Russlands Angriffskrieg Putin ordnet nach Drohnenvorfällen verschärften Grenzschutz an, weitere Eskalation in Bachmut

Mehrere Flugobjekte wurden zuletzt über Russland abgeschossen – der Kreml reagiert. Kiew spricht von »immer härteren« Kämpfen im Osten. Und: Hacker verbreiten Raketenalarm in Moskau. Die jüngsten Entwicklungen.
Mutmaßliche abgeschossene Drohne bei Kolomna

Mutmaßliche abgeschossene Drohne bei Kolomna

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Das sagt Kiew

Die Kämpfe um Bachmut im Osten der Ukraine werden nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj immer heftiger. »Russland zählt seine Männer überhaupt nicht und schickt sie in den Kampf, um beständig unsere Stellungen anzugreifen«, sagte der Staatschef am Dienstag in seiner abendlichen Videoansprache. »Die Intensität der Kämpfe nimmt nur noch zu.«

Bei dem Kampf um Bachmut handelt es sich um die bisher am längsten andauernde Schlacht im Zuge der gut einjährigen russischen Offensive. Analysten zufolge ist die Stadt von geringer strategischer Bedeutung – eine Einnahme hätte demnach für Moskau vor allem symbolischen Wert. Nach ukrainischen Angaben setzt Moskau bei den Angriffen auf Bachmut die »besten Sturmtruppen« der als besonders brutal geltenden Söldnergruppe Wagner ein.

Selenskyj hat sich zudem mit Nachdruck für eine strafrechtliche Aufarbeitung des russischen Angriffskriegs auf sein Land auf internationaler Ebene ausgesprochen. »Wir werden dieses gesamte russische völkermörderische System – von den Rädchen bis zu den Architekten – zerschlagen und vor Gericht bringen«, sagte Selenskyj in dem Video. Dies sei keine leichte Aufgabe. Wenn die »russischen Verbrechen« aber im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit von einem internationalen Gericht geahndet würden, würde dies langfristig Sicherheit für Ukrainer und andere Völker garantieren.

Der russische Angriff auf die Ukraine werde unweigerlich rechtliche Konsequenzen für alle haben, die eine solche Politik konzipiert, gebilligt und umgesetzt hätten, sagte Selenskyj. »Und ich möchte betonen: Es geht nicht nur um die Ausführenden, sondern auch um die oberste politische und militärische Führung des Terrorstaats.«

Wolodomyr Selenskyj (am 27. Februar)

Wolodomyr Selenskyj (am 27. Februar)

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Darüber habe er am Dienstag in Kiew mit Chefankläger Karim Khan vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesprochen, sagte Selenskyj. Besondere Aufmerksamkeit habe man dabei den aus den besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland gebrachten Kindern gewidmet. Kiew bezeichnet den Vorgang als »gewaltsame Verschleppung«.

Ein Vorgehen des Internationalen Strafgerichtshofs zum Beispiel gegen Kremlchef Wladimir Putin ist derzeit unter anderem deswegen nicht möglich, weil weder Russland noch die Ukraine Vertragspartner des Römischen Statuts als Rechtsgrundlage für diesen Gerichtshof sind. Kiew wirbt um internationale Unterstützung für ein Sondertribunal.

Das sagt Moskau

Der russische Präsident hat angeordnet, die Grenzen seines Landes besser überwachen zu lassen. Die Ankündigung kam während einer Ansprache in Moskau am Dienstag. Darin erwähnte Putin die jüngsten Vorfälle mit Drohnen auf russischem Gebiet nicht direkt. Der zeitliche Zusammenhang ist jedoch offensichtlich.

Am Montag und Dienstag war es an mehreren Orten in Russland zu Zwischenfällen mit Drohnen gekommen. Das russische Verteidigungsministerium meldete mehrere Abschüsse, regionale Beamte sprechen von Angriffen aus der Ukraine.

Eine der Drohnen wurde offenbar in der Region Moskau abgeschossen. Der mutmaßliche Angriff habe vermutlich auf zivile Infrastruktur gezielt, meldete die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti unter Berufung auf den Gouverneur des Gebiets Moskau, Andrej Worobjow. (Eine ausführliche Meldung dazu finden Sie hier.)

Hackern gelang es zudem, eine falsche Luftangriffswarnung in zahlreichen TV- und Radioprogrammen zu platzieren. Betroffen waren Gegenden nahe der Grenze zur Ukraine, aber teils auch Sender in den Metropolen Moskau und Sankt Petersburg. In letzterer wurde laut dem britischen »Guardian« kurzzeitig der Luftraum gesperrt.

In den Warnungen sagt eine Stimme: »Bewegen Sie sich unverzüglich in Schutzräume. Achtung, Achtung: ein Raketenangriff droht.« Vergleichbare Vorfälle hatte es bereits in der vergangenen Woche gegeben.

Internationale Reaktionen

Der Vorsitzende der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, fordert vom Kongress höhere Verteidigungsausgaben im nächsten Jahr. Damit könnten die USA den Bedrohungen aus Russland und China trotzen, sagte McConnell. »In diesem Umfeld müssen wir weiterhin unsere Verteidigung stärken.« Andere Nato-Länder müssten ebenfalls ihre Verteidigung ausbauen. Seine Äußerungen stehen im Widerspruch zu den Republikanern im US-Repräsentantenhaus, die darüber nachdenken, die Verteidigungsausgaben im Fiskaljahr 2024 auf derzeitigem Niveau zu belassen.

Mitch McConnell

Mitch McConnell

Foto: ELIZABETH FRANTZ / REUTERS

Die polnische Armee bekommt mehr als tausend neue Schützenpanzer des Typs Borsuk, Dachs, und dazu Hunderte Begleitfahrzeuge. Eine Vereinbarung darüber unterschrieb Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak am Dienstag bei der Herstellerfirma Huta Stalowa Wola in Südostpolen, wie die Nachrichtenagentur PAP berichtete. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte die Bestellung bereits zuvor auf Twitter mit den Worten angekündigt: »Wir garantieren den Polen Sicherheit.«

Dem TV-Nachrichtensender TVP Info erklärte Minister Błaszczak, der Auftrag sei das bisher größte Projekt der polnischen Rüstungsindustrie. Die ersten vier Borsuk-Panzer sollen der Vereinbarung nach bereits im Laufe des Jahres 2023 an die polnische Armee ausgeliefert werden. Er hoffe, dass auch die weiteren Lieferungen schnell erfolgen würden, sagte Błaszczak, ohne einen genauen Termin zu nennen.

Die neuen Panzer aus polnischer Produktion sollen die bisher von der Armee verwendeten Schützenpanzer des sowjetischen Typs BMP-1 ersetzen. Zu ihren Vorzügen zählt, dass sie schwimmfähig sind. Neben den mehr als tausend Panzern umfasst die Bestellung nach Angaben von PAP und TVP Info rund 400 zusätzliche Fahrzeuge, die zum Beispiel der Aufklärung, Koordination und verschiedenen Schutzfunktionen dienen.

Die Bestellung ist Teil einer massiven Aufrüstung und Modernisierung der polnischen Armee, die nach Błaszczaks Worten »in sehr hohem Tempo« voranschreite. Das Nato-Land Polen grenzt direkt an die von Russland angegriffene Ukraine.

Was heute passiert

  • Gut ein Jahr nach Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine treffen sich die Außenminister der G20-Runde der führenden Wirtschaftsmächte in Indien. Bei dem Treffen dürfte auch das im Westen mit viel Skepsis aufgenommene chinesische Positionspapier für ein Ende des von Russland begonnenen Krieges eine Rolle spielen. Moskau hat das Papier begrüßt, sieht laut Kremlsprecher Dmitrij Peskow derzeit aber keine Voraussetzung für eine friedliche Lösung.

jok/dpa/Reuters
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