Parlamentswahl in Rumänien Machtwechsel ohne Wandel

Rumänien vor dem Wandel? Am Sonntag wird das Parlament gewählt
Foto: MIHAI BARBU / AFPAls der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis rumänischer Staatspräsident wurde, jubelten ihm Hunderttausende Wähler zu. Der politische Außenseiter versprach, Rumänien grundlegend zu ändern: mehr Rechtsstaat, Transparenz und gute Regierungsführung, ein Ende von Korruption und Vetternwirtschaft. Ein »Rumänien der gut gemachten Sache«, so sein Wahlmotto.
Das war Ende 2014. Umsetzen konnte Johannis seither so gut wie nichts. Ihm fehlte die parlamentarische Mehrheit für eine stabile Reformregierung. Er selbst verfügt als Präsident nur über wenige innenpolitische Vollmachten.
Rumänien versank in den vergangenen Jahren in politischen Blockaden, Instabilität und Staatskrisen. Seit 2015 hatte das Land zehn verschiedene Regierungen, auf dem Posten des Premiers wechselten sich zwölf Politiker ab. Eine vorgezogene Wahl zu erzwingen, gelang Johannis nicht.
An diesem Sonntag nun findet die reguläre Parlamentswahl statt. Und nun soll endlich alles anders werden, verspricht Johannis, diesmal wirklich. Der Staatschef hofft, dass die ihm nahestehende Nationalliberale Partei (PNL) große Siegerin der Wahl wird – und die jahrzehntelang dominierenden wendekommunistisch-nationalistischen Sozialdemokraten von der politischen Bildfläche verschwinden.
Die Nationalliberalen führen seit einem Jahr eine Minderheiten- und Interimsregierung unter Premier Ludovic Orban an. Wegen seines schlechten Corona-Managements und der hohen Infektionszahlen im Land wird Orban spöttisch »Lucovid« genannt. Umfragen sehen die PNL dennoch als eindeutige Favoritin mit etwa 30 Prozent der Stimmen. Ihre Wähler hat sie im urbanen Mittelklassemilieu und in der großen Diaspora in Westeuropa.
Dass die sozialdemokratische PSD gänzlich an den Rand gedrängt wird, ist unwahrscheinlich. Aktuell profitiert die PSD vom schlechten Corona-Management der Regierung. Nach wie vor ist sie auch im ländlichen Milieu stark. In Umfragen liegt sie nur wenige Prozent hinter den Nationalliberalen.
Als dritte Kraft und Koalitionspartner der PNL könnte sich das liberal-grüne Parteibündnis »Union Rettet Rumänien – Partei der Freiheit, Einheit und Solidarität« (USR-Plus) etablieren. Die beiden jungen Reformparteien treten erstmals in dieser Form bei einer nationalen Wahl an. Vor allem die USR, die vor vier Jahren von Bukarester Bürger- und Umweltaktivisten gegründet wurde, verkörpert für viele junge Menschen die Hoffnung auf grundlegende Veränderungen im Land.
Die braucht Rumänien dringend. Das Bildungs- und Gesundheitswesen sind in einem desolaten Zustand – viele Bürger empfinden das als gravierendstes Problem im Land. Erst vor wenigen Tagen zeigten Medien schockierende Aufnahmen aus dem Kreiskrankenhaus im westrumänischen Reschitza.
Zu sehen sind halb nackte Patienten in völlig verdreckten Zimmern, kaputte Sanitäreinrichtungen und verschimmelte Wände. Das sei leider die hilflose Realität im rumänischen Gesundheitswesen, lautete der Kommentar der Krankenhausdirektorin.
Auch ökonomisch und infrastrukturell bewegt sich Rumänien seit vielen Jahren nicht weg vom Status des nach Bulgarien ärmsten und rückständigsten EU-Landes. Einzig der IT-Sektor, der in einigen Metropolen boomt, ist ein echtes wirtschaftliches Erfolgskapitel im Land.
Insgesamt treiben Armut und Perspektivlosigkeit die rumänischen Bürger massenweise in das Ausland: Schätzungsweise vier Millionen Menschen arbeiten zeitweilige oder ganz im Ausland.
Rumänien leidet unter Korruption der politischen Klasse
Weitgehender Stillstand herrscht auch bei rechtsstaatlichen Reformen und dem Kampf gegen Korruption. In den vergangenen Jahren haben Regierungen der Sozialdemokraten einstige Justizreformen rückgängig gemacht und den Kampf gegen Korruption stark abgeschwächt.
Staatspräsident Johannis und der siegessichere Premier Orban versprechen nun, dass die Wahl ein »Wendepunkt« sein werde. Rumänien, so Orban, habe die Chance auf vier Jahre politischen Frieden und einen umfassenden Modernisierungsprozess, er werde eine verantwortungsvolle Regierung führen.
Doch ein echter Wandel wird in Rumänien wohl ausbleiben. Johannis, persönlich integer und als Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu) in Siebenbürgen einst erfolgreich, ist ein schwacher und erfolgloser Staatspräsident, der in Bukarest fehl im Amt wirkt. Und die Nationalliberalen pflegen eine Günstlingswirtschaft, ähnlich wie die Sozialdemokraten.
Sachkenntnis versus Parteimitgliedschaft
Davon zeugt ein Skandal, der kurz vor der Wahl die rumänische Öffentlichkeit aufrüttelt:
In einem Video, binnen weniger Tage mehr als eine Million Mal angeklickt, spricht der abgesetzte parteilose Direktor eines Wasserwirtschaftsamtes in Siebenbürgen unter Tränen darüber, wie er im Frühjahr gezwungen wurde, seinen Posten zugunsten eines nationalliberalen Parteifunktionärs aufzugeben.
Der wiederum gibt vor laufender Kamera zu, dass er von Wasserwirtschaft keinerlei Ahnung hat.
Es geht um Sachkenntnis versus Parteimitgliedschaft und um die Politisierung der Verwaltung – in Rumänien ein allseits bekanntes, aber nie gelöstes Problem.
Zumindest in diesem Fall reagierten Präsident und Premier prompt: Johannis nannte den Fall »inakzeptabel«. Und Orban ordnete umgehend die Entlassung seines Parteifreundes an.