Russischer Angriffskrieg Ukraine beschlagnahmt Oligarchenvermögen – und konkretisiert Forderung nach Kampfflugzeugen

Ukrainische Einheiten in Bachmut (im Januar 2023)
Foto: George Ivanchenko / EPADas sagt Kiew
Für den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba haben diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges nur auf Grundlage der vollständig wiederhergestellten territorialen Integrität der Ukraine eine Chance. Dies sei die Voraussetzung für Gespräche mit Russland und unverhandelbar, sagt der Minister den Zeitungen der Funke Mediengruppe sowie der französischen Zeitung »Ouest-France« unmittelbar vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz. Wenn der Kreml begreife, dass er Territorien militärisch erobern könne, habe er keinen Anreiz, den Krieg zu beenden. »Wir haben eine bittere Lektion gelernt: Wenn man Russland den kleinen Finger gibt, nimmt es die ganze Hand«, so Kuleba.
Kuleba konkretisierte zudem die Forderung zur Lieferung westlicher Kampfflugzeuge. »Wir wären vor allem an Kampfjets aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland interessiert. Diese Länder haben die höchsten Produktionskapazitäten und die größten Flugzeugflotten«, sagt er. Die Maschinen könnten eingesetzt werden, um feindliche Raketen abzuschießen, und seien für die Gegenoffensive wichtig.

Dmytro Kuleba
Foto: UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE HANDOUT / EPADie Ukraine erhält nach einem Gerichtsbeschluss und laut Angaben des Geheimdienstes in Kiew Vermögen des russischen Oligarchen Oleg Deripaska im Wert von umgerechnet 250 Millionen Euro. Der Oberste Anti-Korruptions-Gerichtshof der Ukraine habe eine Entscheidung des Justizministeriums in Kiew bestätigt, nach der Deripaskas Firmen, Grundstücke und Beteiligungen dem Staat übereignet werden, teilte der Geheimdienst am Donnerstagabend mit. Die Ukraine will mit dem Geld Kriegsschäden kompensieren.
Deripaska, der Kremlchef Wladimir Putin nahesteht und als Unterstützer des Angriffskriegs gegen die Ukraine auch im Westen mit Sanktionen belegt ist, gehört zu den reichsten Russen. Der Multimilliardär, der unter anderem im Aluminiumgeschäft reich geworden ist, habe über ein Firmengeflecht und Geschäftsstrukturen in verschiedenen Regionen der Ukraine Unternehmen geführt, hieß es.
Der Geheimdienst deckte nach eigenen Angaben auf, dass Deripaska mehrere Firmen ganz oder teilweise gehörten. Beschlagnahmt worden seien auch mehr als 300 Objekte, darunter Immobilien, die nun dem Staatsvermögen zugeführt würden. Der Gesamtwert des in Staatsbesitz überführten Vermögens liege bei zehn Milliarden Hrywnja (rund 250 Millionen Euro), teilte der Geheimdienst mit. Deripaska steht in der Kritik, durch seine Rohstoffgeschäfte und Kremlnähe auch direkt an dem Krieg in der Ukraine zu verdienen.
Zum Auftakt der Berlinale hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen emotionalen Appell an Filmschaffende und Künstler gerichtet, sein Land nach dem russischen Angriff zu unterstützen. »Kann sich die Kunst aus der Politik heraushalten?«, fragte Selenskyj am Donnerstagabend per Videoschalte bei der Eröffnungsgala. Die Frage sei jetzt wieder extrem wichtig. Sowohl die Festivalmacher als auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth sicherten der Ukraine Solidarität zu.
Humanitäre Lage
Präsident Selenskyj hat die Rückkehr von Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft als Erfolg bezeichnet. Hundert Soldaten sowie der erste stellvertretende Bürgermeister der als Standort des größten europäischen Atomkraftwerks Saporischschja bekannten Stadt Enerhodar seien wieder in Freiheit, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft am Donnerstag in Kiew. »Ich bin glücklich für die mehr als hundert Familien, deren Söhne, Brüder und Ehemänner zurückkehren«, sagte er. Russland hatte 101 Soldaten aus ukrainischer Gefangenschaft erhalten.
Zugleich betonte Selenskyj, dass der Kampf sich weiter darauf konzentriere, die Frontlinie unter Kontrolle zu behalten und sich auf neue Eskalationsschritte des Feindes vorzubereiten. »Das Voranschreiten bei der weiteren Befreiung unseres Landes hat Priorität«, sagte Selenskyj. Dafür seien Lieferungen von Waffen und Munition des Westens sowie die Ausbildung des Militärs notwendig.
Internationale Reaktionen
Ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine soll die Uno-Vollversammlung über eine Resolution ohne konkrete Ideen für eine Friedenslösung abstimmen. Der von der Ukraine und der Vertretung der Europäischen Union ausgearbeitete Entwurf, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, bekräftigt eine Reihe bereits ausgedrückter Positionen des größten Uno-Gremiums mit seinen 193 Mitgliedstaaten – darunter die territoriale Integrität der Ukraine und die Aufforderung an Russland, seine Truppen zurückzuziehen.
Eine Sondersitzung der Uno-Vollversammlung zum Jahrestag des Einmarsches beginnt am Mittwoch in der Uno-Zentrale in New York. Es werden eine Reihe von Außenministerinnen und Außenministern erwartet.
»Es ist ein Echo von gewissen Resolutionen der Uno-Vollversammlung«, sagte ein Diplomat der dpa. Die Strategie der westlichen Unterstützer der Ukraine sei es dabei nicht, komplexe Umrisse für eine Beendigung des Krieges zur Abstimmung zu stellen, sondern so viele Länder wie möglich zu einem Ja zu bewegen. Damit wollen sie an die Abstimmungsergebnisse des letzten Jahres anknüpfen, als sich im Oktober 143 Staaten gegen völkerrechtswidrige Annexionen durch Moskau gestellt hatten.
Ein starkes Ergebnis in der Größenordnung vergangener Abstimmungen könnte dem Eindruck entgegentreten, es gebe in weiten Teilen der Welt eine Kriegsmüdigkeit und bröckelnden Rückhalt für Kiew. Nach westlicher Einschätzung baut Russlands Präsident Putin auf schwindende Unterstützung für die Ukraine.
Der russische Kremlgegner Michail Chodorkowski glaubt nicht an eine Friedenslösung für die Ukraine mit dem russischen Präsidenten Putin. »Solange Putins Regime an der Macht ist, wird der Krieg nicht enden«, sagte Chodorkowski am Donnerstag in München vor dem offiziellen Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz.

Michail Chodorkowski (am 16. Februar in München)
Foto: Sven Hoppe / dpaChodorkowski beschrieb die russische Gesellschaft wegen des Krieges gegen die Ukraine als tief gespalten bis in Familien hinein. Noch sei dies kein Krieg des russischen Volkes. Wenn unter den Bedingungen einer Diktatur 15 bis 20 Prozent der Menschen sagten, sie seien gegen den Krieg, sei dies als viel zu bewerten. Die »aktive Unterstützung« für den Krieg oder der Wille sich für das russische Militär zu melden, hält er für gering.
Putin versuche, die Menschen glauben zu machen, dass der Grund für den Krieg nun egal, eine Niederlage aber schlecht für sie und ihre Familien sei. Chodorkowski plädierte für eine tiefgehende Föderalisierung Russlands als Gegenmodell zu einem zentralistischen Staat, der einen äußeren Feind zu seinem Fortbestand benötige.
Wirtschaftliche Konsequenzen
Die gegen Russland zu Beginn der Invasion verhängten Sanktionen beeinträchtigen nach US-Angaben allmählich den Nachschub wichtiger Teile für den Ersatz zerstörter oder verbrauchter Kriegsgeräte. Zwar versuche Russland, die Restriktionen zu umgehen, sagte der hochrangige Beamte im Wirtschaftsministerium, Alan Estevez, der Nachrichtenagentur Reuters. Es könne aber nicht alles eingeführt werden, was gebraucht werde. »Im Laufe der Zeit wird Putins Kriegsmaschinerie lahmgelegt werden, und da wir weiterhin Waffen an die Ukraine liefern, wird ihre militärische Leistungsfähigkeit zunehmen und die von Putin abnehmen.«
Was heute passiert
Der ukrainische Präsident Selenskyj eröffnet die Münchner Sicherheitskonferenz mit einer Videoansprache. Anschließend reden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron bei dem Treffen von Politikern und Experten aus 96 Ländern, das bis Sonntag dauert. Im Mittelpunkt der Konferenz wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen.