Krieg in der Ukraine Selenskyj spricht von »Hunderten toten Russen« täglich, Nordkorea bestreitet Waffenlieferungen

In der Region Donezk erleidet Russland erhebliche Verluste – und muss laut ukrainischer Regierung zu Verhandlungen gezwungen werden. Die USA versichern Kiew Beistand. Und: Verwirrung um Waffen aus Pjöngjang. Das geschah in der Nacht.
Zerstörung in der Region Donezk (am 3. November)

Zerstörung in der Region Donezk (am 3. November)

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Andriy Andriyenko / dpa

Das sagt Kiew

Nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj muss Russland zu ernsthaften Friedensgesprächen gezwungen werden. »Der destabilisierende Einfluss Russlands konfrontiert die Welt mit Krieg, Energie- und Nahrungsmittelkrisen und der Zerstörung der gewohnten internationalen Beziehungen«, sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache.

Foto: Ukraine Presidency / dpa

Auch die Klimaagenda, »leide wirklich«, könne aber nicht auf Eis gelegt werden. »Wer es mit der Klimaagenda ernst meint, muss es auch mit der Notwendigkeit ernst meinen, die russische Aggression sofort zu stoppen, unsere territoriale Integrität wiederherzustellen und Russland zu echten Friedensverhandlungen zu zwingen.«

Die Ukraine ist nach den Worten von Präsidentenberater Mychajlo Podoljak zu Verhandlungen mit Russland bereit – aber nur mit dem künftigen Nachfolger von Präsident Wladimir Putin.

Die russische Armee erleidet nach den Worten Selenskyjs in der Region Donezk im Osten des Landes enorme Verluste. »Die Region Donezk bleibt das Epizentrum des größten Wahnsinns der Besatzer«, sagte er in seiner Videoansprache weiter. »Sie werden jeden Tag zu Hunderten getötet. Der Boden vor ukrainischen Stellungen ist übersät mit Leichen der Besatzer.« Die Städte Avdiivka (unmittelbar nördlich der Stadt Donezk) und Bakhmut (etwa 70 Kilometer nördlich von Donezk) sind derzeit die Brennpunkte der schwersten Kämpfe in der Region.

Angesichts der heftigen russischen Angriffe auf sein Land hob Selenskyj die Hilfsbereitschaft der internationalen Gemeinschaft hervor. »Die aktuelle Eskalation des russischen Raketen- und Drohnenterrors hat nur dazu geführt, dass die Welt (...) mit neuer Hilfe für die Ukraine antwortet«, sagte er. Einige Stunden zuvor hatte Verteidigungsminister Olexij Resnikow über den Erhalt neuer Flugabwehrsysteme aus US-amerikanischer und italienischer Produktion berichtet.

Zuletzt hatten russische Raketen- und Drohnenangriffe erhebliche Teile der ukrainischen Strom- und Wasserinfrastruktur zerstört. Mehrere Millionen Ukrainer haben seitdem jeden Tag nur stundenweise Strom. Vor diesem Hintergrund lieferte auch Deutschland im Oktober das Luftabwehrsystem Iris-T.

Selenskyj schloss zudem weitere staatliche Übernahmen von Unternehmen nicht aus. »Auch in Zukunft könnte es solche Entscheidungen geben«, sagte er mit Blick auf die Verstaatlichung von fünf Firmen durch seine Regierung in Kiew. Diese Unternehmen seien vorher gar nicht in Betrieb gewesen. »Nun wird dort gearbeitet. Für die Verteidigung. Für Reparaturen und die Aufbesserung von Ausrüstung (…)«, so der Präsident.

Internationale Reaktionen

Das Weiße Haus hat der Ukraine einen festen Beistand der USA im Krieg gegen Russland zugesichert – ungeachtet des Ausgangs der Kongress-Zwischenwahlen vom Dienstag. »Wir sind zuversichtlich, dass die Unterstützung der USA beständig und unerschütterlich sein wird«, sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre, am Montag zu Journalisten. Biden strebe wie bislang eine parteiübergreifende Zusammenarbeit bei der Unterstützung der Ukraine an.

DER SPIEGEL

Der Anführer der oppositionellen Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, hatte kürzlich gesagt, sollte seine Partei wie erwartet die Mehrheit in der Kongresskammer gewinnen, werde es künftig keinen »Blankoscheck« für die Ukraine geben. Das weckte Befürchtungen, die Republikaner könnten nach den sogenannten Midterms die massiven Militär- und Wirtschaftshilfen der USA für die Ukraine beschneiden.

Zuletzt betonte McCarthy im Nachrichtensender CNN, er unterstütze die Ukraine. Es müsse aber sichergestellt werden, »dass die Mittel dahin gehen, wo sie benötigt werden«. Darüber müsse der Kongress »offen debattieren« können, sagte der Abgeordnete, der nach den Midterms der nächste Vorsitzende des Repräsentantenhauses werden dürfte.

Aus den Reihen der Republikaner hat es immer wieder Kritik an dem Ausmaß der US-Hilfen für die Ukraine gegeben. Der Großteil der konservativen Partei steht aber hinter dem Beistand für Kiew.

Die USA unterstützen die Ukraine im Krieg gegen Russland massiv militärisch und finanziell. So liefert Washington unter anderem Raketenwerfer, Drohnen, Artilleriemunition und Fahrzeuge an die ukrainische Armee. Der Kongress beschloss im Mai ein 40 Milliarden Dollar (rund 40 Milliarden Euro) schweres Hilfspaket für das von Russland angegriffene Land.

Das Parlament ist in den USA Herr über den Haushalt und hat so einen großen Einfluss auf die Außen- und Sicherheitspolitik der Regierung. Umfragen zufolge könnten die Republikaner von Ex-Präsident Donald Trump bei den Midterms am Dienstag die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen. Die Partei hat auch gute Chancen auf eine künftige Senatsmehrheit.

Nordkorea hat den Vorwurf der USA zurückgewiesen, es habe heimlich Artilleriemunition an Russland für den Krieg gegen die Ukraine geschickt. Es handle sich um »haltlose« Gerüchte, die die USA verbreiteten, um den internationalen Ruf Nordkoreas zu beschädigen, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Dienstag einen Vizeabteilungsleiter im nordkoreanischen Verteidigungsministerium. Nordkorea betreibe keine Rüstungsgeschäfte mit Russland und habe auch »nicht die Absicht, dies in der Zukunft zu tun«.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, hatte am Mittwoch vergangener Woche gesagt, Nordkorea habe eine »bedeutende« Menge Munition an Russland verschickt und versuche, den Eindruck zu erwecken, die Lieferungen seien für den Nahen Osten oder Nordafrika bestimmt. Laut Kirby war aber unklar, ob die Munition in Russland ankam: »Wir werden weiterhin überwachen, ob die Lieferungen empfangen werden«, sagte er.

Infolge der internationalen Sanktionen leide Russland unter einem Mangel an Armeeausrüstung und müsse sich deshalb an Staaten wie Nordkorea und Iran wenden, um seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortsetzen zu können, fügte Kirby hinzu.

Was heute passiert

  • Die USA wählen einen neuen Kongress. Bei den sogenannten Midterms werden alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus, rund ein Drittel der 100 Sitze im Senat und verschiedene Ämter auf lokaler Ebene gewählt. Mit aussagekräftigen Ergebnissen wird am frühen Mittwochmorgen mitteleuropäischer Zeit gerechnet. Je nach Wahlausgang werden, wie oben umrissen, auch Auswirkungen auf die Ukraine erwartet.

jok/dpa/Reuters
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