Widerstand gegen die "Feds" in Portland Die Falle des Präsidenten

Wahlkampf brutal: Donald Trump bekämpft das Chaos, das er selbst verursacht hat - und stiftet wie in Portland bewusst neue Unruhe. Manche Demonstranten machen es ihm dabei allerdings leicht.
Aus Portland berichtet Ralf Neukirch
Bundespolizisten in Portland: Hass der Bevölkerung

Bundespolizisten in Portland: Hass der Bevölkerung

Foto: Marcio Jose Sanchez/ AP

Heather Leek ist dieses Mal gut vorbereitet zur Demonstration vor dem Hatfield-Justizgebäude in der Innenstadt von Portland gekommen. Die dreifache Mutter trägt einen Skihelm mit dazu passender Skibrille. Aus ihrer Tasche ragt eine Gasmaske, wie sie sonst in Lackierereien getragen wird.

"Haben Sie keinen Helm?", fragt sie den Reporter. "Na, dann passen sie gut auf sich auf."

Leek ist eine von rund 200 Müttern, die sich am Dienstag vor dem Salmon-Brunnen versammelt haben, um sich für die sogenannte Wall of Moms aufzustellen, die Mauer der Mütter, die die Demonstranten vor den Beamten des Heimatschutzministeriums schützen soll. Sie hat ihren 14-jährigen Sohn dabei. Sie will nicht lange bleiben, um den Jungen nicht in Gefahr zu bringen.

"Wall of Moms": Mütter stellen sich schützend vor Demonstranten

"Wall of Moms": Mütter stellen sich schützend vor Demonstranten

Foto: Marcio Jose Sanchez / AP / dpa

Vor zwei Wochen hat Leek im Radio von der "Wall of Moms" gehört und beschlossen mitzumachen. "Wir dürfen uns von Donald Trump unsere Stadt nicht wegnehmen lassen", sagt sie. Seither ist sie mehrere Male bei den Protesten mitgelaufen, anfangs ohne Schutz. Das würde sie nicht wieder tun.

"Vor ein paar Tagen ist eine Frau neben mir von einem Polizeigeschoss getroffen worden und bewusstlos zu Boden gesunken", erzählt Leek, die bei einem Start-up-Unternehmen arbeitet, das Software für Telemedizin herstellt. "Die Sache ist nicht ungefährlich." Dass Mütter aus dem amerikanischen Mittelstand sich für Demonstrationen so ausstaffieren, als zögen sie in die Schlacht von Ypern, sagt viel über das Amerika Donald Trumps aus.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Mit Trumps Truppen kehrten auch die Demonstranten zurück

Seit Ende Mai in Minneapolis der Schwarze George Floyd unter dem Knie eines Polizeibeamten starb, protestieren in Portland Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Nach Ausschreitungen und vereinzelten Plünderungen in den ersten Tagen verliefen die Demonstrationen weitgehend friedlich. Am Ende seien immer weniger Leute gekommen, erzählt eine junge Schwarze, die nach eigenen Angaben von Beginn an dabei war.

Demonstrantinnen in Portland: Seit dem Tod von George Floyd gehen Aktivisten hier auf die Straße

Demonstrantinnen in Portland: Seit dem Tod von George Floyd gehen Aktivisten hier auf die Straße

Foto: Caitlin Ochs/ REUTERS

Dann beschloss Trump, die Proteste dafür zu nutzen, seine Chancen auf die Wiederwahl im November zu erhöhen. Er entsandte am 4. Juli Einheiten des Heimatschutzministeriums nach Portland. Mehr als hundert Beamte sind mittlerweile dort, vor allem Mitglieder einer Spezialeinheit des Grenzschutzes, die keinerlei Erfahrung im Umgang mit Demonstranten haben.

Seither ist die Lage eskaliert. Jede Nacht gibt es Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten. Beamte ohne Erkennungszeichen haben einzelne Demonstranten festgenommen und in nicht markierte Fahrzeuge verschleppt. An nahezu jedem Abend wird die Menge mit Tränengas auseinandergetrieben.

Statt die Situation zu beruhigen, haben die Auseinandersetzungen an Härte zugenommen. Die Zahl der Protestierenden ist nach Trumps Ankündigung wieder deutlich gestiegen. Am Sonntag waren über 2000 Menschen auf dem Platz, am Montag und Dienstag sind es etwa 1000, die sich versammeln.

Trumps gefährliches Kalkül

Die Zunahme von Gewalt und Gegengewalt gehört in Trumps Kalkül. Auf seinem Haussender Fox News laufen fortwährend Bilder, die die Brutalität der Demonstranten belegen sollen, "die kranken und gestörten Anarchisten und Agitatoren", wie der Präsident sie nennt. So soll der Eindruck erweckt werden, die Stadt befinde sich auf dem Weg in den Bürgerkrieg. Und den, so die Botschaft, kann nur der Präsident mit seiner Politik von Law and Order beenden.

Dabei ist Portland bei aller Härte der Auseinandersetzung von einem Bürgerkrieg weit entfernt. Die Proteste spielen sich in einem kleinen Bereich der Innenstadt ab. Wer sich einige Blocks entfernt, bekommt davon nichts mehr mit. Als Krieg findet das Ganze vor allem in konservativen Medien statt.

Am Montag halten sich die Bundespolizisten zunächst zurück. Vor dem Justizgebäude sind wieder die Mütter und eine Gruppe Veteranen aufgezogen. Diese sind üblicherweise in Sachen öffentliche Ordnung eher konservativ eingestellt. Seit vor einigen Tagen die Polizisten einem Marine-Veteranen, der die Beamten an ihren Amtseid erinnerte, die Hand gebrochen haben, hat die Gruppe jedoch großen Zulauf.

Gegen 21.50 Uhr ziehen vor dem Gerichtsgebäude Spezialkräfte mit großen Schilden auf. Es sind knatternde Gewehrsalven zu hören. "Pfeffermunition", sagt Carrie, eine Weiße, die seit Wochen dabei ist. "Sie fangen heute früh an. Offensichtlich haben sie etwas Neues vor."

Dann passiert erst einmal lange gar nichts. Einige Demonstranten schmeißen Feuerwerkskörper, Flaschen und Müll hinter den Zaun, um die Beamten, die sich wieder in das Justizgebäude zurückgezogen haben, zu provozieren. "Wie findet ihr das eigentlich?", fragt eine junge Frau, die ihre Augen mit einer Schwimmbrille schützt und sich mit Sarah vorstellt. "Für unsere Sache ist das doch nicht gut."

Eine neben ihr stehende Demonstrantin widerspricht: "Ich mache es auch nicht, aber wir sollten nicht darüber urteilen, auf welche Art andere ihren Protest äußern." Das ist eine diplomatische, aber nicht unbedingt eine kluge Haltung.

Kampf gegen Rassismus, Kampf gegen die "Feds"

Zwar wird von den Demonstranten immer wieder der Slogan "Black Lives Matter" angestimmt. Das mag ehrlich gemeint sein. Tatsächlich geht es aber vielen der überwiegend weißen Männer und Frauen mittlerweile um den Kampf gegen die "Feds", die Bundesbeamten.

Die Demonstranten wollen der Gewalt nicht weichen, für die sie Trump und die von ihm geschickten Sicherheitskräfte verantwortlich machen. Damit tappen sie in die Falle, die der Präsident ihnen gestellt hat. Es ist die Konfrontation, die Trump herbeisehnt. Nichts wäre für seinen Versuch, Chaos zu säen, schädlicher als eine friedlich endende Demonstration.

Die Chance, ihm diese Niederlage beizubringen, gäbe es an diesem Abend. Aber wer sich nach Mitternacht noch auf dem Platz aufhält, der sucht die Auseinandersetzung: Um 1.45 Uhr rücken die Polizisten schließlich aus dem Gebäude aus und schießen Pfeffermunition und Tränengasgranaten in die stark ausgedünnte Menge. Einige Demonstranten versuchen, die Gase mit Laubbläsern wegzupusten. Viele flüchten.

So endet der Abend wie viele andere in den vergangenen Wochen. Die Demonstranten sind zufrieden, weil sie es den verhassten "Feds" gezeigt haben. Trump ist zufrieden, weil es wieder Chaos-Berichterstattung geben wird. Wer wirklich Grund zur Zufriedenheit hat, wird man erst nach der Wahl im November wissen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren