Putins Angriffskrieg Nato bestätigt Offensive auf Bachmut, russische Militärflugzeuge offenbar nahe Polen abgefangen

Panzersperren in Bachmut (am 12. Februar)
Foto: Libkos / dpaWas in den vergangenen Stunden geschah
Die Kämpfe um die Stadt Bachmut haben sich noch einmal verschärft. Kurz vor dem Jahrestag des russischen Angriffskriegs scheint Kremlchef Wladimir Putin seinen Einheiten eine weitere Offensive auf die strategisch und symbolisch wichtige Stadt im Osten der Ukraine befohlen zu haben. So beurteilt zumindest die ukrainische Armee die Lage – und wird in dieser Einschätzung von Nato-Chef Jens Stoltenberg bestätigt.
»Wir sehen, dass sie mehr Truppen schicken, mehr Waffen, sie haben mehr Möglichkeiten«, sagte Stoltenberg in Brüssel. Zuletzt hatten vor allem die berüchtigten Wagner-Söldner den Angriff auf Bachmut vorangetrieben, zuletzt meldete die ukrainische Armee entlang der gesamten Angriffsfront heftigen russischen Beschuss.
Experten gehen davon aus, dass Putin zum Jahrestag dringend einen militärischen Erfolg vorweisen wollen dürfte. Bachmut scheint nun in den Fokus dieses Plans geraten zu sein.
Eine Formation von drei russischen Militärflugzeugen ist nach Angaben des niederländischen Verteidigungsministeriums von zwei niederländischen F-35-Kampfflugzeugen nahe Polen abgefangen und aus dem Gebiet eskortiert worden. »Die zu dem Zeitpunkt unbekannten Flugzeuge näherten sich dem polnischen Nato-Gebiet von Kaliningrad aus«, heißt es in der Erklärung des Ministeriums. »Nach der Identifizierung stellte sich heraus, dass es sich um drei Flugzeuge handelte: eine russische IL-20M Coot-A, die von zwei Su-27-Flankern begleitet wurde. Die niederländischen F-35 übergaben den Geleitschutz an die Nato-Partner.«
Das russische Verteidigungsministerium reagiert nicht sofort auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters zur Stellungnahme. Kaliningrad ist eine russische Exklave an der Ostseeküste, die zwischen den Nato- und EU-Mitgliedern Polen und Litauen liegt.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft auf eine Entscheidung für weitere Waffenlieferungen an sein Land beim Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe heute in Brüssel. »Wir arbeiten daran, dass sich alle unsere Verhandlungen in den Rüstungsbeschlüssen unserer Partner spiegeln«, sagte Selenskyj am Montagabend in einer Videoansprache. Damit bezog er sich auf das Treffen am Dienstag, aber auch auf weitere Gespräche bis zum Jahrestag des russischen Angriffs am 24. Februar. »Neue bilaterale Gespräche und Treffen sind geplant«, sagte Selenskyj.

Wolodymyr Selenskyj (im Januar 2023)
Foto: Efrem Lukatsky / dpaDie Ukraine drängt nach den Zusagen für Kampfpanzer aus dem Westen aktuell insbesondere auf die Lieferung von Kampfjets.
Wenige Tage nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris nannte Selenskyj das Gespräch »sehr intensiv«. »Wir haben zu dritt sehr offen miteinander gesprochen. Das hat es uns ermöglicht, ein gemeinsames Verständnis für die Aussichten in diesem Krieg zu finden.« Er dankte Macron und Scholz für die Unterstützung. »Wir haben eine gemeinsame Vision vom Weg zum Sieg«, betonte Selenskyj.
Waffenlieferungen an die Ukraine
Vor den Beratungen der westlichen Verbündeten über weitere Waffenlieferungen hat Außenministerin Annalena Baerbock bekräftigt, dass die Bereitstellung von Kampfjets für die Bundesregierung derzeit kein Thema sei. »Das ist keine Debatte, die wir führen«, wiederholte die Grünenpolitikerin am Montag bei einem Besuch in der finnischen Hauptstadt Helsinki.
In der Regel kommt es bei Zusammenkünften wie heute in Brüssel zu neuen Zusagen für Waffenlieferungen. Deutschland versucht, eine Allianz zur Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern zu schmieden. Die Bundesregierung hat 14 Exemplare zugesagt.
Mehrere Nato-Staaten und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg haben sich für die Lieferung von Kampfjets offen gezeigt. Auch das könnte Thema bei dem Treffen am Dienstag werden.
Internationale Reaktionen
Der Politologe Herfried Münkler hat einen gemeinsamen Aufruf von Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer als gewissenlos kritisiert. Schwarzer und Wagenknecht betrieben »mit kenntnislosem Dahergerede Putins Geschäft«, sagte der emeritierte Professor der Berliner Humboldt-Universität dem »Kölner Stadt-Anzeiger« mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den Ukrainekrieg.
Wagenknecht und Schwarzer hatten in dem Aufruf vor einer Eskalation des Kriegs gewarnt. Spätestens wenn die ukrainischen Streitkräfte die Krim angreifen sollten, werde Putin »zu einem maximalen Gegenschlag« ausholen. Lob kam von AfD-Co-Chef Tino Chrupalla.
Der Politologe Münkler hingegen nennt die Beschreibung des Kriegsgeschehens in dem Manifest »beschönigend und verlogen«. Es gehe »gewissermaßen eine Komplizenschaft mit dem Aggressor« ein, so Münkler. Mit ihrem »Manifest für Frieden« desavouierten beide Frauen zudem die gesamte Idee des Pazifismus und das Grundanliegen der Friedensbewegung.
Die Idee des Pazifismus, wie sie seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts in internationale Vertragssysteme überführt worden sei, beruhe auf dem Verbot des Angriffskriegs, sagte Münkler. Die Verteidigung gegen einen Aggressor bleibe selbstverständlich zulässig. Das »Manifest« nivelliere aber fortgesetzt die Kategorien von Angriff und Verteidigung. »Pazifismus ist dann nichts anderes als Unterwerfungsbereitschaft. Das war er eigentlich nie, und was wir in diesem Papier vorgeführt bekommen, ist das Ende einer politisch ernst zu nehmenden Friedensbewegung.«
Wirtschaftliche Konsequenzen
Die USA geben den Verkauf von 26 Millionen Barrel Öl aus der strategischen Reserve (SPR) der USA bekannt. Die Veräußerung werde die Reserve vorübergehend unter das derzeitige Niveau von rund 372 Millionen Barrel drücken, den niedrigsten Stand seit 1983, teilte die US-Regierung am Montag mit. Laut US-Energieministerium sind Gebote für das Rohöl bis zum 28. Februar fällig. Es soll vom 1. April bis zum 30. Juni geliefert werden. Im vergangenen Jahr hatten die USA 180 Millionen Barrel Öl aus der Reserve verkauft. Die Freigabe aus der strategischen Reserve sollte den Ölpreis in den USA stabilisieren, der in Folge des Ukrainekriegs gestiegen war.
Was heute passiert
Die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten kommen zu einem zweitägigen Treffen in Brüssel zusammen. Thema werden der Krieg in der Ukraine und gemeinsame Anstrengungen der westlichen Militärallianz zum Ausbau der Waffen- und Munitionsbestände sein. Zudem soll es nach den mutmaßlichen Sabotageakten gegen die Erdgasleitungen Nord Stream 1 und 2 um zusätzlichen Schutz für kritische Infrastruktur unter Wasser gehen. Noch vor dem Nato-Treffen organisieren die USA am Vormittag Beratungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe.
Außenministerin Baerbock setzt ihre zweitägige Skandinavien-Reise in Schweden fort. Bei einem Treffen mit Außenminister Tobias Billström in Stockholm dürfte es vor allem um die geplante Aufnahme des Landes in die Nato gehen. Schweden will zusammen mit Finnland in die westliche Militärallianz. Dazu müssen alle derzeit 30 Nato-Mitglieder zustimmen. Aus der Türkei und Ungarn steht das Einverständnis aus.
Anmerkung: In einer früheren Version des Textes legten Überschrift und Text nahe, die russischen Militärflugzeuge hätten sich bereits über Polen befunden, als sie abgefangen wurden. Das ist so nicht korrekt, die Flugzeuge drangen nicht in den polnischen Luftraum ein. Wir haben die entsprechenden Stellen daher geändert.