Krieg in der Ukraine Selenskyj sucht Chinas Unterstützung, scharfe Kritik an Schröder – das geschah in der Nacht

Was in den vergangenen Stunden geschah
Im Ukrainekrieg ist eine diplomatische Lösung weiterhin nicht in Sicht. Stattdessen meldet der ukrainische Generalstab erhebliche Aktivitäten der russischen Armee im Osten, Süden und Nordosten des Landes.
In der Region Charkiw im Nordosten haben Russen demnach ein Dutzend Ortschaften unter Feuer genommen. Auch in der Nähe der Stadt Kramatorsk im Zentrum der Ukraine seien acht Kommunen beschossen worden.
Um einer diplomatischen Lösung näherzukommen, könnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nun die Volksrepublik China ersuchen, ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf Russland zur Beendigung des Krieges geltend zu machen.
Die Zeitung »South China Morning Post« schreibt, Selenskyj suche nach einer Gelegenheit, um mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping »direkt« zu sprechen. Der ukrainische Präsident wird mit den Worten zitiert: »Es ist ein sehr mächtiger Staat. China hat eine mächtige Wirtschaft … Es kann also Russland politisch und wirtschaftlich beeinflussen. Außerdem ist China ein ständiges Mitglied des Uno-Sicherheitsrats«.
Das sagt Kiew
In seiner abendlichen Videoansprache warf Selenskyj einmal mehr Russland vor, mit dem Angriffskrieg gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Das Problem sei, dass die Welt Russland diese Verstöße – sei es die Annexion der Krim oder der Abschuss einer Boeing über dem Donbass – lange habe durchgehen lassen. Der Krieg in der Ukraine zeige, wie fragil die Freiheit sei. Sie könne »nur durch kollektives Handeln geschützt werden, und damit dies dauerhaft funktioniert, bedarf es einer wirksamen globalen Sicherheitsarchitektur, die dafür sorgt, dass kein Staat jemals wieder Terror gegen einen anderen Staat einsetzen kann«, so Selenskyj.
Der Präsident warf Russland zugleich vor, Verhandlungsbereitschaft nur vorzugaukeln. Wäre Russland wirklich an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessiert, zöge es jetzt nicht weitere Reserven im Süden der Ukraine zusammen. In dem Zusammenhang kritisierte Selenskyj auch Gerhard Schröder, der nach seiner Moskaureise erklärt hatte, Russland wolle eine Verhandlungslösung.

Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (Archivbild von 2020)
Foto: Kay Nietfeld / dpaSchröder hatte in einem Interview gesagt, vielleicht könne man die Einigung bei Getreide-Exporten langsam zu einem Waffenstillstand ausweiten. Dazu sagte Selenskyj: »Es ist einfach widerlich, wenn ehemalige Führer mächtiger Staaten mit europäischen Werten für Russland arbeiten, das gegen diese Werte kämpft.«
Zuvor hat bereits der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf seinem Twitter-Kanal geschrieben, es gebe »nichts Zynischeres als die Behauptungen der Putin-Anhänger, dass Russland bereit ist zu Verhandlungen«. Der tägliche Artilleriebeschuss sowie Raketenangriffe gegen Zivilobjekte auf ukrainischem Territorium sagten etwas anderes aus. Zudem beschuldigte er das russische Militär einmal mehr schwerer Kriegsverbrechen. »Russland bleibt auf den Krieg konzentriert – alles andere ist eine Nebelwolke«, so Kuleba.
Kremlsprecher Dmitrij Peskow erklärte am Mittwoch, dass Russland durchaus zu einer diplomatischen Beilegung des »Problems« bereit sei – allerdings nur zu russischen Bedingungen.
Nach dem Beginn des Krieges Ende Februar gab es kurzfristig Bemühungen um eine diplomatische Lösung. Die letzte Verhandlungsrunde fand Ende März in Istanbul statt. Dabei kam es zu einer Annäherung, doch es gab anschließend kein weiteres Treffen mehr. Die letzten Telefongespräche zwischen den Unterhändlern wurden im Mai gemeldet. Beide Seiten setzen offenbar darauf, zuvor mit militärischen Mitteln, ihre Verhandlungsposition zu verbessern.
So steht es um die Nato-Erweiterung
In den USA hat derweil der Senat den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden ratifiziert. Damit haben nun 23 der 30 Nato-Mitgliedstaaten der Aufnahme Finnlands und Schwedens zugestimmt.

Finnlands Botschafterin Paiva Nevala, Demokratischer Fraktionsführer im Senat Chuck Schumer, Schwedens Botschafterin Karin Olofsdotter (v.l.n.r.) nach der Abstimmung in Washington
Foto:J. Scott Applewhite / AP
Die Kongresskammer votierte am Mittwoch mit einer überwältigenden Mehrheit für die Erweiterung des Verteidigungsbündnisses: 95 Jastimmen, nur eine Gegenstimme. Das Ergebnis übertraf damit bei Weitem die erforderliche Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen. »Dieses historische Votum ist ein wichtiges Signal für das anhaltende, überparteiliche Engagement der USA für die Nato und dafür, dass unser Bündnis auf die Herausforderungen des Heute und Morgen vorbereitet ist«, erklärte US-Präsident Joe Biden.
Finnland und Schweden hatten im Mai mit ihrer traditionellen militärischen Neutralität gebrochen und einen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft gestellt. Die Aufnahme muss durch alle 30 Nato-Staaten gebilligt werden. Für Deutschland taten dies Anfang Juli Bundestag und Bundesrat. Am Dienstag wurde der Beitritt Finnlands und Schwedens auch von Frankreich ratifiziert und am Mittwoch dann von Italien und schließlich den USA. Das Nato-Mitglied Türkei hat allerdings ein Veto angedroht.