»Partygate«-Affäre Misstrauensvotum gegen Premier Johnson in Konservativer Partei

Boris Johnson muss sich noch an diesem Montagabend einem Misstrauensvotum seiner Konservativen Partei stellen. Für den angeschlagenen britischen Premier selbst ist die Abstimmung angeblich ein Befreiungsschlag.
Britischer Premierminister Boris Johnson

Britischer Premierminister Boris Johnson

Foto: POOL / REUTERS

Es wird ernst für Boris Johnson: Noch am Montagabend muss sich der britische Premierminister einem Misstrauensvotum stellen. Die notwendige Anzahl an entsprechenden Anträgen von Tory-Abgeordneten sei erreicht, teilte der Chef des zuständigen Parteikomitees, Graham Brady, in London mit.

Die Kritik am Premierminister hatte sich besonders an dessen Umgang mit der sogenannten Party-Affäre um Lockdown-Feiern in der Regierungszentrale Downing Street entzündet. In einem vernichtenden Untersuchungsbericht hatte die Spitzenbeamtin Sue Gray Johnson schweres Führungsversagen vorgeworfen. Doch der 57-Jährige hatte weitergemacht, als sei nichts geschehen, und ignoriert, dass er wegen einer Geldstrafe für die Teilnahme an einer Party nun der erste amtierende Premierminister ist, der das Gesetz gebrochen hat.

Johnson begrüßt Abstimmung

Zwar entschuldigte sich Johnson im Unterhaus in London mehrmals. Einen Rücktritt lehnte er jedoch ab. Über eine Downing-Street-Sprecherin ließ der Premier nun mitteilen, er begrüße die Möglichkeit, sich dem Votum der Abgeordneten seiner Konservativen Partei zu stellen. Die Abstimmung sei eine Chance, »Monate der Spekulation zu beenden« und einen Schlussstrich zu ziehen.

Dem Untersuchungsbericht zufolge sollen gleich mehrere Partys in 10 Downing Street geplant worden sein – einschließlich Absprachen darüber, wer den Alkohol mitbringt. Bei einer Feier im Juni 2020 sei es zu übermäßigem Alkoholkonsum gekommen, hieß es in dem Bericht. Eine Person habe sich dabei übergeben, zwei weitere hätten sich heftig gestritten. Bei einer anderen Party in der Nacht vor der Beerdigung von Prinz Philip sei bis in die Morgenstunden gefeiert worden. Auf zahlreichen Fotos sind die Treffen dokumentiert, auch Johnson ist mehrfach abgebildet.

Außenministerin Truss: »Premierminister hat meine 100-prozentige Unterstützung«

Außenministerin Liz Truss und Finanzminister Rishi Sunak sicherten Johnson, der seit 2019 die Regierung führt, ihre Unterstützung in dem Misstrauensvotum zu. »Der Premierminister hat meine 100-prozentige Unterstützung bei der heutigen Abstimmung, und ich ermutige die Kollegen nachdrücklich, ihn zu unterstützen«, schrieb Truss auf Twitter. Sie verwies darauf, dass Johnson die Erholung des Landes von der Coronapandemie erreicht habe und die Ukraine angesichts der russischen Aggression unterstütze. »Er hat sich für die gemachten Fehler entschuldigt. Wir müssen uns jetzt auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren.« Truss gilt als mögliche Nachfolgerin Johnsons.

Dutzende konservative Abgeordnete haben in jüngster Vergangenheit ihre Besorgnis geäußert, der 57-jährige Johnson könnte die Autorität verloren haben, um Großbritannien zu regieren. Zuletzt hatte Jesse Norman, der von 2019 bis 2021 Staatssekretär im Finanzministerium war, öffentlich ein Misstrauensvotum verlangt.

Abstimmungsergebnis wohl noch am Abend

Trotz der schweren Vorwürfe ist nicht gesetzt, dass Johnson sein Amt verliert. Denn in einer Abstimmung müssten sich 180 Tory-Abgeordnete – also mindestens die Hälfte der aktuell 359 Fraktionsmitglieder – gegen den Premier aussprechen. Etwa 150 von ihnen aber haben einen unbezahlten oder bezahlten Regierungsjob, zum Beispiel als Staatssekretäre, Fraktionseinpeitscher oder Handelsemissäre. Stimmen sie in der geheimen Wahl gegen Johnson, könnten sie selbst ihre Ämter verlieren.

Sollte Johnson das Votum gewinnen, darf es nach geltenden Parteiregeln ein Jahr lang keinen weiteren Versuch geben, ihn abzuwählen. Das Ergebnis des Misstrauensvotums wird voraussichtlich noch nach der Abstimmung am Montagabend verkündet werden, die zwischen 18 und 20 Uhr (Ortszeit) stattfindet. Stimmt eine Mehrheit gegen Johnson, ist er sein Amt als Premier vorerst los.

mel/ala/dpa/Reuters
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