Nahostkonflikt Zwei Angriffsversuche im Westjordanland – Israel will gegen »Familien von Terroristen« vorgehen

Trauer um Eli und Natali M., die am 27. Januar in Jerusalem bei einem Anschlag getötet wurden
Foto: Atef Safadi / EPAIsraels Sicherheitskabinett hat nach den beiden Terrorangriffen mit sieben Toten und fünf Verletzten in Ostjerusalem neue Maßnahmen zur Terrorbekämpfung beschlossen. Das Sicherheitskabinett kündigte in der Nacht zu Sonntag an, »Familien von Terroristen, die Terrorismus unterstützen«, die Sozialhilfe zu streichen. Die Regierung werde zudem über einen Gesetzentwurf beraten, der vorsehe, den betreffenden Angehörigen ihre israelischen Ausweise zu entziehen. Ob und wie überprüft werden soll, ob jemand den Terrorismus unterstützt, war zunächst unklar.
Die Minister einigten sich auch darauf, dass Zivilisten leichter an Waffenscheine kommen sollen. »Wenn Zivilisten Waffen haben, können sie sich verteidigen«, hatte der rechtsextreme Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben Gvir, vor den Beratungen des Sicherheitskabinetts gesagt.
Am Freitagabend hatte ein 21-jähriger Attentäter auf Besucher einer Synagoge geschossen und sieben Menschen getötet sowie drei weitere verletzt, bevor er von der Polizei nach einer Verfolgungsjagd getötet wurde. Am Samstag griff außerdem ein 13 Jahre alter Junge zwei Männer im Viertel Silwan in Ostjerusalem an. Der Palästinenser verletzte Vater und Sohn dabei schwer. Bewaffnete Passanten schossen schließlich auf den Jungen, der anschließend medizinisch versorgt wurde.
Zwei Vorfälle im Westjordanland
Bei zwei Vorfällen im Westjordanland versuchten Bewaffnete am Samstagabend, weitere Angriffe auf Israelis zu verüben. In der Siedlung Kedumim westlich der Stadt Nablus verhinderten nach Angaben der Armee Wachleute ein Attentat. Sie hätten den »Terroristen« entdeckt und »neutralisiert«. Unklar war zunächst, ob der Angreifer tot ist. Ein weiterer Mann gab laut israelischem Militär in einem Restaurant in der Nähe der Stadt Jericho einen Schuss ab und flüchtete vom Tatort. Medien berichteten, er habe Probleme mit seiner Waffe gehabt. Das verhinderte womöglich weitere Schüsse und Opfer.
Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ostjerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.
»Mein Herz bricht bei der Nachricht von den schrecklichen Terroranschlägen am Schabbat in Jerusalem«, sagte Israels Präsident Isaac Herzog. Neben westlichen Staaten verurteilten auch mehrere arabische Länder die Angriffe am Holocaust-Gedenktag. Saudi-Arabien, das mit Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält, teilte mit, »jegliche Angriffe auf Zivilisten« abzulehnen. Auch Russland rief die Konfliktparteien zu »größtmöglicher Zurückhaltung« auf. »Eine weitere Eskalation der Spannungen« müsse verhindert werden, erklärte das russische Außenministerium. US-Außenminister Anthony Blinken will sich am Montag und Dienstag in Jerusalem und Ramallah um Deeskalation bemühen.
42 Menschen zur Befragung festgenommen
Die israelische Polizei nahm nach eigenen Angaben 42 Menschen zur Befragung fest. Für die Sicherheitskräfte galt die höchste Alarmstufe. Die Armee sieht eine Verstärkung ihrer Truppenzahl im Westjordanland vor. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigte am Samstag die Zerstörung der Häuser der mutmaßlichen Drahtzieher an.
Die palästinensische Führung ließ in einer Erklärung verlauten, Israel sei »voll verantwortlich für die gefährliche Eskalation«. In diesem Jahr seien bereits 31 Palästinenser getötet worden. Erst am Donnerstag waren bei einer Razzia der israelischen Armee im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin im Norden des Westjordanlands neun Palästinenser gestorben. Es war nach Uno-Angaben die höchste Opferzahl bei einem einzelnen israelischen Einsatz im Westjordanland seit dem Ende der zweiten Intifada, dem Palästinenser-Aufstand von 2000 bis 2005. Als Vergeltung wurden am Freitag aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel abgefeuert. Die meisten Raketen fing die israelische Armee mit ihrem Luftabwehrsystem ab.
Trotz der Angriffe protestierten am Samstagabend wieder Zehntausende gegen Israels neue ultrarechte Regierung. Ihnen geht es vor allem um geplante Reformen im Justizsystem, die einige Beobachter für das Ende der israelischen Demokratie halten. Zum Gedenken an die Terroropfer zündeten Demonstranten in Tel Aviv und anderen Städten Kerzen an. Sie hielten außerdem eine Schweigeminute für die Getöteten.