Russischer Angriffskrieg Selenskyj gibt Bachmut nicht auf, Video soll Tötung von ukrainischem Kriegsgefangenen zeigen

Ukrainische Soldaten in der Region Donezk (am 5. März)
Foto: STRINGER / REUTERSWas in den vergangenen Stunden geschah
Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin will Videoaufnahmen untersuchen, die die Tötung eines ukrainischen Kriegsgefangenen durch russische Soldaten zeigen sollen. Die Aufnahmen seien möglicherweise ein Beleg für ein Kriegsverbrechen, teilte Kostin auf Telegram mit. Russland ignoriere systematisch internationale Regeln. Früher oder später werde Moskau für dieses Verhalten bestraft.
Zuvor war von einem Internetportal ein Video veröffentlicht worden, bei dem ein Mann in ukrainischer Uniform »Ruhm der Ukraine« ruft und dann mutmaßlich mit mehreren Schüssen getötet wird. Die Echtheit des Videos war von unabhängiger Seite zunächst nicht überprüfbar.

Andrij Kostin
Foto: VALENTYN OGIRENKO / REUTERSAuch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte die mutmaßliche Erschießung des ukrainischen Kriegsgefangenen. »Heute ist ein Video aufgetaucht dazu, wie die Besatzer bestialisch einen Kämpfer töteten, der mutig die Worte ›Ruhm der Ukraine‹ sagte«, erklärte Selenskyj in einer Videobotschaft am Montagabend. Er versicherte, dass die Täter gefunden und bestraft würden. Die Identität des ukrainischen Soldaten ist bisher unbekannt.
Das sagt Kiew
Selenskyj hat die Einigkeit der militärischen Führung in Kiew im Kampf um die Stadt Bachmut im Osten des Landes betont. Nach einem Treffen mit Generälen sagte er in seiner Videobotschaft, es sei die einhellige Entscheidung getroffen worden, nicht zu weichen, sondern die Truppen zu verstärken. »Die ukrainischen Streitkräfte verteidigen jeden Teil der Ukraine und werden dies auch weiterhin tun.« Es werde die Zeit kommen, da jede Stadt und jedes Dorf des ukrainischen Staates befreit seien.
Selenskyj versuchte dem Eindruck entgegenzutreten, dass es in der Führung der Ukraine zum weiteren militärischen Vorgehen in Bachmut unterschiedliche Meinungen gibt. Es gebe viel Desinformation, sagte er. Auch westliche Experten hatten erklärt, dass es besser sein könnte, die symbolträchtige Stadt aufzugeben, um die Ressourcen an anderer Stelle einzusetzen.
Bachmut, wo nach ukrainischen Angaben nur noch einige Tausend von einst mehr als 70.000 Einwohnern leben, ist seit dem Spätsommer umkämpft. Die Stadt ist der Hauptteil der nach der russischen Eroberung von Sjewjerodonezk und Lyssytschansk etablierten Verteidigungslinie zwischen Siwersk und Bachmut im Gebiet Donezk. Bei einem Fall der Stadt eröffnet sich für die russischen Truppen der Weg zu den Großstädten Slowjansk und Kramatorsk. Damit rückt eine vollständige Eroberung des Donezker Gebiets näher.
Humanitäre Lage
Die Ukraine hat Regierungsangaben zufolge 307 Kinder aus den von Russland besetzten Gebieten zurückgeholt. Darunter sei auch ein achtjähriger Junge, der kürzlich wieder mit seiner Großmutter vereint werden konnte. Das teilte der Menschenrechtsbeauftragte des Landes, Dmytro Lubinets, auf Telegram mit. Die ukrainischen Behörden schätzen, dass seit Beginn des Krieges vor einem Jahr mehr als 16.000 Kinder nach Russland verschleppt wurden.
Russland hat frühere Behauptungen zurückgewiesen, es habe Ukrainer zwangsumgesiedelt. Die Ukrainer seien freiwillig aus der Ukraine evakuiert worden. Das russische Verteidigungsministerium hatte Mitte August erklärt, dass bis zu dem Zeitpunkt 3,5 Millionen Menschen nach Russland gebracht worden seien, darunter mehr als eine halbe Million Kinder.
Internationale Reaktionen
SPD-Parteichef Lars Klingbeil und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich haben der Ukraine bei einem Besuch in Kiew die anhaltende Unterstützung Deutschlands zugesichert. »Unsere solidarische Unterstützung geht auch ein Jahr nach Kriegsbeginn weiter«, sagte Klingbeil am Montag im ZDF-»heute journal«. Dies sei die Hauptbotschaft gewesen in den Gesprächen mit Selenskyj, Außenminister Dmytro Kuleba und anderen Politikern.
Klingbeil und Mützenich waren am Montagmorgen überraschend in Kiew eingetroffen. Die Gespräche mit ukrainischen Regierungsvertretern, dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko, dem Parlamentspräsidenten und anderen Politikern seien von einer »tiefen Dankbarkeit« geprägt gewesen, sagte der SPD-Chef mit Blick auf die deutsche Unterstützung der Ukraine seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs. »Und wir haben heute die klare Zusage gegeben: Dieser Weg geht uneingeschränkt weiter.«
Bei dem Treffen mit Selenskyj seien die Lieferung von Waffen und der Leopard-2-Panzer sowie Engpässe bei der Munitionsversorgung zur Sprache gekommen. Zudem seien Fragen der Energiesicherheit und die Lage der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland erörtert worden.
Besonders Mützenich hat sich in der Diskussion über das Ausmaß militärischer Unterstützung für die Ukraine wiederholt zurückhaltend geäußert und die Notwendigkeit diplomatischer Bemühungen um eine Konfliktbeilegung betont. Dafür wurde er in der Ukraine zum Teil scharf kritisiert.
Waffenlieferungen an die Ukraine
Die Ukraine fordert nach Angaben der US-Repräsentantenhaus-Abgeordneten Jason Crow und Adam Smith die Lieferung international geächteter Streumunition. Dabei handelt es sich um Bomben, die eine Vielzahl weiterer kleinerer Bomben freigeben, mit denen ganze Flächen belegt werden können. Den Angaben nach will die ukrainische Armee die Streumunition gegen die Angriffswellen russischer Soldaten und Söldner einsetzen.
Wirtschaftliche Konsequenzen
Die Preisobergrenze für russisches Öl zeigt nach Angaben der USA Wirkung. »Ich denke, das Schönste an diesem Mechanismus ist, dass er funktioniert und dass russisches Öl und russische Produkte unterhalb der Preisobergrenze gehandelt werden«, sagte der US-Energiebeauftragte Amos Hochstein am Rande einer Energiekonferenz in Houston. Die Gruppe der sieben einflussreichsten westlichen Länder, G7, die Europäische Union (EU) und Australien führten die Preisobergrenze für russische Öllieferungen auf dem Seeweg am 5. Dezember ein. Sie legten den Preis auf 60 Dollar pro Barrel fest, um Russland für seinen Einmarsch in der Ukraine zu sanktionieren.
Am 5. Februar führten die G7 und ihre Verbündeten eine Preisobergrenze für russische Treibstoffverkäufe ein. Die niedrigeren Einnahmen aus den Öl- und Gas-Exporten werden der Ratingagentur Scope zufolge das Loch im russischen Staatshaushalt in diesem Jahr vergrößern.
Was heute passiert
Verteidigungsminister Boris Pistorius ist zu Besuch beim Nato-Partner Litauen. Der SPD-Politiker trifft dabei auch Soldaten der Bundeswehr. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hält Deutschland seit Herbst vergangenen Jahres eine Kampfbrigade zur Verteidigung Litauens bereit. Bei der Übung »Griffin Lightning« trainieren derzeit mehrere hundert deutsche Soldaten der Brigade mit den litauischen Streitkräften.