Rumäniens Präsident Klaus Johannis Ein Hetzer als Karlspreisträger

Gilt als besonnen, ist nun als Hetzer aufgefallen: Klaus Johannis, Rumäniens deutschsprachiger Präsident
Foto: Maurizio Gambarini/ DPARumäniens Staatspräsident Klaus Johannis galt bislang als ein Politiker, der nationalistischen Versuchungen widersteht. Im Osten Europas ist das unter Staats- und Regierungschefs schon seit Längerem nicht mehr die Regel.
Deshalb bekommt Johannis in diesem Jahr den Aachener Karlspreis - eine Auszeichnung, die hochrangigen Persönlichkeiten für besondere Verdienste um die europäische Verständigung verliehen wird.
Johannis gehört in Rumänien zur Minderheit der Siebenbürger Sachsen, die nach dem Zweiten Weltkrieg kollektiv unter Faschismusverdacht stand und wie alle Minderheiten des Landes leidvolle Erfahrungen mit dem grotesken Nationalismus der Ceausescu-Diktatur machen musste.
Doch nun betreibt Johannis selbst ein politisches Spiel mit einem der übelsten Klischees rumänischer Nationalisten - dem Mythos, dass Ungarn eine Abspaltung des Landesteiles Siebenbürgen anstrebe und die ungarische Minderheit Rumäniens dabei als fünfte Kolonne benutze.
Den Streit um ein Autonomiegesetz für die ungarische Minderheit nahm Johannis vergangene Woche zum Anlass für eine dramatische Erklärung, die im Land einen politischen Skandal auslöste.
Während er als Staatspräsident zusammen mit der Regierung versuche, gegen die Corona-Pandemie zu kämpfen, so Johannis, hätten Vertreter der ungarischen Minderheit zusammen mit den oppositionellen Sozialdemokraten ein Komplott geschmiedet. "Sie kämpfen in den geheimen Büros des Parlaments dafür, Siebenbürgen den Ungarn zu geben", sagte Johannis.
Vordergründig ging es bei seinem Auftritt um ein kontroverses Autonomiestatut für die ungarische Minderheit in der ostsiebenbürgischen Region Szeklerland.
Ein entsprechendes Gesetz war vor Kurzem von der Unterkammer des rumänischen Parlaments irrtümlich verabschiedet worden, weil es nach einer bestimmten Frist ohne Plenardebatte als automatisch angenommen gilt.
Allerdings war von vornherein klar, dass die Oberkammer das Gesetz zurückweisen würde - was vergangene Woche auch geschah, am Tag der viel diskutierten Rede von Johannis.
Er sprach den Chef der Sozialdemokraten, Marcel Ciolacu, dennoch persönlich an: "Was hat ihnen der Führer aus Budapest, Viktor Orbán, dafür versprochen?" Der Staatschef sprach in seiner Rede gar einige ungarische Wörter in hämisch-parodistischer Weise aus – auch das ein Versatzstück aus dem Fundus des rumänischen Nationalismus.
Verschwörungstheorien zur Abspaltung Siebenbürgens brachten Rumänien im März 1990 an den Rand eines Bürgerkrieges. Bis heute hetzen rumänische Nationalisten gern kollektiv gegen die knapp anderthalb Millionen Ungarn im Land.
Doch Johannis' jüngster Auftritt ist im postkommunistischen Rumänien ohne Beispiel. Präzedenzlos ist auch, dass ein Staatsoberhaupt eines EU-Landes einem EU-Nachbarn vorwirft, mitten in der Coronakrise separatistische Pläne zu verfolgen.
Entsprechend schockiert zeigte sich ein großer Teil der rumänischen Öffentlichkeit. Zahlreiche Politiker und prominente Publizisten verurteilten Johannis' Aussagen als Rückfall in die Zeit der nationalistischen Wirren vor der Jahrtausendwende. Sie verlangten vom Präsidenten eine Entschuldigung. Auch die rumänische Antidiskriminierungsbehörde CNCD befasst sich mit seinen Aussagen.
Im Nachbarland Ungarn reagierte Viktor Orbán eher besonnen. Zwar habe er solche Sätze "nicht einmal in den schlimmsten antidemokratischen, verworrenen Zeiten aus Rumänien gehört", so Orbán. Er würde aber bis zur Klärung von Johannis' Aussagen empfehlen, sich nicht "nach dem vor uns hingeworfenen Handschuh" zu bücken.