Weiteres Urteil Russisches Gericht löst Menschenrechtszentrum von Memorial auf

Russlands oberstes Gericht hat am Dienstag die Menschenrechtsorganisation Memorial verboten – jetzt gab es in Moskau eine weitere Entscheidung in dem Fall.
Journalisten verfolgen die Anhörung in Moskau per Livestream

Journalisten verfolgen die Anhörung in Moskau per Livestream

Foto: EVGENIA NOVOZHENINA / REUTERS

Ein Gericht in Moskau hat am Mittwoch die Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial angeordnet. Das Urteil erging einen Tag, nachdem das Oberste Gericht Russlands bereits ein Verbot der Dachorganisation Memorial International verfügt hatte. Das Menschenrechtszentrum Memorial setzte sich bisher für die Rechte politischer Gefangener in Russland sowie von Minderheiten wie Migranten und Homosexuellen ein.

Jan Ratschinski von der Memorial-Leitung kündigte an, gegen das Urteil auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzugehen. Dafür habe man nun 30 Tage Zeit.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Menschenrechtszentrum Memorial vorgeworfen, »aktiv« extremistische Organisationen unterstützt und selbst »Menschenrechte und Freiheiten verletzt« zu haben. Dies rechtfertige eine Auflösung der Organisation.

Ein Vertreter des Anwaltsteams von Memorial sagte der Nachrichtenagentur AFP bereits vor Beginn der Anhörung, das Team rechne fest mit einer Verurteilung des Menschenrechtszentrums und einem anschließenden Verbot. Dies sei »offensichtlich«.

Das Menschenrechtszentrum Memorial legt den Fokus auf die Rechte politischer Gefangener in Russland sowie von Minderheiten wie Migranten und Homosexuellen. Jedes Jahr veröffentlicht das Zentrum eine Liste mit politischen Gefangenen. Zuletzt wies das Zentrum auch immer wieder auf das Schicksal des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hin, dessen Organisationen in Russland als »extremistisch« eingestuft sind.

Am Dienstag hatte Russlands Oberstes Gericht die Auflösung der internationalen Menschenrechtsorganisation verfügt und ohne Angaben von Gründen einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen russische Gesetze stattgegeben. Memorial war bereits mehrfach zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sich die Organisation selbst nicht als ausländischer Agent bezeichnet. Das entsprechende umstrittene Gesetz sieht vor, dass Empfänger von Zahlungen aus dem Ausland als »Agenten« gekennzeichnet werden können.

Internationale Kritik nach Verbot der Menschenrechtsorganisation

Das Urteil löste international Entsetzen aus. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, die Entscheidung »widerspricht internationalen Verpflichtungen zum Schutz grundlegender Bürgerrechte, die auch Russland eingegangen ist«. Kritik kam aus den USA und von der EU.

Das Vorgehen gegen Memorial ist der mit Abstand schwerste Schlag gegen die russische Menschenrechtsbewegung. Die Organisation hat sich seit mehr als 30 Jahren international einen Namen mit der Aufarbeitung der kommunistischen Gewaltherrschaft in der Sowjetunion gemacht. Sie setzt sich zudem für politische Gefangene ein. Memorial will gegen die Auflösung gerichtlich vorgehen.

Die Staatsanwaltschaft warf dem Menschenrechtszentrum von Memorial in dem abgetrennten Verfahren unter anderem auch Intransparenz bei den Finanzen vor. Die Organisation wies die Vorwürfe zurück und beklagte ihrerseits politische Verfolgung. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten wieder viele Menschen gegen das Urteil.

svs/AFP/dpa

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