Er steht am Endspurt seines Wahlkampfes: Polens Präsident Andrzej Duda badet in der Menge - doch mittendrin halten Demonstranten Plakate hoch: "Wir sind Menschen, keine Ideologie" – steht darauf geschrieben. Von einer gefährlichen "LGBT-Ideologie" spricht die konservative Regierung Polens – Duda selbst verglich sie mit einer kommunistischen Ideologie.
Andrzej Duda, Präsident Polen
"Ich habe es laut ausgesprochen. Ich halte nichts von einer Ideologie, die unsere Kinder prägt, erzieht und ihnen bestimmte Werte einflößen will, die ihre Moral prägen. Werte, die in Schulen eingeschmuggelt werden - ohne Zustimmung der Eltern. Für diese Aussagen wurde ich in Westeuropa angegriffen – und leider auch in unserem Land."
Die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) setzt auf streng nationalkonservative Werte; ihr expliziter Anti-LGBT-Wahlkampf bereitet den liberalen Polen Sorge –vor allem den Betroffenen selbst.
Ehepaar Jakub und Dawid hatten kürzlich noch in einer Kondomwerbung mitgemacht, in der hetero- und homosexuelle Paare gezeigt wurden. Der TV-Spot wurde allerdings sofort verboten und aus dem Programm genommen. Überrascht hat sie das nicht. Dafür gesorgt hatte eine nationale Kampagne gegen Werbung mit "homosexuellen Inhalten". Die beiden machen sich Sorgen, was der nächste Schritt sein wird.
Dawid Mycek, LGBT-Aktivist
"Eine weitere Amtszeit von Präsident Duda wäre das Schlimmste, was der LGBT-Community passieren könnte. Vor allem wenn er die "Familien-Charta" unterzeichnet, denn diese diskriminiert uns ganz offensichtlich."
Mit der "Familien-Charta" will Duda unter anderem die "traditionelle Familie" fördern und das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare verhindern, außerdem sollen Kinder "vor der LGBT-Ideologie" geschützt werden.
Die konservativ-katholische Wählerschaft in Polen lässt sich offenbar mit dem queerfeindlichen Wahlkampf abholen. Wie sehr, zeigt sich schon dadurch, dass sich bereits mehrere Gemeinden, vor allem im konservativen Südosten, zu sogenannten "LGBT-Ideologie-freien Zonen" erklärt haben.
Jakub Kwiesinski, LGBT-Aktivist
"Wir machen uns Sorgen, was als nächstes passieren wird. Erst verbannen sie dich aus der Werbung, dann werden LGBT-Themen aus Filmen und Fernsehserien entfernt. Es geht so weit, dass der European Song Contest nicht gezeigt wird, weil es zu viel LGBT beinhaltet. Es ist irre."
Białystok , Polen (21.7.2019)
Wie latent explosiv die Stimmung im Land ist, zeigte sich mehrfach im vergangenen Jahr. So wurden immer wieder Demonstranten bei Protesten für LGBT-Rechte von Ultrakonservativen angegriffen. Friedliche Paraden kippten um in gewaltsame Auseinandersetzungen, in der die Bereitschaftspolizei massiv einschreiten musste.
Quelle: ILGA Europa
In einer Umfrage zur LGBT-Gleichberechtigung, liegt Polen in diesem Jahr in Europa auf dem letzten Platz.
Schwule und Lesben in Polen fürchten sich vor neuen, diskriminierenden Gesetzen – die ihr Leben noch schwieriger machen würden.
Derweil holt sich der Amtsinhaber in der letzten, heißen Wahlkampfphase Unterstützung von einem ganz großen Vorbild: Wenige Tage vor der wegen der Corona-Pandemie verschobenen Präsidentenwahl am 28. Juni, wird Duda erneut US-Präsident Trump in Washington besuchen. Im Moment steht Duda in den Umfragen vorn – doch eine klare Mehrheit ist ihm nicht sicher. In den letzten Tagen wird also noch mehr schweres Geschütz nötig sein.