Trump–Impeachment II Prozess mit Hindernissen
Douglas Lawrence, US-Verfassungsexperte
»Es ist historisch, da dies bei Weitem das schwerwiegendste Verbrechen ist, das einem Präsidenten je vorgeworfen wurde.«
Der Angeklagte
Das zweite Impeachmentverfahren bringt Donald Trump zwar wieder zurück in die Schlagzeilen – aber kaum live vor den Senat. Der Hauptprotagonist des historischen Amtsenthebungsverfahrens wird den Prozess eher aus sicherer Entfernung beobachten.
Douglas Lawrence, Juraprofessor Amherst College
»Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass er aussagen wird. Ich glaube aber auch nicht, dass er Golf spielen wird. Er wird den Prozess sehr genau beobachten, wie er es Berichten zufolge schon am ersten Verhandlungstag tat. Er schaute sehr genau zu und war offenbar nicht besonders glücklich über die Ausführungen seiner Verteidiger.«
Bruce Castor, Trump-Anwalt, 9. Februar 2021
»Ich bin ganz ehrlich mit Ihnen. Wir haben unsere Pläne geändert, da die Präsentation der Anklage wirklich gut war.«
Donald Trump, US-Präsident, 6. Januar 2021
»Kämpft wie der Teufel. Wenn Ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet Ihr kein Land mehr haben.«
Die Anklage lautet: »Anstiftung zum Aufruhr«. Als Beweismittel legten die Demokraten aufwühlende Videos von dem Sturm auf das Kapitol vor, gegen geschnitten mit Teilen aus der Rede des Präsidenten und seinen Tweets. Trumps Verteidigungs-Team wird mit Redefreiheit dagegenhalten müssen.
Douglas Lawrence, US-Verfassungsexperte
»Sie werden argumentieren, dass dies nur eine politische Meinungsäußerung war. Dass, wenn Trump dazu aufruft, wie Teufel für das Land zu kämpfen, dies nur die Art von überhöhter Rhetorik ist, an die wir von Politikern gewöhnt sind. Das ist die Art von Argument, die wir hören werden.«
Das Verfahren
Die republikanischen Senatoren lehnten mehrheitlich den gesamten Prozess ab – mit der Begründung, die Verfassung erlaube es nicht, einen Präsidenten schuldig zu sprechen, der nicht mehr im Amt sei. Doch die Mehrheit der Senatoren erklärte den Prozess als verfassungsgemäß. Damit ist der Weg frei für das weitere – sehr besondere – Prozedere.
Douglas Lawrence, Juraprofessor Amherst College
»Das Amtsenthebungsverfahren sieht einerseits aus wie ein Strafprozess. Gleichzeitig ist es aber auch so etwas wie eine politische Debatte. Es ist also ein ungewöhnlicher Zwitter: nicht das eine oder das andere. Es hat die Qualitäten von beidem: Elemente eines Strafverfahrens, aber auch Elemente des politischen Theaters.«
Einer der vielen Darsteller ist der sogenannte »QAnon Schamane« alias Jacob Chansley. Er erklärte sich durch seinen Anwalt bereit, vor dem Senat auszusagen. Er fühle sich von Trump »betrogen«, nachdem dieser ihn nicht begnadigt hatte. Doch Zeugen dieser Art werden vermutlich nicht vor dem Senat auftreten.
Douglas Lawrence, Juraprofessor Amherst College
»In einem typischen Strafverfahren hätten wir Zeugenaussagen – aber hier werden wir wahrscheinlich nicht viele Zeugen hören. Sie werden durch die Videoaufnahmen ersetzt. Und natürlich müssen wir auch bedenken, dass wir eigentlich keine Zeugen brauchen. Denn die Senatoren waren an diesem Tag dort, sie wissen, was passiert ist. Sie waren es, die von den Aufständischen ins Visier genommen wurden.«
Die Herausforderungen
Den Vorsitz in einem Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten übernimmt traditionell der Oberste Richter, der Vorsitzende des Supreme Courts. Verfassungsrichter John Roberts, ein Konservativer, beaufsichtigte bereits das erste Impeachmentverfahren gegen Donald Trump. Diesmal ist Trump aber nicht mehr Präsident, Roberts verzichtete auf den Job. Für ihn sprang der dienstälteste Senator Patrik Leahy ein. Der vorläufige Senatsvorsitzende ist 80 Jahre alt und ein Demokrat –einigen Republikanern ist das ein Dorn im Auge.
Ebenfalls außergewöhnlich: Alle Senatoren, die am 6. Januar im Kapitol waren, sind selbst Zeugen in dem Verfahren. – allerdings in der Rolle von Geschworenen. Die zweite Parlamentskammer ist Gerichtshof – und Ort des Verbrechens zugleich.
Douglas Lawrence, US-Verfassungsexperte
»Außerdem gibt es da noch die Mitverschwörer. Leute wie Ted Cruz, der Senator aus Texas oder Josh Hawley. Das sind Leute, die Trump Beihilfe geleistet haben. Und so ist es etwas ironisch, dass diese Leute ein Urteil über eine Person fällen, deren Verbrechen oder Übertretungen sie am 6. Januar unterstützt haben.«
Die Erfolgsaussichten
Der Senat kann Trump mit einer Zweidrittelmehrheit schuldig sprechen. Momentan besteht der Senat aus 50 Republikanern und 48 Demokraten, sowie 2 Unabhängigen, die mit den Demokraten einen Wahlausschuss bilden. Für einen Schuldspruch brauchen die Demokraten mindestens 17 Stimmen republikanischer Senatoren. Das erscheint bislang als sehr unwahrscheinlich.
Douglas Lawrence, US-Verfassungsexperte
»Im Grunde bedeutet das, dass die Verfassung keine Abhilfe für diese Art von Angriff auf die amerikanische Demokratie bietet. Wenn man genauer darüber nachdenkt, schafft es gewissermaßen perverse Anreize. Denn ein Freispruch besagt ja, dass jeder Präsident, der eine Wahl verloren hat, einen Anreiz hat, sich derselben autokratischen Mittel zu bedienen wie Trump es getan hat – weil er keine Konsequenzen zu befürchten hat. Und das ist ein sehr schlechtes Ergebnis.«
Das Verfahren könnte schon in der kommenden Woche beendet sein. Das erste Impeachmentverfahren gegen den US-Präsidenten resultierte nach drei Wochen in einem Freispruch. Auf eine so lange Trump-Show möchten die Demokraten diesmal verzichten.