Mathieu von Rohr

Die Lage am Morgen Trumps Diener stellt sich gegen seinen Herrn

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute widmen wir uns einer klaren Botschaft von US-Justizminister Bill Barr an Donald Trump. Wir beschäftigen uns mit der Schreckenstat von Trier, der Zukunft der Kenia-Koalition in Magdeburg und einem Gerichtsprozess gegen den Hongkonger Aktivisten Joshua Wong.

Der Schrecken von Trier

Die Tat von Trier macht fassungslos. Ein Mann steuert sein Fahrzeug im Zickzackkurs durch eine Fußgängerzone. Er will Menschen töten. Mindestens fünf Menschen sterben, darunter ein Baby. Es gibt mehrere Schwerverletzte und Traumatisierte. Der Täter, ein 51-jähriger Deutscher, war schwer alkoholisiert und offenbar psychisch krank. Die letzten Tage soll er in seinem Fahrzeug geschlafen haben.

Es gibt offenbar kein Geheimnis, keine Ideologie, keinen Extremismus hinter dieser Tat, sondern nur schreckliche Leere. Für die Angehörigen spielt die Frage nach dem Motiv nicht die Rolle, die sie für die Öffentlichkeit spielt. Egal, was den Menschen trieb, der die Tat verübte: Er hat sich selbst ermächtigt, Menschenleben zu beenden und Menschen ihrer Liebsten zu berauben. Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigten sich gestern tief betroffen. Rund hundert Menschen beteten im Trierer Dom für die Opfer und ihre Angehörigen.

Die Zukunft von Haseloff

Im sogenannten Medienausschuss könnte sich heute in Sachsen-Anhalt das Schicksal der Keniakoalition von CDU-Ministerpräsident Rainer Haseloff entscheiden: Sachsen-Anhalt ist das letzte Bundesland, das der Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um 86 Cent zum 1. Januar nicht zugestimmt hat. Die SPD will der Erhöhung zustimmen, die Grünen wollen die Entscheidung um sechs Monate vertagen und die CDU will sie ablehnen – wie auch die AfD . Am Streit um diese Frage droht nun die Regierung zu scheitern, die Situation ist verfahren und eine Lösung nicht in Sicht. Haseloff versuchte, die Sitzung zu verschieben, was seine eigene Fraktion verhinderte. Wenn CDU und AfD die Erhöhung am 15. Dezember im Landtag zusammen stoppen sollten, wird das Thema auch für die Bundes-Union zum Problem.

Das Urteil von Hongkong

Heute entscheidet sich, ob der 24-jährige Hongkonger Oppositionelle Joshua Wong für fünf Jahre ins Gefängnis muss. Das bekannteste Gesicht der Demokratiebewegung steht zusammen mit seinen prominenten Mitstreitern Agnes Chow und Ivan Lam vor Gericht. Alle drei hatten sich schuldig bekannt, einen unerlaubten Protest organisiert zu haben – dafür drohen ihnen jeweils bis zu fünf Jahren Haft. Es geht um einen Protest, den die drei am 21. Juni 2019 organisiert hatten. Es war das Jahr, in dem Hongkong monatelang von Massendemonstrationen gegen Peking erschüttert wurde. Wenn die drei Anführer ins Gefängnis sollten, so sagen sie, wollten sie damit die Aufmerksamkeit der Welt auf das von Peking gelenkte Hongkonger Justizsystem richten. Ihr Kampf scheint fast schon verloren zu sein: Seit Peking mit dem neuen Sicherheitsgesetz faktisch die direkte Kontrolle über Hongkong übernommen hat, können die Behörden viel brutaler gegen jede Form von Opposition vorgehen.

Story des Tages: Direkte Demokratie

In einer Region im Osten Belgiens wurden 50 von 76.000 Einwohnern ausgelost, um an politischen Entscheidungen mitzuwirken. Meine Kollegin Alexandra Rojkov wollte wissen, wie es den Blick der Menschen auf die Politik verändert, wenn sie mitentscheiden dürfen – und ob direkte Demokratie das Vertrauen der Bürger stärkt. Hier können Sie lesen, was sie herausgefunden hat.

Trumps treuer Diener hat genug

Der US-Justizminister Bill Barr war lange bekannt dafür, dass er fast alles tut, was Donald Trump von ihm verlangt – auch wenn es seiner Rolle widerspricht: Seit Richard Nixon hat der Justizminister innerhalb der Regierung eine gewisse Unabhängigkeit, denn ihm unterstehen mächtige Justizorgane wie das FBI. Barr hielt sich daran nur teilweise, was man etwa daran sah, wie er den Russland-Untersuchungsbericht der Mueller-Kommission behandelte: Er veröffentlichte ihn zunächst nicht, sondern nur eine irreführende Zusammenfassung, die wichtige Vorwürfe ausließ. Doch je näher die Wahl rückte, desto unzufriedener war Trump mit seinem Justizminister. Er wünschte sich, dass Barr Strafuntersuchungen gegen Hillary Clinton und Joe Biden einleite – dafür gab es zwar keinen wirklichen Grund, aber Trump sah im Justizministerium ein Werkzeug, mit dem er seinen politischen Gegnern schaden wollte. Barr weigerte sich, zum Ärger seines Chefs.

Nun hat Barr sich so klar gegen seinen Chef gestellt wie noch nie und öffentlich gemacht, dass er Donald Trumps abstruse Verleugnung des Wahlresultats nicht stützt. Er sagte der Nachrichtenagentur AP : Es gebe keine Hinweise auf Wahlfälschung im großen Stil, die das Wahlergebnis verändern würde. Ein klares Signal an den Präsidenten, dass es genug ist mit dem ganzen Irrsinn, den Trump weiterhin veranstaltet. Doch der Präsident hört schon lange nur noch auf seinen persönlichen Anwalt und Verschwörungsguru Rudy Giuliani. Laut mehreren Medienberichten hat Giuliani, Trumps Mann fürs Grobe, mit dem Präsidenten bereits darüber gesprochen, dass dieser ihn präventiv für alle möglichen Missetaten begnadigen soll, die Giuliani für Trump begangen haben könnte. 

Doch Barrs Aussage ändert nichts daran, dass auch er zu den Lakaien des Präsidenten gehört, die seit Jahren fragwürdige Dinge für ihn tun: Vielleicht um Trump zu besänftigen, gab Barr gestern gleichzeitig auch noch bekannt, dass er nun mit John Durham einen eigenen »Special Counsel« eingesetzt hat : Einen Sonderermittler, der untersuchen soll, wie es zur Einsetzung von Sonderermittler Robert Mueller kommen konnte – und der Trumps Vermutung verifizieren soll, dass die Russland-Untersuchung einer Verschwörung entsprang. Schwirrt Ihnen der Kopf? Verständlich. Die Trump-Präsidentschaft dauert übrigens nur noch gut 50 Tage.

Verlierer des Tages…

…ist József Szájer, 59. Der ungarische Europaabgeordnete ist ein Vertrauter von Premier Viktor Orbán und brüstet sich unter anderem damit, dass er selbst 2011 in die ungarische Verfassung die Worte eingefügt haben soll, wonach die Ehe ausschließlich der Bund zwischen Mann und Frau sei. Am vergangenen Freitag wurde Szájer in Brüssel von der belgischen Polizei gefasst, weil er bei einer illegalen Party zusammen mit zwei Dutzend anderen Männern gegen die Corona-Bestimmungen verstieß – er habe versucht, zu fliehen, und sei von der Polizei mit blutigen Händen und einem Rucksack mit Drogen gefasst worden.

Laut belgischen Medien handelte es sich bei der aufgelösten Zusammenkunft um eine schwule Sexparty. Das ist nur aus einem Grund berichtenswert: Es zeigt die Heuchelei eines christlich-nationalistischen und in der Öffentlichkeit offen homophoben Politikers. Nur dann wird das Private politisch. In einem Statement gab Szájer gestern bekannt, dass er von seinem Amt zurücktrete und entschuldigte sich bei seiner Familie – er ist mit einer ungarischen Verfassungsrichterin verheiratet. Außerdem gab er bekannt, dass die Polizei zwar Ecstasy gefunden habe, die Pille habe aber nicht ihm gehört.

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