Mathieu von Rohr

Die Lage am Morgen Wessen Existenz wird hier eigentlich bedroht?

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um das Wutgeheul aus Moskau und die Freude in Kiew über die angekündigte Lieferung deutscher Leopard-Panzer in die Ukraine. Außerdem: Das Auswärtige Amt hat Ärger wegen eines Leoparden-Emojis. Und: »Watergate« in Griechenland?

Freude in Kiew, Wut in Moskau

Am Morgen nach der deutschen Entscheidung, die Leopard-Panzer zu senden, mussten die Menschen in Kiew sich erst einmal in ihren Häusern verstecken: Russland schickte wieder Marschflugkörper und Drohnen in ihre Richtung.

Wladimir Putin

Wladimir Putin

Foto: Mikhail Metzel / ITAR-TASS / IMAGO

Nachdem sich die Gefahr fürs Erste verzogen hatte, ging unser Mitarbeiter Fedir Petrov auf den Straßen von Kiew los und sprach mit Menschen über die Nachrichten aus Deutschland. Die meisten waren einfach nur froh und dankbar über die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, manche wunderten sich, dass es so lange gedauert hatte; viele zeigten sich siegesgewiss. Hier lesen Sie die Stimmen aus Kiew:

In welcher Gemütsverfassung die Führung in Moskau sich gerade befindet, zeigen die Reaktionen der russischen Staatsmedien auf die Leopard-Entscheidung. »Einerseits wird Siegesgewissheit demonstriert, andererseits die Bedeutung der deutschen Leoparden und amerikanischen Abrams heruntergespielt. Das lässt durchaus auf eine gewisse Anspannung schließen«, schreibt unsere Moskau-Korrespondentin Christina Hebel. Und: »Immer wieder beschwören Propagandisten und Politiker die ›Gewissheit über den Sieg‹ als den einzigen möglichen Ausgang aus diesem Krieg. Dazu konstruierten russische Vertreter falsche und unhaltbare Parallelen zum Zweiten Weltkrieg, indem sie behaupten, dass nun abermals die Existenz Russlands auf dem Spiel stehe.«

Dieser Punkt gerät sogar in der deutschen Debatte bei manchen gelegentlich in Vergessenheit – aber bedroht ist durch diesen Krieg nicht die Existenz Russlands, sondern Russland bedroht die Existenz der Ukraine. Genauer noch: Es bestreitet, dass es sie überhaupt gibt, und hat sie deshalb überfallen. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, gibt es sie nicht mehr. Wenn Russland aufhört zu kämpfen, kann es sich einfach nur auf sein unversehrtes Territorium zurückziehen.

Die entscheidende Frage – auch an besorgte Intellektuelle  – lautet deshalb, wovor man im Westen mehr Angst haben sollte: Vor einem Russland, das in der Ukraine militärisch an seine Grenzen stößt und mit einem imperialistischen Angriffskrieg scheitert? Oder vor einem Russland, das sich die Ukraine in nationalistischem Furor untertan macht und dadurch in seinem expansionistischen Drang bestärkt wird?

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Die jüngsten Entwicklungen: Kampfflugzeuge für die Ukraine? Bidens Sicherheitsberater lehnt das nicht kategorisch ab. Die Uno meldet Detonationen in der Nähe des besetzten AKW Saporischschja. Und: mehr Flüchtlinge befürchtet. Der Überblick.

  • Die zerstrittenen Profiteure des Panzerbooms: Deutsche Rüstungshersteller stehen vor einem Milliardengeschäft. Sie sollen alte Leoparden instand setzen, Massen von Munition produzieren und neue Waffen entwickeln. Aber was können sie überhaupt liefern? Und wann? 

  • Putin-treue Hacker attackieren Websites von deutschen Firmen und Behörden: Wegen Olaf Scholz’ Panzer-Ankündigung versuchen russische Hacker offenbar, deutsche Seiten vom Netz zu nehmen. Nur in Einzelfällen hatten sie kurzzeitig Erfolg.

Warum schickt Macron noch keine Panzer?

Frankreich gehört militärisch zu den Führungsmächten Europas, doch im Gegensatz zu Deutschland, Großbritannien und den USA will es bisher keine Kampfpanzer vom Typ »Leclerc« entsenden – woran liegt das?

Französischer Leclerc-Panzer bei den Feierlichkeiten zum 14. Juli 2017

Französischer Leclerc-Panzer bei den Feierlichkeiten zum 14. Juli 2017

Foto: Saul Loeb / AFP

Unsere Paris-Korrespondentin Britta Sandberg erklärt die Gründe: Neben der Gefahr einer weiteren Eskalation des Kriegsgeschehens führt Präsident Emmanuel Macron vor allem logistische und technische Gründe auf.

Die allerdings hatten zunächst auch die USA genannt, nur um sich dann doch anders zu entscheiden. Bleibt Paris bei seiner Haltung? Lesen Sie hier die Details:

Gedenken an die Opfer des Holocaust

Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten die letzten überlebenden Inhaftierten aus dem Vernichtungslager Auschwitz. Heute ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, an die sechs Millionen ermordeten Juden, an Sinti und Roma, Homosexuelle, Behinderte und die vielen anderen Menschen, die Nationalsozialisten im industriellen Maßstab töteten. Im ganzen Land gibt es Gedenkveranstaltungen, Kerzen werden angezündet, Blumen niedergelegt.

Die Gleise vor der Gedenkstätte Auschwitz

Die Gleise vor der Gedenkstätte Auschwitz

Foto: Omar Marques / Getty Images

Bei der Gedenkstunde im Bundestag soll es in diesem Jahr erstmals auch um die Opfer der deutschen Nationalsozialisten gehen, die sexuellen Minderheiten angehörten: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hatte schon im vergangenen Jahr angekündigt, sich in diesem Jahr der homosexuellen Opfer anzunehmen – sie standen im Bundestag bisher noch nie im Mittelpunkt des Gedenkens. Die Schauspieler Jannik Schümann und Maren Kroymann werden Texte über zwei Opfer lesen. Und auch die 1942 geborene Holocaustüberlebende Rozette Kats wird im Bundestag sprechen.

Wie das Naziregime Schwule und Lesben verfolgte, erzählt SPIEGEL-Mitarbeiterin Jasmin Lörchner in diesem lesenswerten Text an den Lebensgeschichten von Opfern:

Was ein Leoparden-Emoji über das Verhältnis zu Afrika verrät

Das Auswärtige Amt musste sich gestern entschuldigen, weil es mit einem Tweet  viele Menschen in Afrika erzürnt hat. Der russische Außenminister sei diese Woche nach Afrika gereist, hieß es darin, nicht um Leoparden zu sehen, sondern um seine Propaganda zu verbreiten. Der Leopard war als Tier-Emoji dargestellt, die Social-Media-Verantwortlichen des Ministeriums fanden das wohl witzig.

Ein Leopard in Botswana: Wie das Auswärtige Amt sich Afrika vorstellt?

Ein Leopard in Botswana: Wie das Auswärtige Amt sich Afrika vorstellt?

Foto: Cameron Spencer/ Getty Images

Doch quer über den afrikanischen Kontinent sahen Menschen darin eine Beleidigung. Afrikakorrespondent Heiner Hoffmann erklärt, warum das so ist. Warum es dabei um ganz grundsätzliche Fragen im Verhältnis zwischen den ehemaligen Kolonisatoren und den Kolonisierten geht. Und warum das ausgerechnet Russland in die Hände spielt.

Misstrauensvotum gegen Griechenlands Premier

In Athen muss sich der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis heute Abend einem Misstrauensvotum stellen: Seit Monaten geht es im Land um einen Abhörskandal.

Oppositionsführer Alexis Tsipras, Premier Kyriakos Mitsotakis

Oppositionsführer Alexis Tsipras, Premier Kyriakos Mitsotakis

Foto: Aris Messinis / AFP

Im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass der Geheimdienst EYP zwischen 2020 und 2022 griechische Politiker, Militärs, Unternehmer und Journalisten abgehört hatte. Die linke Opposition macht dafür die konservative Regierung von Mitsotakis verantwortlich.

Die Abstimmung im Parlament wird der Regierungschef wohl problemlos überstehen, er verfügt über eine komfortable Mehrheit. Vor den griechischen Wahlen, die in diesem Jahr stattfinden werden (ein genauer Termin ist noch nicht bekannt), ist die Affäre für Mitsotakis allerdings ein Problem. Sie wird im Land auch schon »Griechenlands Watergate« genannt.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Gewinner des Tages…

Foto: Lionel Bonaventure / AFP

…sind Künstliche Intelligenzen, die unsere Leben schon bald revolutionieren dürften. Oder tun sie es gar jetzt schon? Ein Beispiel ist ChatGPT  des US-Unternehmens Open AI.

»Kann eine künstliche Intelligenz bald Jobs in der Verlagsbranche ersetzen? Buzzfeed  hat bekannt gegeben, dass sie sich auf OpenAI verlassen werden, um ihre Quizze und einige Inhalte für ihr Publikum zu personalisieren. Dies ist nicht die erste Verlagsfirma, die künstliche Intelligenz nutzt. Der CEO von Buzzfeed erwartet, dass die künstliche Intelligenz den kreativen Prozess unterstützt und das Unternehmen bei der Erstellung von Inhalten unterstützt. In 15 Jahren erwartet er, dass in 15 Jahren die künstliche Intelligenz und Daten das Erstellen, Personalisieren und Animieren von Inhalten selbst übernehmen werden.«

Den vorangegangenen Text hat übrigens die künstliche Intelligenz ChatGPT auf Basis dieses »Wall Street Journal«-Artikels  erstellt. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis eine Künstliche Intelligenz nicht nur ein Quiz zusammenstellen, sondern für Sie nachts automatisiert die Lage am Morgen schreiben kann. Mal sehen, wie lange es dauert.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • NSU-Untersuchungsausschuss lädt Beate Zschäpe als Zeugin vor: 2018 wurde Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt. Nun soll die Rechtsterroristin vor dem bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss aussagen.

  • Brand in Kölner Hochhaus - Treppenhaus auf über 40 Etagen verraucht: Das Kölner Uni-Center gilt als eines der größten Wohnhäuser in Europa. Nun brach im Keller ein Feuer aus, Rauch zog durch das Gebäude. Mehrere Menschen wurden leicht verletzt, zahlreiche Wohnungen evakuiert.

  • US-Militär tötet IS-Anführer in Somalia: Die USA haben eine Militäroperation gegen den »Islamischen Staat« in Somalia durchgeführt. Der Einsatz war monatelang geplant worden – ursprünglich sollte der hochrangige IS-Anführer Bilal al-Sudani dabei nur festgenommen werden.

Podcast Cover

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • »Ich bin das Gesicht zur Baukrise«: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, dieses zentrale Ziel der SPD muss Klara Geywitz vorerst kassieren. Wie die Bauministerin den Mietwucher stoppen will – und warum sie nichts von Enteignungen hält. 

  • Sommersportzentrum Oberhof: Mit zwei WM-Veranstaltungen wird Oberhof zum Zentrum des Wintersports in den nächsten Wochen. Es könnte die letzte große Party sein – man stellt sich jetzt schon um auf die Zeiten ohne Schnee. 

  • Jetzt oder nie, Nostalgie: Jahrzehntelang blickten die Bundesbürger nur nach vorn, 1973 machte der SPIEGEL eine Nostalgiewelle aus: »sentimentale Rück-Sicht« mit Petticoat und Elvis-Tolle, Rühmann-Revival und schlimmen Heimatfilmen. 

  • Aachen ist die perfekte Stadt für einen Wochenendtrip: Die Wege sind kurz, die Sightseeing-Liste ist umso länger: Hier sind die besten Tipps für den Kunst-, Cocktail- und Karl-der-Große-Genuss in der gerade so winterlichen Großstadt Nordrhein-Westfalens. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Mathieu von Rohr, Leiter des SPIEGEL-Auslandsressorts

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.

Abonnieren bei

Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut.

Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren