Krieg in Osteuropa Ukraine pocht auf Beteiligung bei Raketen-Untersuchung in Polen, Uno sieht kein Kriegsende in Sicht

Minen-Räumeinsatz bei Cherson
Foto:Chris McGrath / Getty Images
Was in den vergangenen Stunden geschah
Die Ukraine arbeitet nach den jüngsten russischen Angriffen intensiv daran, die Energie-Infrastruktur wiederherzustellen. Das sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videobotschaft am Mittwochabend. Erfolge in diesem Bereich gebe es auch im erst kürzlich befreiten Gebiet Cherson im Süden des Landes, das nach dem Abzug der russischen Truppen vielerorts ohne Strom war.
Dem ranghöchsten US-General zufolge hat die Ukraine auf kurze Sicht keine große Chance auf einen militärischen Sieg gegen Russland. Die Regierung in Moskau verfüge trotz der Rückschläge im Krieg noch über eine bedeutende Kampfkraft in der Ukraine, sagte Generalstabschef Mark Milley am Mittwoch vor Journalisten. »Die Wahrscheinlichkeit eines ukrainischen militärischen Sieges – definiert als der Rauswurf der Russen aus der gesamten Ukraine, einschließlich der von ihnen beanspruchten Krim – ist militärisch gesehen nicht sehr hoch.«
Es könne aber eine politische Lösung geben, bei der Russland sich zurückziehe, sagte Milley. »Das ist möglich.«

Mark Milley, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte
Foto:Susan Walsh / dpa
Milley wie auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärten vor Journalisten, die USA würden der Ukraine bei der Verteidigung so lange helfen, wie es nötig sei. »Die Ukraine wird weiter standhaft bleiben«, sagte Milley. »Die Ukraine wird nicht nachgeben.«
Das sagt Kiew
Nach dem Raketeneinschlag auf polnischem Staatsgebiet fordert der ukrainische Präsident die Einbeziehung ukrainischer Spezialisten bei den Untersuchungen zur Aufklärung des Vorfalls. »Alle unsere Informationen stehen zur vollen Verfügung. Wir haben sie an unsere Partner gegeben seit der Nacht, seit den ersten Stunden, als die Welt begann herauszufinden, was passiert ist«, sagte Selenskyj in seiner jüngsten Videoansprache. Zugleich bräuchten ukrainische Experten Zugang zu den Informationen, die vor Ort gesammelt worden seien, erklärte er.
Im polnischen Grenzgebiet zur Ukraine war am Dienstagnachmittag eine Rakete eingeschlagen. Aktuell wird im Westen davon ausgegangen, dass es eine ukrainische Flugabwehrrakete war, die zur Verteidigung gegen massive Angriffe des russischen Militärs eingesetzt wurde.
Selenskyj geht allerdings weiterhin davon aus, dass es sich um ein russisches Geschoss handelte. »Ich habe keinen Zweifel, dass es sich nicht um unsere Rakete handelt«, sagte er im ukrainischen Fernsehen. »Ich glaube, dass es eine russische Rakete war, basierend auf den Berichten unseres Militärs.«
Internationale Reaktionen
Nach dem tödlichen Raketeneinschlag in Polen haben die Vereinten Nationen zur Deeskalation aufgerufen. Der Vorfall sei »eine beängstigende Erinnerung an den absoluten Bedarf, jede weitere Eskalation zu vermeiden«, sagte die Uno-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York. »Bei dem Krieg ist kein Ende in Sicht.« Und solange er anhalte, bleibe das Risiko einer »möglicherweise katastrophalen« weiteren Ausbreitung des Kriegs.
Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, sagte: Auch wenn noch nicht alle Fakten über den Vorfall bekannt seien, sei letztlich doch Russland verantwortlich. »Diese Tragödie wäre nie passiert, hätte es Russlands grundlose Invasion der Ukraine und die jüngsten Raketenangriffe auf zivile Infrastruktur in der Ukraine nicht gegeben.«
Russlands Uno-Botschafter Wassili Nebensja warf der Ukraine und Polen vor, einen direkten Konflikt zwischen Russland und der Nato provozieren zu wollen. Die Vertreter Chinas und Indiens riefen erneut zu einem Ende der Gewalt auf.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am Mittwochabend im ZDF über den Raketeneinschlag – und mahnte dabei zur Besonnenheit. »Das ist notwendig angesichts eines solchen Kriegs. Es findet Krieg in Europa statt, direkt vor unserer Haustür«, sagte er dem »heute journal«. »Und deshalb ist es wichtig, dass wir alles dafür tun, dass einerseits die Ukraine unterstützt wird – auch mit Waffen und solange wie das notwendig ist – dass wir aber gleichzeitig eine Eskalation zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland verhindern.«
Der Weg, #Atomwaffen einzusetzen, sei durch die G20-Abschlusserklärung „verbaut“ worden, sagt Bundeskanzler @OlafScholz. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der #Ukraine, sei dies von enormer Bedeutung. Auch Russland hat die Erklärung unterzeichnet. pic.twitter.com/8oM7Z1FtTx
— ZDF heute journal (@heutejournal) November 16, 2022
Die Bundesregierung unterstützt eine ukrainische Weizenspende nach Äthiopien. Sie finanziere den Schiffstransport mit 14 Millionen Dollar (rund 13,5 Millionen Euro), sagte Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Mit dem von der Regierung in Kiew gespendeten Getreide könnten demnach 1,6 Millionen Menschen in dem Land einen ganzen Monat lang ernährt werden. Das verdiene »größten Respekt« und daher auch die Unterstützung Deutschlands, sagte Özdemir.
Die 25.000 Tonnen Weizen sollen dem Bericht zufolge vom Hafen Odessa über das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen nach Äthiopien gebracht werden. Die Ukraine ist der weltweit viertgrößte Getreideexporteur, hat aber seit Beginn des russischen Angriffskrieges Schwierigkeiten, das Getreide aus dem Land zu verschiffen.
Was heute passiert
Die G7-Innenminister treffen sich im hessischen Eltville bei Wiesbaden. Dabei soll es unter anderem über die Auswirkungen des Ukrainekriegs gehen. Weitere Themen sind der gewaltbereite Extremismus und Terrorismus sowie der Kampf gegen hybride Bedrohungen und Falschinformationen.