»Pandora Papers« Neues Datenleck enthüllt Briefkastenfirmen Hunderter Politiker

Tschechiens Ministerpräsident ebenso wie Libanons Premier, die Präsidenten von Zypern, Kenia oder der Ukraine: Eine Datenleck-Analyse des Netzwerks ICIJ legt die geheimen Offshore-Geschäfte internationaler Politiker offen.
Tschechiens Premierminister Andrej Babiš (Archivbild)

Tschechiens Premierminister Andrej Babiš (Archivbild)

Foto: Vít Šimánek / DPA

Rund 600 Journalisten in 117 Ländern haben zwei Jahre lang eines der bisher größten Datenlecks analysiert und ausgewertet. 2,9 Terabyte Daten umfassen die sogenannten Pandora Papers, deren teilweise Auswertung das Investigativnetzwerk International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) am Sonntag veröffentlichte . In Deutschland waren die »Süddeutsche Zeitung« (»SZ«), NDR und WDR beteiligt. ICIJ hatte zuvor mit der Veröffentlichung der »Panama Papers« weltweit für Aufsehen gesorgt.

Das riesige Datenleck enthüllt nach Angaben des Recherchenetzwerks die heimlichen Geschäfte Hunderter Politiker mit Briefkastenfirmen, intransparenten Trusts und Stiftungen. Nach aktuellem Stand der Auswertung sind den Angaben zufolge mehr als 330 Politiker und Amtsträger aus 91 Ländern in Offshore-Geschäfte verstrickt. Darunter 35 derzeitige oder ehemalige Staats- und Regierungschefs wie der tschechische Premierminister Andrej Babiš.

Briefkastenfirmen in Steueroasen zu geschäftlichen Zwecken müssen nicht zwingend illegal sein, allerdings dienen sie oft der Steuerhinterziehung und meist der – rechtmäßigen – Steueroptimierung und -vermeidung. Nach Angaben des ICIJ wurden 11,9 Millionen geleakte Dokumente ausgewertet, »die jeden Winkel der Welt abdecken«. Die Daten stammen offenbar von 14 Unternehmen, die solche Offshore-Konstrukte anbieten und wurden von einer anonymen Quelle bereitgestellt.

Tschechiens Ministerpräsident Babiš soll auf diese Weise weitgehend anonym ein Landschloss in Südfrankreich für mehr als 15 Millionen Euro erstanden haben. Für ihn ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung besonders brisant: In Tschechien wird kommende Woche ein neues Parlament gewählt.

Vertraute von Wladimir Putin und Prominente wie Claudia Schiffer

Auch der ukrainische Präsident Volodymyr Selenskyj, zahlreiche enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Jordaniens König Abdullah II. und viele Spitzensportler sowie Prominente wie etwa Topmodel Claudia Schiffer sind oder waren laut »SZ« Kunden bei Offshore-Firmen. Der Präsident des EU-Landes Zypern, Nikos Anastasiadis, war demnach selbst aktiv im Offshore-Geschäft tätig mit seiner Kanzlei, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird.

Die Dokumente belegen laut »SZ« auch, dass der aktuelle libanesische Premierminister Nadschib Mikati und dessen Vorgänger Hassan Diab mit Briefkastenfirmen hantierten. Besonders pikant: Viele der nun betroffenen Politiker haben sich in der jüngeren Vergangenheit gegen Steuerflucht-Praktiken ausgesprochen. Auch der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta hatte sich den Forderungen nach mehr Transparenz angeschlossen. Die neuen Dokumente zeigen nun offenbar Kenyatta und dessen Mutter als Begünstigte einer geheimen Stiftung in Panama. Laut »SZ« hat sich bisher keine der von den sogenannten Leaks betroffenen Personen geäußert.

Die Regierung von Panama hatte bereits vor der Veröffentlichung der »Pandora Papers« vor schweren Schäden für das Image des Landes wie infolge der »Panama Papers« 2016 gewarnt. Damals hatte ein anonymer Whistleblower der »Süddeutschen Zeitung« mehr als elf Millionen interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca zugespielt. Eine Auswertung in Zusammenarbeit mit dem ICIJ enthüllte ein ausgeklügeltes System zur globalen Steuervermeidung.

Nach der Veröffentlichung mussten etliche Politiker – darunter der damalige isländische Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson und der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif – von ihren Ämtern zurücktreten. Weltweit wurden Tausende Ermittlungsverfahren eingeleitet.

bor

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