Mathieu von Rohr

Die Lage am Morgen Wie wir über den Krieg berichtet haben

Mathieu von Rohr
Von Mathieu von Rohr, Leiter des SPIEGEL-Auslandsressorts

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um den Untersuchungsbericht des US-Kongresses zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, um einen russischen Spion beim BND – und um die Ukraine-Berichterstattung des SPIEGEL in diesem Jahr.

Wie Trump den Sturm aufs Kapitol anheizte

Dies ist die letzte Lage am Morgen vor Weihnachten. Der politische Terminkalender ist bereits leer. Als letztes große Ereignis vor der Weihnachtspause war die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zum Kapitolsturm am 6. Januar 2021 angekündigt. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss machte es dann spannend, erst am späteren Abend (Ortszeit Washington) lag der abschließende Report  vor.

Sturm aufs Kapitol, 6. Januar 2021

Sturm aufs Kapitol, 6. Januar 2021

Foto: Leah Millis / REUTERS

Das Gremium hatte bereits am Montag das US-Justizministerium aufgerufen, ein Strafverfahren gegen Ex-Präsident Donald Trump einzuleiten – unter anderem wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einem Aufstand. Nun breitet der Report auf 845 Seiten die Gründe für diesen Appell aus.

Ein erster Blick hinein: In dem Bericht wird Trump eine »mehrstufige Verschwörung« vorgeworfen, um die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl von 2020 umzukehren. Die zentrale Ursache für den Sturm sei »ein Mann« gewesen, schreibt das Gremium: Trump. Der Aufstand habe die Demokratie ernsthaft bedroht und »das Leben amerikanischer Gesetzgeber aufs Spiel gesetzt«, heißt es. Der Ex-Präsident habe seine Anhänger nicht davon abgehalten, gewaltsam das Kapitol zu stürmen.

Hat die Bundesregierung die »Zeitenwende« verstanden?

Wir nähern uns dem Ende eines extremen Jahres. Ich kann mich in meiner journalistischen Laufbahn an kein ereignisreicheres und umwälzenderes Jahr erinnern als an 2022. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat für die Welt größere Folgen als die einstürzenden Türme in New York vor 21 Jahren. Das große Wort »Zeitenwende« beschreibt das Jahr richtig. Auch wenn fraglich ist, ob die Bundesregierung wirklich genug tut, um das Land auf deren Folgen vorzubereiten.

Deutscher Puma-Panzer

Deutscher Puma-Panzer

Foto: IMAGO/Björn Trotzki

»Mit der Ankündigung der Zeitenwende war die Gelegenheit so günstig wie nie, die zum Teil völlig überholten Strukturen in Deutschland, insbesondere bei der Bundeswehr endlich aufzubrechen«, so schreibt mein Kollege Konstantin von Hammerstein diese Woche im SPIEGEL-Leitartikel. Doch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat diese Chance vergeben, hat weitgehend alles beim Alten belassen. »Lambrecht ist die Falsche im Amt der Verteidigungsministerin«, schreibt Konstantin. »Solange wie in ihrem Falle Verzagtheit und Lethargie triumphieren, kommt die Zeitenwende über das Redemanuskript des Kanzlers nicht hinaus.«

In eigener Sache: Unsere Ukraine-Berichterstattung 2022

Ein Weihnachtsbaum in den ukrainischen Nationalfarben in Kiew

Ein Weihnachtsbaum in den ukrainischen Nationalfarben in Kiew

Foto: Vasilisa Stepanenko / dpa

Das Auslandsressort des SPIEGEL, für das ich verantwortlich bin, hat in diesem Jahr enorm viel Kraft und Ressourcen aufgewendet, um für Sie über diesen Krieg zu berichten. Meine Kolleginnen und Kollegen waren vor dem 24. Februar, am Tag des Angriffs selbst und auch seither fast ununterbrochen in der Ukraine unterwegs; es gab kaum einen Tag, an dem keine Reporterin und kein Reporter des SPIEGEL im Land war, in den Städten und hinter den Frontlinien. Und wir berichten zugleich – auch wenn das nicht einfacher geworden ist – weiterhin mit einem festen Büro aus Moskau; natürlich erzählen wir auch von den Folgen des Krieges auf dem ganzen Kontinent.

Wir sind mit so vielen Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine, weil wir es für wichtig erachten, nicht nur aus der Ferne zu analysieren, sondern konkret vor Ort zu erzählen, was Krieg bedeutet. Ich möchte deshalb diese »Lage« ausnahmsweise nutzen, um auf die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen hinzuweisen, die in diesem Jahr für Sie in der Ukraine und in Russland unterwegs waren. Hier stelle ich Ihnen eine Reihe von Texten aus dem Jahr über diesen Krieg zusammen, es ist nur eine kleine Auswahl:

Leider sieht es überhaupt nicht so aus, dass der Krieg im neuen Jahr bald endet. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte zuletzt eine weitere Militarisierung der Gesellschaft an, in der Ukraine herrscht die Sorge vor einem erneuten Angriff auf Kiew .

Wir werden auch im neuen Jahr für Sie aus der Ukraine, aus Russland und über diesen Krieg und seine Auswirkungen auf Deutschland und auf Europa berichten. Und natürlich vor allem über seine Folgen für das angegriffene Land: Dazu gehört auch das Leid der Zivilbevölkerung in der Ukraine, die Weihnachten wegen der russischen Angriffe auf Infrastruktur mit wenig Strom und ausfallenden Heizungen verbringen muss.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

Weihnachten ist meist eine nachrichtenarme Zeit. Hoffen wir, dass es dabei bleibt. Ich wünsche Ihnen eine geruhsame und schöne Zeit zum Jahresende. Die nächste »Lage« erscheint am 27. Dezember. Ich wünsche Ihnen jetzt schon alles Gute fürs nächste Jahr – auf dass es weltpolitisch gesehen ein erfreulicheres werde.

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Verlierer des Tages…

…ist der Bundesnachrichtendienst. Ein BND-Mitarbeiter soll Staatsgeheimnisse an Russland verraten haben. Der Beamte wurde festgenommen, Büros des BND wurden durchsucht.

BND-Zentrale in Berlin

BND-Zentrale in Berlin

Foto:

AXEL SCHMIDT / REUTERS

Der Mann soll hochsensible Informationen an einen russischen Geheimdienst weitergegeben haben. So sensibel, dass nach SPIEGEL-Informationen Bundeskanzler Olaf Scholz bereits vor mehreren Wochen über den Spionageverdacht beim BND informiert wurde.

Es könnte sich um einen der größten Spionagefälle in der Geschichte des BND handeln. Denn sollte sich der Verdacht erhärten, hätte der deutsche Auslandsgeheimdienst einen Doppelagenten in den eigenen Reihen gehabt – und das, während Russland in Europa einen Angriffskrieg führt.

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  • »Sie haben nicht zufällig schon einmal das Kalbsfilet in Bitumen gegessen?«: Jürgen Dollase gilt als einer der wichtigsten Restaurantkritiker Deutschlands. Hier erklärt er, was ihn an veganer Küche stört, warum das Prädikat »lecker« ein Totschlagargument ist – und wie sein Weihnachtsessen aussieht. 

Ich wünsche Ihnen frohe Festtage.

Ihr Mathieu von Rohr

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