Mathieu von Rohr

Die Lage am Morgen So will Joe Biden in einem Jahr die Welt impfen

Mathieu von Rohr
Von Mathieu von Rohr, Ressortleiter Ausland

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um den Coronagipfel von Joe Biden, der die Welt bis Ende 2022 aus der Pandemie führen soll. Außerdem geht es um China, das im Ausland keine Kohlekraftwerke mehr finanziert – und um Armin Laschets seltsames Wahlvideo.

Joe Biden will die Pandemie bis Ende 2022 beenden

US-Präsident Joe Biden hält heute einen virtuellen Covid-19-Gipfel ab. Das Ziel: Bis in einem Jahr sollen 70 Prozent der Weltbevölkerung geimpft sein – die Coronapandemie soll bis Ende 2022 vorüber sein. Wie will er das erreichen? Am Rande der Uno-Generalversammlungen sollen führende Politikerinnen und Politiker der Welt, internationale Organisationen, Pharmafirmen sowie private Geldgeber und NGOs gemeinsam einen Aktionsplan beschließen: So sollen Vakzinen erschwinglich und verfügbar gemacht werden, die Bevölkerungen auch in armen Ländern sollen schnell geimpft werden.

Eine junge Frau in Kenia wird mit Moderna geimpft – der Impfstoff wurde über Covax gespendet

Eine junge Frau in Kenia wird mit Moderna geimpft – der Impfstoff wurde über Covax gespendet

Foto: Daniel Irungu / EPA

Während die Impffrage in den reichen Ländern politisiert wurde, während in den USA nur 55 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind – und in vielen reichen Ländern schon Booster-Impfungen verteilt werden, sieht es in ärmeren Ländern düster aus : Das Uno-Impfprogramm Covax, das arme Länder mit Impfstoff versorgen soll, hinkt allen Plänen hinterher. In Afrika sind weniger als vier Prozent der Einwohner geimpft. Es wären Milliarden Impfdosen nötig, um Bidens Ziel zu erreichen. Die reichsten Länder der Welt müssten viele davon spenden. Wie das zu schaffen ist, wenn gleichzeitig vielerorts schon Drittimpfungen verabreicht werden, ist bisher offen.

Joe Biden bei seiner Rede vor der Uno-Generalversammlung

Joe Biden bei seiner Rede vor der Uno-Generalversammlung

Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Bidens Initiative ist begrüßenswert – und es ist zu hoffen, dass sie begeisterter aufgenommen wird als seine außenpolitische Grundsatzrede vor der Uno-Generalversammlung. Unser US-Korrespondent Marc Pitzke aus New York berichtet, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer verhalten reagierten:

China will weltweite Kohlefinanzierung beenden

Die größte Überraschung bei der Uno-Generalversammlung war am Dienstag die Rede von Chinas Präsident Xi Jinping, der per Video aus Beijing zugeschaltet war: China werde im Ausland keine neuen Kohlekraftwerke mehr bauen. Stattdessen werde man Entwicklungsländer dabei unterstützen, auf grüne Energie umzusteigen.

Ein indonesisches Kohlekraftwerk

Ein indonesisches Kohlekraftwerk

Foto: WILLY KURNIAWAN / REUTERS

Das ist eine große Sache im Kampf gegen den Klimawandel, denn China ist bisher der mit Abstand weltgrößte Finanzier von Kohleprojekten: Im Rahmen der Neuen Seidenstraße finanzierte China in gewaltigem Stil Kohlekraftwerke in Afrika, Asien und Südamerika. Allein die Bank of China investierte laut einer Gruppe von NGOs seit dem Pariser Abkommen von 2015 rund 35 Milliarden Dollar in Kohleprojekte im Ausland.

Zuvor waren bereits Japan und Südkorea aus der internationalen Kohlefinanzierung ausgestiegen. Damit haben die drei größten Investorenländer sich zurückgezogen (auf Platz 4 liegt übrigens Deutschland): Die internationale Finanzierung für neue Kohlekraftwerke versiegt damit. Die chinesische Entscheidung trägt dazu bei, das Zeitalter der Kohleverstromung zu beenden. In Deutschland soll laut den Plänen der aktuellen Bundesregierung 2038 endgültig Schluss damit sein.

In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen eine Recherche meiner SPIEGEL-Kollegen Kevin Hagen und Claus Hecking: Sie haben beobachtet, dass Unionspolitiker wie Armin Laschet und Friedrich Merz im Wahlkampf neuerdings wieder mit der Atomkraft flirten. Was steckt dahinter?

Polens Regierung eskaliert den Konflikt mit Europa

Im schwer belasteten Verhältnis zwischen Warschau und Brüssel könnte heute eine Eskalation folgen: Polens Verfassungsgericht soll auf Bitten der nationalkatholischen Regierung darüber entscheiden, ob nationales Recht über europäischem steht – damit verstieße Polen gegen ein Grundprinzip der EU-Verträge. Europäische Gerichte und die EU-Kommission könnten mit massiven Strafmaßnahmen antworten, bis hin zu täglichen Bußgeldern in Millionenhöhe. Beim Konflikt geht es um die polnische Justizreform: Sie hat zu einer Politisierung der Justiz geführt, nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs ist sie in Teilen nicht mehr unabhängig.

Demonstranten vor dem polnischen Verfassungsgericht werden von Polizisten weggetragen (am 30.8.)

Demonstranten vor dem polnischen Verfassungsgericht werden von Polizisten weggetragen (am 30.8.)

Foto: Czarek Sokolowski / AP

Am Montag spitzte sich der Konflikt zwischen Polen und der Union auf einem anderen Feld zu: Der Europäische Gerichtshof verhängte eine Strafzahlung von 500.000 Euro täglich gegen Polen. Denn die Regierung hat gegen die gerichtliche Anordnung verstoßen, den Abbau von Braunkohle im Grenzgebiet zwischen Polen, Tschechien und Deutschland einzustellen. Die tschechische Regierung hatte geklagt, aus Sorge um die Trinkwasserversorgung. Die polnische Regierung sieht die Energiesicherheit gefährdet – und weigert sich. Doch gefährdet ist vor allem die Rechtsstaatlichkeit in der EU. Warschau benimmt sich zunehmend rüpelhaft – und stellt die übrigen Mitgliedstaaten vor die Wahl: Entweder akzeptieren sie das polnische Verhalten, und die Basis zerbröselt, auf der die EU gebaut ist. Oder sie bestrafen Polen massiv – und riskieren, das Land in einen noch tieferen Konflikt mit der EU zu treiben.

Podcast: Löst Erdgas unser Kohle-Problem?

Im ersten Halbjahr 2021 war Erdgas der drittwichtigste Energieträger Deutschlands, direkt hinter Kohle und Windkraft. Deutsche Unternehmen investieren riesige Summen in die Gasindustrie: Vor Kurzem ist die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 fertiggestellt worden, in Kiel wurde vor zwei Jahren eines der modernsten Gaskraftwerke Europas in Betrieb genommen. Für viele Ingenieure ist Erdgas eine Brückentechnologie hin zu den erneuerbaren Energien. Aber stimmt das überhaupt? Lohnt es sich, in Erdgas zu investieren, obwohl Deutschland bald klimaneutral sein will? Darum geht es in dieser Woche im »Klimabericht« – dem SPIEGEL-Podcast zur Lage des Planeten.

Verlierer des Tages…

Am Abend der Höhepunkt: Angela Merkel unterstützt Armin Laschet in Stralsund

Am Abend der Höhepunkt: Angela Merkel unterstützt Armin Laschet in Stralsund

Foto: Sean Gallup / Getty Images

… ist für mich das Wahlkampfteam von Armin Laschet. Man kann es Pech nennen oder auch schlechtes Handwerk, sicher ist: Es veröffentlichte einen Wahlwerbespot, in dem Laschet gezeigt wird, wie er für Dialogbereitschaft mit Andersdenkenden wirbt. Eigentlich eine lobenswerte Eigenschaft – und tatsächlich hatte Laschet die unangenehme Situation mit einem Querdenker, der ihn vor zwei Wochen aus nächster Nähe anbrüllte, relativ schlagfertig gelöst.

Doch warum musste Laschet nun ausgerechnet in einem Wahlwerbespot zusammen mit diesem Mann gezeigt werden, der nachweislich zur radikalen rechten Coronaleugnerszene gehört, gern mit Reichsbürgern posiert und in Videos die Reichsflagge lobt? Und warum lautet der Text dazu: »…reden, auch mit denen, die eine kritische Haltung haben – ja, gerade mit denen«? Wusste Laschets Team nicht, um wen es sich dabei handelt?

Wenn so ein Spot dann ausgerechnet an einem Tag veröffentlicht wird, an dem ein radikaler Maskengegner einen 20-Jährigen an einer Tankstellenkasse ermordet und viele Menschen im Land davon äußerst schockiert sind, dann ist das zumindest unglücklich. Dabei sollte gestern doch eigentlich ein Erfolgstag für Laschet werden: Erstmals machte Angela Merkel für ihn Wahlkampf: in ihrem alten Wahlkreis, in Stralsund. Es regnete in Strömen. Wie es sonst so lief, lesen Sie hier .

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