Seit Tagen rätselt die Welt über den Verbleib von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Bei diesem Parteitreffen am 11. April wurde der Diktator zuletzt offiziell gesehen. Seitdem fehlt jede Spur von ihm.
Katharina Graça Peters, DER SPIEGEL
"Es gibt sehr viele Gerüchte, dass er angeblich eine Herzoperation hatte, dass er im Koma liegt, dass er sich beim Abschuss einer Rakete verletzt haben soll oder dass er gar tot ist. Leider können wir momentan einfach nur sagen, dass wir nicht wirklich wissen, was wie es ihm geht oder wo überhaupt ist. Das ist vielleicht keine befriedigende Antwort, aber das ist nun mal die einzige definitive Antwort. Denn Nordkoreas sehr abgeschottetes Land."
Die Gerüchteküche wurde angeheizt, als sich Kim Jong Un am 15. April, dem Geburtstag seines Großvaters und Staatsgründers Kim Il Sung, nicht in der Öffentlichkeit zeigte.
Katharina Graça Peters, DER SPIEGEL
"Der "Tag der Sonne" wird sonst opulent gefeiert und Kim Jong Un hätte einen Kranz niederlegen sollen. Er wurde aber nicht gesehen an diesem Tag . Es gab auch Raketenabschüsse einen Tag vorher. Üblicherweise wird das ebenfalls sehr stark in den Staatsmedien zelebriert. Auch da gab es keine Bilder von ihm, und es wurde sogar in nordkoreanischen Medien gar nicht vermeldet. Das sind also mehrere ungewöhnliche Ereignisse, die auch renommierte Beobachter dazu bringen, zu sagen: Etwas ist nicht normal. Ungewöhnliches passiert gerade in Nordkorea."
Doch die Nachrichtenlage ist widersprüchlich, verlässliche und unabhängige Informationen aus dem hermetisch abgeriegelten Land zu bekommen, extrem schwer. Vor einer Woche hatte das Webportal Daily NK berichtet, Kim sei am Herzen operiert worden. CNN wiederum zitierte einen Mitarbeiter des Weißen Hauses, dass die USA Meldungen prüfen, wonach Kim Jong UN nach einer OP in großer Gefahr sei.
Katharina Graça Peters, DER SPIEGEL
"Wenn Kim Jong un tatsächlich eine Operation hat vornehmen lassen, dann kann das kein Routineeingriff gewesen sein. Denn er hatte das nicht in diese Woche gelegt. Das können wir schon sagen."
Eine wichtige Quelle für Nordkorea-Experten sind Satellitenbilder.
Katharina Graça Peters, DER SPIEGEL
"Da haben Analysten der Seite "38 North" gesehen, dass in dem Ort Wonsan, das ist ein Ort an der Ostküste, das da ein 250 Meter langer Zug an einem Bahnhof steht, der für die Familie reserviert ist. Das heißt, es könnte sein, dass Kim Jong Un sich dort aufhält und sich möglicherweise von einer Herz-OP erholt. Aber wir wissen es nicht. Es gibt auch Gerüchte, dass die Familie über mehrere Züge verfügt."
Dass jetzt so wild über Kim Jong Uns Gesundheitszustand spekuliert wird, liegt auch daran, dass völlig unklar ist, wer dem Diktator im Falle seines Todes nachfolgen könnte. In Nordkorea herrscht ein ausgeprägter Personenkult. Die Führungsstruktur ist komplett auf die Familie ausgerichtet.
Katharina Graça Peters, DER SPIEGEL
"Er hat mindestens ein Kind. Aber das ist eben noch ein Kind, es kann also nicht sofort die Regierungsgeschäfte übernehmen. Seine Schwester ist eine enge Vertraute. Kim Yo Jong heißt sie, und in ausländischen Medien wird darüber spekuliert, ob sie Nachfolgerin werden könnte. Allerdings darf man nicht vergessen: Sie ist recht jung, und sie ist eine Frau. In dem autoritären, paternalistischen, patriarchalischen Nordkorea könnte sie es schwer haben."
In Südkorea ist man derweil sehr bemüht, die Gerüchte über Kims Gesundheitszustand herunterzuspielen.
Kim Yeon Chul, Einheitsminister Südkorea
"Unsere Regierung hat genug Quellen, um mit Sicherheit zu sagen, dass nichts Ungewöhnliches in Nordkorea passiert."
Die Frage, wer nun Recht hat, muss derzeit unbeantwortet bleiben. Zumal sich Nordkorea wegen des Coronavirus noch mehr abschottet als ohnehin schon.