Boris Johnson, britischer Premierminister
»Ich bitte um Entschuldigung«
Boris Johnson steht seit Wochen im »Partygate«-Kreuzfeuer. Ständig kommen neue Details über feuchtfröhliche Feiern am Regierungssitz ans Licht – obwohl ganz Großbritannien in einem harten Lockdown steckte. Aber Johnson ist immer noch da. Wieso?
Jörg Schindler, DER SPIEGEL
»Weil es sehr schwer ist, einen britischen Premierminister aus dem Amt zu entfernen, also wenn er selbst nicht gehen will und das hat er ja mehrfach klargemacht, dass er bis zur letzten Patrone zu kämpfen bereit ist, dann gibt es eigentlich nur die Möglichkeit, dass die eigene Partei ihn stürzt.«
Dafür bräuchte es ein Misstrauensvotum. Bei dem müssten am Ende mindestens die Hälfte seiner eigenen Abgeordneten, also 180 der 360 Tories im Parlament, gegen Johnson stimmen. Das gilt als äußerst unwahrscheinlich – auch, wenn Parteikollegen und -kollegeninnen wie Theresa May offen gegen Johnson austeilen.
Theresa May, ehemalige britische Premierministerin
»Entweder hatte der Herr Abgeordnete die Regeln nicht gelesen oder nicht verstanden, was sie bedeuteten, und andere in seinem Umfeld oder er war der Meinung, dass die Regeln nicht für Nummer 10 gelten. Was war es?«
Sowohl in britischen Medien als auch in Johnsons eigenen Reihen wird seit Wochen über Rücktritt gesprochen, dabei liegt hinter Boris Johnson eine ganze Reihe größere Fehltritte. Was ist an diesem Skandal anders?
Jörg Schindler, DER SPIEGEL
»Ich glaube tatsächlich, wenn wir das außerhalb Coronas gehabt hätten, dann wäre das eine Randnotiz gewesen, dann hätten alle im Prinzip wieder so ein bisschen gedacht: Ach, naja, der Boris. Durch diese Pandemie, dadurch, dass 150.000 Briten an oder mit Covid gestorben sind, inoffiziell noch viel mehr, hat das ganze eben eine Fallhöhe erreicht, die ihn zum Stürzen bringen könnte.«
Johnson reagiert mit Ablenkungsmanövern: Er zeigt sich besorgt um das Gesundheitswesen, versucht Konservative zu umgarnen, will der angeblich zu liberalen BBC den Geldhahn zudrehen und greift Oppositionsführer Starmer mit unfairen Vorwürfen an. Das hat inzwischen dazu geführt, dass Starmer von einem Mob bedrängt und von Polizisten beschützt werden musste. Schon zuvor hatten fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Stabs, wie Johnsons langjährige wichtige Politikberaterin Munira Mirza – genug von dem Theater: Sie traten zurück.
Jörg Schindler, DER SPIEGEL
»Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass ein Kipppunkt erreicht sein könnte, dass eben das, was man Boris Johnson hat durchgehen lassen, also dieses nicht besonders gut im Detail zu stecken, ständig zu poltern, auf Fragen nicht zu antworten, die Wahrheit zu verbiegen, dass das mit Partygate eben diesen Punkt erreicht hat, wo viele gesagt haben: so, jetzt sind wir es wirklich Leid, auch eigene Leute.«
Andererseits: Johnson gilt als Stehaufmännchen, er hat schon so manchen Skandal politisch überlebt, der anderen zum Verhängnis geworden wäre. Während selbst Scotland Yard wegen des Partygates ermittelt, inszeniert er sich als Außenpolitiker mit großer Sorge um die Ukraine – gibt es so einen Weg für ihn, sich politisch zu rehabilitieren?
Jörg Schindler, DER SPIEGEL
»Johnsons Verteidigungslinie ist eben nicht nur die: ich habe den Brexit gewuppt, ich persönlich, Boris Johnson, habe diesen Gordische Knoten zerschlagen und uns in die Freiheit geführt und er hat sich auch schon mit Moses verglichen. Und das andere ist, dass er momentan nicht ganz zu Unrecht sagen kann: Ich habe uns aus der Pandemie herausgeführt, also die zweite Moses-Geschichte sozusagen. Mein Gott, dann hat er halt ein paar Partys gefeiert, dass ist halt eben auch so die Verteidigungshaltung, die er aufbringen wird und es kann gut sein, dass er damit durchkommt.«