Kritik wegen zu großer Regierungsnähe Neue Vorsitzende an Polens Oberstem Gericht

Malgorzata Manowska: Die neue Frau an der Spitze des Obersten Gerichts
Foto: TOMASZ GZELL/EPA-EFE/ShutterstockNach jahrelangem Machtkampf in Polens Justiz hat das Oberste Gericht des Landes eine neue Vorsitzende. Der nationalkonservative Präsident Andrzej Duda wählte Malgorzata Manowska unter fünf Kandidaten aus, welche das Gericht aus den eigenen Reihen vorgeschlagen hatte. Das teilte das Präsidialamt am Montag in Warschau mit. Allerdings war Manowska mit 25 Stimmen nur die zweite Wahl ihrer Kollegen gewesen. Für den als unabhängig geltenden Richter Wlodzimierz Wrobel stimmten doppelt so viele. Nach der Verfassung muss sich der Staatschef aber nicht an das Votum der Richter halten, sondern kann frei unter den Kandidaten wählen.
Manowska war 2007 in der damaligen Regierungspartei PiS für einige Monate Staatssekretärin im Justizministerium. 2018 wurde sie in die Zivilkammer des Obersten Gerichts berufen. Die 55-Jährige gilt als enge Vertraute des heutigen Justizministers Zbigniew Ziobro. Er ist der Chef von Solidarna Polska (Solidarisches Polen), einer Splitterpartei der Regierungspartei PiS.
Schnell meldeten sich Kritiker der Neubesetzung zu Wort. Präsident Duda habe bei seiner Entscheidung für Manowska nicht das Wohl des Staates, sondern die Interessen der Regierungsparteien im Blick gehabt, sagte der Ex-Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Andrzej Zoll, im Sender TVN24. Außer dem Beauftragten für Bürgerrechte gebe es in Polen kein öffentliches Amt mehr, das nicht in einer Abhängigkeit von den Nationalkonservativen stehe.
Kritik an Manowskas Nähe zur Regierung
Manowska sei bekannt für ihre engen Beziehungen zu Politikern, kritisierte auch Bartlomiej Przymusinski von der Richtervereinigung Iustitia. Wie andere Juristen auch äußerte er Zweifel daran, dass der Auswahlprozess formal richtig durchgeführt worden sei. Ganz anders die Sicht bei den Unterstützern der Regierung: "Dank an alle, die uns über die letzten Jahre im Kampf um die Justizreformen und das Oberste Gericht unterstützt haben", schrieb der EU-Parlamentsabgeordnete Patryk Jaki bei Twitter.
Um die Führung des Obersten Gerichts war lange gestritten worden. Die ehemalige Vorsitzende Malgorzata Gersdorf hatte sich als vehemente Kritikerin der PiS-Justizreformen profiliert. Die heute 67-Jährige widersetzte sich Versuchen, sie aufgrund einer neuen Altersgrenze von 65 Jahren statt wie bisher 70 Jahren vorzeitig abzuberufen. Ihre sechsjährige Amtszeit als Gerichtspräsidentin endete Ende April.
Das Oberste Gericht ist die höchste Instanz in Zivil- und Strafsachen und hat seinen Sitz in Warschau. Darüber gibt es noch den Verfassungsgerichtshof. Im Streit um die polnische Justizreform hatte die EU-Kommission im April ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Grund ist ein neues Gesetz zur Disziplinierung von Richtern, das nach Ansicht der Behörde gegen EU-Recht verstößt.