
Die Lage am Morgen Eine ziemlich üble Woche für Donald Trump

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um die Frage, ob der ehemalige US-Präsident angeklagt und seine Steuererklärung veröffentlicht wird. Außerdem: Plant Wladimir Putin eine neue Offensive auf Kiew? Und was treibt eigentlich Elon Musk mit Twitter?
Steht ein neuer russischer Angriff auf Kiew bevor?
Die Ermattung angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist in Deutschland derzeit besonders spürbar – doch für Hoffnungen, dass sich der Krieg womöglich bald erledigt haben könnte und in Verhandlungen beilegen ließe, gibt es derzeit wenig Anlass.

Staatsbesuch unter Freunden: Putin (l.) bei Lukaschenko
Foto: IMAGO/Pavel Bednyakov / IMAGO/SNADer Besuch Wladimir Putins im Nachbarland Belarus deutet darauf hin, dass der russische Präsident den Druck auf seinen Minsker Amtskollegen Alexander Lukaschenko erhöht, sich am Krieg zu beteiligen: Lukaschenko ist seit 28 Jahren an der Macht, und er ist von Putin abhängig. Bisher hat er zwar zugelassen, dass russische Truppen von belarussischem Territorium aus die Ukraine angreifen. Eigene Truppen hat er aber nicht in die Schlacht geschickt; die eigene Bevölkerung hätte er dabei massiv gegen sich. Zuletzt musste er öffentlich dem Eindruck widersprechen, dass die Russen ohnehin alles in Belarus kontrollierten – was ja schon per se ein Zeichen der Schwäche ist.
Doch kann Lukaschenko sich dem russischen Druck entziehen? Putin kam in Begleitung seines Außen- und seines Verteidigungsministers. Was das Ziel des Besuchs war, blieb unklar, aber die Ukraine warnt seit Tagen, dass entweder eine neue russische Offensive auf Kiew bevorstehen könnte – oder ein Angriff auf westliche Waffenlieferungen in der Westukraine; vielleicht sogar schon im Januar. Kein Grund jedenfalls, von einer baldigen Ermattung der Kampfhandlungen auszugehen. Eher stellt sich für Deutschland und die Nato einmal mehr die Frage, ob die militärische Unterstützung der Ukraine nicht wieder verstärkt werden muss.
Und dann muss sich Deutschland in diesen Tagen natürlich auch fragen, wie es sich eigentlich selbst militärisch unterstützen kann: Da von 18 Puma-Panzern der Bundeswehr kein einziger einsatzbereit war für die Nato-Eingreiftruppe, tritt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nun die Flucht nach vorn an, wie meine Kollegen Matthias Gebauer und Marina Kormbaki berichten.
Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht: Heute ist der 300. Kriegstag. Laut Selenskyj starben bisher knapp 99.000 Soldaten Russlands. Und: Der Kremlchef spricht über eine »extrem schwierige« Lage. Der Überblick.
Stararchitekt Norman Foster stellt in Charkiw Pilotprojekte zum Wiederaufbau der Stadt vor: Noch ist kein Ende des Krieges in der Ukraine abzusehen. Doch der Bürgermeister von Charkiw und der britische Architekt Norman Foster arbeiten bereits an einem Wiederaufbauplan. Nun kam es zu einem Treffen in der Stadt.
Ein Deckel voller Löcher: Die EU-Energieminister haben nach großem Verhandlungsdrama einen Gaspreisdeckel beschlossen, der kaum noch etwas deckeln dürfte. Die wirklich klugen Beschlüsse des Tages finden leider kaum Beachtung.
Schlechte Nachrichten für Trump
Donald Trump soll angeklagt werden, unter anderem wegen Anstiftung zu einem Aufstand: Das ist der Wunsch einer Mehrheit im Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Am Montag war die letzte Sitzung des Ausschusses – und am Ende gaben die Demokraten, aber auch Republikaner wie Liz Cheney, ein eindeutiges Votum ab: Sie empfehlen dem Justizministerium, Trump in vier Punkten anzuklagen.

Das Washingtoner Kapitol, Sitz der US-Parlamentskammern und deren Ausschüsse
Foto: Matt Rourke / APEs ist ungewiss, ob es dazu kommt: Justizminister Merrick Garland hat einen Sonderermittler eingesetzt, der eine Anklage prüfen soll. Viele Demokraten fürchten, dass eine Anklage Trump gar helfen würde, weil sie seine Basis mobilisiert.
Und dennoch: Was der Kongressausschuss in den vergangenen Monaten zutage gefördert hat, ist ein ganzer Abgrund an undemokratischem Verhalten. Die Entscheidung des Ausschusses ist historisch. Am Donnerstag wird der Untersuchungsausschuss zudem seinen Bericht veröffentlichen – mit vielen neuen Zeugenaussagen zu Trumps Verhalten an jenem Tag.
Die Ärgernisse und Probleme häufen sich seit Wochen für den Ex-Präsidenten. Das schlechte Abschneiden der Republikaner bei den Midtermwahlen lasteten auch viele seiner Parteifreunde ihm an. In Umfragen lag er zuletzt deutlich hinter seinem parteiinternen Herausforderer Ron DeSantis zurück, dem Gouverneur von Florida. Die Ankündigung seiner Präsidentschaftskandidatur hat Trump bisher nicht den erhofften Rückenwind verliehen. Und in dieser Woche reiht sich für ihn ein schwieriger Termin an den anderen.
Am heutigen Dienstag wird ein anderer Ausschuss des Repräsentantenhauses nämlich darüber entscheiden, was mit Donald Trumps Steuererklärungen passieren soll. Gut möglich, dass sie veröffentlicht werden. Trump hatte das jahrelang zu verhindern versucht. Nun könnten seine Steuerdokumente aus sechs Jahren an die Öffentlichkeit kommen und seinen Gegnern neues Futter liefern.
Muss man deswegen für 2024 schon gar nicht mehr mit Trump rechnen? Das wäre natürlich Unsinn. Den Fehler macht nach den Erfahrungen der vergangenen sieben Jahre hoffentlich niemand mehr.
Untersuchung zum Kapitol-Sturm: Jetzt droht Trump eine Haftstrafe – und ein Ämterverbot
Urteil gegen eine KZ-Sekretärin
Oft hieß es in den vergangenen Jahren bei Gerichtsverfahren gegen nationalsozialistische Täter, es sei vielleicht das letzte. Diesmal könnte es stimmen: Nach 40 Verhandlungstagen fällt heute das Urteil im Verfahren gegen die einstige KZ-Sekretärin Irmgard Furchner.

Angeklagte Furchner vor Gericht
Foto: MARCUS BRANDT / AFPDer Vorwurf: Sie habe von Juni 1943 bis April 1945 Beihilfe zum heimtückischen und grausamen sowie zum versuchten Mord an 11.380 Gefangenen geleistet.
Die Angeklagte will nicht zur Verantwortung gezogen werden für ihre freiwillige Tätigkeit als Stenotypistin in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig, eine Tätigkeit, die 77 Jahre zurückliegt. Sie wehrte sich mit allen Mitteln, beschwerte sich bei Staatsanwalt und Richter.
Meine Kollegin Julia Jüttner, die den Prozess für den SPIEGEL begleitet hat, erklärt in diesem Text , warum es richtig ist, dass mutmaßliche NS-Verbrecher auch im Jahr 2022 noch vor Gericht stehen müssen. Es gehe nicht um Vergeltung, sondern um die Zukunft, schreibt Julia: »Die Verbrechen der Schoa rücken langsam in den Hintergrund. Diskriminierung, Ausgrenzung, fremdenfeindliche, rechts motivierte, antisemitische Straftaten in Deutschland sind allgegenwärtig. Der Mord an Walter Lübcke, das Attentat von Halle, der Anschlag in Hanau. Wohin Rassismus führen kann, muss im Bewusstsein aller Generationen bleiben. Auch dabei hilft ein Prozess wie dieser.«
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Verlierer des Tages…

…ist Elon Musk, der mit seiner Übernahme des sozialen Netzwerks Twitter ein politisch-kulturelles Drama eröffnet hat, das ihn selbst zu verschlingen droht.
Musk gebärdet sich als Twitterchef wie ein Tyrann, der seine Untertanen mal abstimmen lässt, sie dann wieder erhört, dann willkürlich Regeln ändert und missliebige Nutzerinnen und Nutzer mit fadenscheinigen Argumenten einfach sperren lässt. Einen Nutzer, der mit öffentlich verfügbaren Daten einen Bot programmiert hatte, der die Flugbewegungen Musks und anderer Superreicher nachvollziehbar machte, ließ er von der Plattform verbannen – ebenso Journalisten, die den Account verlinkt oder den großen Superuser schlicht mit ihren Recherchen konfrontiert hatten.
Musk, der sich einst als politisch unabhängig bezeichnet hatte, rief zuletzt zum Wählen von Republikanern auf und kumpelte auf der Plattform mit Accounts herum, die Verschwörungstheorien in die Welt setzen. Musk beschädigt damit nicht nur den Wert der zum übersteigerten Preis von 45 Milliarden Dollar gekauften Plattform – sondern auch sein sonstiges Firmenimperium: Die Aktie des Automobilherstellers Tesla befindet sich seit Wochen im Sinkflug. Die politische Wandlung Musks könnte potenzielle Käufer abschrecken.
Und so ist es kein Wunder, dass Musk zuletzt darüber abstimmen ließ, ob er den Posten als CEO von Twitter nicht jemand anderem überlassen sollte. Die Mehrheit der Nutzer stimmte dem zu. Nun ist die Frage, ob Musk wirklich im Alltag die Finger von Twitter lässt (es ist schwer vorstellbar) – und was an dem Gerücht dran ist, dass Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner sein Nachfolger werden soll. Die Show muss weitergehen. Aber ob Twitter und Tesla die Show überleben, wird sich noch zeigen.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Lauterbach will offenbar Preisregeln bei Kindermedikamenten ändern: Volle Krankenhäuser und Arztpraxen, aber kein Fiebersaft: Zuletzt gab es Engpässe bei Medikamenten für Kinder aber auch für Erwachsende. Gesundheitsminister Karl Lauterbach will nun wohl gegensteuern.
Jury spricht Harvey Weinstein in drei Anklagepunkten schuldig – darunter Vergewaltigung: Im zweiten Prozess gegen Harvey Weinstein ist das Urteil gefallen. Der frühere Hollywoodproduzent wurde in Los Angeles wegen Sexualverbrechen in drei Punkten schuldig gesprochen. Es gab aber auch einen Freispruch.
23-Jähriger nach Eierwürfen auf König Charles III. angeklagt: Er soll im englischen York mehrere Eier auf Charles III. geworfen haben. Dafür muss sich ein Mann nun vor Gericht verantworten – ihm drohen mehrere Monate Haft. Die Eier hatten den König knapp verfehlt.
Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute
»Die heile Welt ist vorbei«: Weniger Spielsachen, eher gebraucht als neu: Inflation und Energiekrise lassen Deutschlands Mütter und Väter zum Fest knapper kalkulieren. Neue Konsumdaten zeigen, was sich beim Weihnachtsshoppen noch geändert hat .
Was steckt hinter dem Candy-Store-Boom? Schokosnacks aus den USA, Kekse aus Japan, Bonbons aus Indien: In den Innenstädten buhlen grellbunte Candy-Stores um junge Käufer. Ihre Kundschaft sucht Grenzerfahrungen – und einen Kontrapunkt zu gesundem Essen .
Hier ist die Blaupause für den Artenschutz: Auf dem Archipel lässt sich ergründen, wie der Niedergang der Artenvielfalt gestoppt werden könnte. Er ist ein Füllhorn des Lebens und gut geschützt. Sicher vor Ausbeutung sind die Inseln dennoch nicht .
Vom Wald aufs Schafott: Lustig ist das Räuberleben? Von wegen: Banditen wie Mathias Kneißl oder der »Schinderhannes« wurden meist von Armut getrieben und endeten unter dem Fallbeil. Volkstümliche Verklärung machte aus Verbrechern hotzenplotzige Legenden .
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Mathieu von Rohr