Im BBC-Interview Ex-Oberst in Nordkoreas Geheimdienst spricht über Auftragsmorde, Drogenhandel, Cyberattacken

Er lief von Nord- nach Südkorea über: Die BBC hat einen früheren Oberst der Geheimdienste interviewt. Er soll für das Regime Attentate geplant, ein Drogenlabor aufgebaut und Waffen in Kriegsgebiete verkauft haben.

Die BBC hat ein exklusives Interview  mit einem ehemaligen hochrangigen Geheimdienstmitarbeiter Nordkoreas geführt. Der öffentlich-rechtliche Sender betont, dass die Aussagen des Kim Kuk Song genannten Mannes nicht unabhängig geprüft werden können, seine Identität aber verifiziert sei und man – wo möglich – auch bestätigende Beweise für seine Behauptungen gefunden habe.

In dem Interview erzählt Kim, wie die nordkoreanische Führung mit allen Mitteln versuche, zu Geld zu kommen, vom Drogenhandel bis zu Waffenverkäufen im Nahen Osten und in Afrika. Er spricht über die Strategie hinter den Entscheidungen in Pjöngjang, von den Angriffen des Regimes auf Südkorea und von den Spionage- und Cybernetzen Nordkoreas.

Kim bezeichnet sich selbst als einen der »Rotesten der Roten«. Er sei ein loyaler kommunistischer Diener gewesen, doch Rang und Loyalität seien in Nordkorea keine Garantie für ihre Sicherheit. Herr Kim, wie er im Interview genannt wird, habe 2014 um sein Leben fürchten und fliehen müssen. Seitdem lebe er in Seoul und arbeite für den südkoreanischen Geheimdienst.

Ermordung eines Überläufers für Kim Jong Un

Nach eigener Aussage hat Herr Kim auf Befehl von Diktator Kim Jong Un persönlich ein Attentat auf einen ehemaligen nordkoreanischen Beamten geplant. »Es wurde eine ›Terrortruppe‹ gebildet, um Hwang Jang Yop im Geheimen zu ermorden. Ich persönlich habe die Arbeit geleitet und ausgeführt.« Hwang Jang Yop war ein hochrangiger Funktionär in Nordkorea, bevor er 1997 nach Südkorea überlief.

Ein Jahr später, im Jahr 2010, sank das südkoreanische Marineschiff Cheonan, nachdem es von einem Torpedo getroffen worden war. Sechsundvierzig Menschen kamen dabei ums Leben. Pjöngjang hat seine Beteiligung stets abgestritten.

Im November desselben Jahres schlugen dann Dutzende nordkoreanischer Artilleriegranaten auf der südkoreanischen Insel Yeonpyeong ein. Zwei Soldaten und zwei Zivilisten wurden getötet.

Es wurde viel darüber diskutiert, wer den Befehl für diesen Angriff gegeben hatte. Kim sagte, er sei »nicht direkt an den Operationen auf der Cheonan oder der Insel Yeonpyeong beteiligt« gewesen, aber sie »waren für die RGB-Offiziere kein Geheimnis, sie wurden mit Stolz behandelt, etwas, womit man sich rühmen konnte«. Diese Art von »militärischer Arbeit« werde auf speziellen Befehl von Kim Jong Un geplant und durchgeführt, so Herr Kim.

Kim zufolge ordnete der frühere nordkoreanische Staatschef Kim Jong Il schon in den Achtzigerjahren die Ausbildung neuer Mitarbeiter an, »um sich auf die Cyberkriegsführung vorzubereiten«. Dafür seien jedes Jahr die vielversprechendsten Studenten von Nordkoreas Unis rekrutiert worden.

In den Neunzigerjahren hatte Kim nach seinen Aussagen den Auftrag, »revolutionäre Mittel« für den Obersten Führer zu beschaffen. Dazu gehörte seiner Meinung nach der Handel mit illegalen Drogen.

»Nachdem ich mit der Aufgabe betraut worden war, holte ich drei Menschen aus dem Ausland nach Nordkorea, baute im Ausbildungszentrum des Verbindungsbüros 715 der Arbeiterpartei eine Produktionsbasis auf und stellte Drogen her«, erzählt er in dem Interview.

Das hergestellte Crystal Meth wäre dann in Dollar umgetauscht und Kim Jong Il präsentiert worden. Außerdem habe Nordkorea illegale Waffen verkauft, unter anderem an Iran und Länder, in denen Bürgerkriege herrschten.

Flucht aus Angst um sein Leben

Nachdem Kim Jong Un im Dezember entschieden habe, seinen eigenen Onkel Jang Song Thaek hinrichten zu lassen, habe auch Herr Kim einen Anschlag auf sein Leben befürchtet und sei mit seiner Familie in den Süden geflohen.

Auf die Frage, warum er sich ausgerechnet jetzt entschlossen habe, über all das zu sprechen, antwortet er: »Das ist die einzige Aufgabe, die ich erfüllen kann. Ich werde mich von nun an stärker engagieren, um meine Brüder im Norden aus den Fängen der Diktatur zu befreien und ihnen die wahre Freiheit zu ermöglichen.«

»Nordkoreas politische Gesellschaft, ihr Urteilsvermögen, ihre Denkprozesse – sie alle folgen der Überzeugung, dem Obersten Führer ultimativen Gehorsam zu leisten«, sagt er. Über Generationen hinweg entstehe so ein »loyales Herz«.

Die BBC hat die nordkoreanische Botschaft in London und die Vertretung in New York um eine Stellungnahme gebeten, aber bisher noch keine Antwort erhalten.

svs

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