor. »Falls die Tories da eine herbe Niederlage einstecken müssen, würde dies als öffentliches Misstrauensvotum gegen Johnson gewertet«, so Garnett. Die Partei würde ihn dann vermutlich zum Rückzug drängen.

mpz/dpa
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