Reaktionen auf russischen Angriff »Die Welt wird Russland zur Rechenschaft ziehen«

US-Präsident Joe Biden
Foto: BRENDAN SMIALOWSKI / AFPUS-Präsident Joe Biden hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, »vorsätzlich« einen »Krieg« gegen die Ukraine begonnen zu haben. Dieser sei unprovoziert und ungerechtfertigt. Russland allein sei verantwortlich für die dadurch ausgelösten Todesfälle und das menschliche Leid, erklärte Biden am Mittwochabend amerikanischer Ortszeit. »Die Welt wird Russland zur Rechenschaft ziehen.«
Biden erklärte, er werde die Situation im Laufe der Nacht weiter im Weißen Haus beobachten und von seinem Sicherheitsteam unterrichtet werden. Am Donnerstagmorgen amerikanischer Ortszeit wolle er sich dann wie bereits geplant mit seinen Amtskollegen aus der Gruppe der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen (G7) über die weitere Vorgehensweise beraten.
Im Anschluss werde er sich ans amerikanische Volk wenden, um die weiteren Maßnahmen der USA und der Verbündeten gegen Russland anzukündigen, so Biden. »Heute Nacht beten Jill und ich für die tapferen und stolzen Menschen der Ukraine.«
Biden telefoniert mit Selenskyj
Biden sprach zudem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er habe ihn über die weiteren geplanten Maßnahmen, inklusive »harter Sanktionen«, gegen Russland unterrichtet, erklärte Biden.
Die USA, die EU und weitere Verbündete haben wegen Russlands Vorgehen in der Ukraine bereits Sanktionen verhängt. Der Westen hatte betont, bei den Strafmaßnahmen habe es sich nur um erste Sanktionen gehandelt, die deutlich ausgebaut würden, falls Russland in die Ukraine einmarschieren sollte.
Russischer Angriff gilt offenbar dem ganzen Land
Der russische Angriff auf die Ukraine hatte in der Nacht zum Donnerstag begonnen – offenbar gilt er dem ganzen Land. In mehreren ukrainischen Städten, darunter auch in der Hauptstadt Kiew, waren seitdem Explosionen zu hören. (Alle aktuellen Entwicklungen zu dem Konflikt finden Sie hier im News-Blog.)
Das ukrainische Innenministerium teilte mit, dass Kiew mit Marschflugkörpern und ballistischen Raketen angegriffen worden sei. Selenskyj teilte mit, Explosionen seien in vielen ukrainischen Städten zu hören gewesen. Russland habe die Infrastruktur des Landes sowie Grenzposten angegriffen. Er rief das Kriegsrecht aus.
Explosion in Kiew am Donnerstagmorgen, 24. Februar 2022, Video: Earthcam via YouTube
Meldungen über Gefechte gab es auch aus anderen Landesteilen. Auch im Norden der Ukraine an der Grenze zu Belarus rücken russische Einheiten vor. (Lesen Sie hier mehr über den aktuellen Stand der Gefechte)
Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin eine Militäroperation in den Regionen Luhansk und Donezk angekündigt. »Ich habe die Entscheidung für eine Militäroperation getroffen«, sagte Putin in einer Fernsehansprache in der Nacht zum Donnerstag. Er forderte das ukrainische Militär auf, »die Waffen niederzulegen«, und drohte bei jeglicher Einmischung in den russischen Einsatz Vergeltung an. In einem solchen Fall ausländischer Intervention sei mit »Konsequenzen, wie man sie noch nicht gesehen hat«, zu rechnen, so der Kremlchef.
Ukraine spricht von Angriffskrieg, Nato beruft Krisensitzung ein
Der ukrainischer Außenminister Dmytro Kuleba nannte den russischen Angriff eine groß angelegte Invasion der Ukraine und einen »Angriffskrieg«. Friedliche ukrainische Städte stünden unter Beschuss. »Die Ukraine wird sich verteidigen und gewinnen. Die Welt kann und muss Putin stoppen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt gekommen.« Kuleba forderte in einem knappen Tweet »verheerende Sanktionen« gegen Russland, »inklusive Swift«. Eine Abkopplung Russlands von dem internationalen Zahlungssystem war im Westen bereits vorher diskutiert worden. Russland müsse vollständig isoliert werden, so Kuleba weiter. Die Ukraine brauche Waffen und Ausrüstung sowie finanzielle und humanitäre Unterstützung.
Vertreter der 30 Nato-Staaten kommen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine zu einer Krisensitzung zusammen. Die Beratungen des Nordatlantikrats in Brüssel sollten um 8.30 Uhr beginnen, teilte eine Vertreterin Großbritanniens mit.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte den russischen Angriff. Der »rücksichtslose und unprovozierte« Angriff bringe »die Leben zahlloser Zivilisten« in Gefahr, erklärte Stoltenberg am Donnerstag. »Einmal mehr, trotz unserer wiederholten Warnungen und nimmermüden diplomatischen Bemühungen hat Russland den Weg der Aggression gegen ein souveränes und unabhängiges Land gewählt«, erklärte Stoltenberg. Die Ukraine ist kein Mitglied der Nato. Das westliche Verteidigungsbündnis hatte bereits zuvor klargemacht, im Falle eines russischen Angriffs nicht militärisch reagieren zu wollen.
China rief zur Zurückhaltung auf. »China beobachtet die aktuelle Situation sehr genau«, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking am Donnerstag bei einer planmäßigen Pressekonferenz. »Wir rufen alle Parteien auf, Zurückhaltung zu üben und zu verhindern, dass die Situation außer Kontrolle gerät.«
Die deutsche Bundesregierung sprach bei einer kurzfristig anberaumten Dringlichkeitssitzung des Uno-Sicherheitsrates in New York vom größten militärischen Konflikt seit Jahrzehnten in Europa. Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte den Angriff als »eklatanten Bruch des Völkerrechts«. Er sei durch nichts zu rechtfertigen. »Deutschland verurteilt diesen rücksichtslosen Akt von Präsident Putin aufs Schärfste. Unsere Solidarität gilt der Ukraine und ihren Menschen«, erklärte Scholz. Er forderte Russland auf, diese Militäraktion sofort einzustellen. »Dies ist ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein dunkler Tag für Europa.«
»Ich bin entsetzt über die schrecklichen Ereignisse in der Ukraine«, schrieb der britische Premierminister Boris Johnson auf Twitter. Er habe mit dem ukrainischen Präsidenten gesprochen, um über die nächsten Schritte zu beraten. »Mit diesem unprovozierten Angriff auf die Ukraine hat Präsident Putin sich für einen Weg des Blutvergießens und der Zerstörung entschieden. Das Vereinigte Königreich und unsere Verbündeten werden entschlossen reagieren.«
Der finnische Präsident Sauli Niinistö schrieb, die russische Attacke richte sich zwar gegen die Ukraine, sei aber gleichzeitig ein Angriff auf die gesamte europäische Sicherheitsordnung. »Wir empfinden tiefes Mitgefühl für die Ukraine und suchen nach Möglichkeiten, unsere Unterstützung für die Ukraine zu verstärken.«
Der lettische Staatspräsident Egils Levits sagte im Radio, dass die drei baltischen Staaten und Polen um Konsultationen über weitere Nato-Maßnahmen zur Stärkung der regionalen Sicherheit bitten werden. Ähnlich äußerten sich Verteidigungsminister Artis Pabriks und Regierungschef Krisjanis Karins. Karins forderte Konsultationen nach Nato-Artikel 4. Er sieht Beratungen vor, wenn sich ein Nato-Land bedroht fühlt.
Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis betonte, die Ukraine kämpfe nicht nur für sich, »sondern für uns in der Region, für Europa und für alle in der demokratischen Welt. Es ist unsere Pflicht, Russland nicht nur für sein Handeln zu bestrafen, sondern der Ukraine mit allen verfügbaren Mitteln zu helfen. Jetzt.«
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte »schärfste Sanktionen« gegen Russland. »Europa und die freie Welt müssen Putin stoppen«, ergänzte er. »Unsere Unterstützung für die Ukraine muss echt sein.«
Der kanadische Premier Justin Trudeau verlangte einen Abzug der russischen Truppen. Man arbeite an weiteren »signifikanten Sanktionen«. Russlands dreistes Vorgehen werde nicht ungestraft bleiben.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich ähnlich. Die EU verurteile die »beispiellose militärische Aggression Russlands« und stehe an der Seite der Ukraine. Die Staats- und Regierungschefs würden weitere restriktive Maßnahmen gegen Russland erörtern und zügig verabschieden. In diesen dunklen Stunden seien ihre Gedanken bei den unschuldigen Frauen, Männern und Kindern, so von der Leyen. Sie ständen einem unprovozierten Angriff gegenüber und müssten nun um ihr Leben fürchten.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drängte ebenfalls auf ein Ende der Invasion. »Frankreich ist solidarisch mit der Ukraine. Es steht den Ukrainern zur Seite und arbeitet mit seinen Partnern und Verbündeten daran, den Krieg zu beenden.«
Ungarn erklärte, man stehe an der Seite der Ukraine und setze sich für die territoriale Unversehrtheit und Souveränität des Landes ein. Russland erwähnte Außenminister Peter Szijjarto allerdings nicht. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán pflegt seit Jahren ein freundschaftliches Verhältnis zum russischen Präsidenten.