Reaktionen auf Memorial-Verbot »Ein schrecklicher Verlust für das russische Volk«

Russlands bekannteste Menschenrechtsorganisation wird verboten, die internationale Kritik an der Entscheidung ist vernichtend. Memorial-Aktivisten wollen das Gerichtsurteil anfechten.
»Wir werden für immer leben« – ein Unterstützer der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial protestiert vor dem Obersten Gerichtshof in Moskau

»Wir werden für immer leben« – ein Unterstützer der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial protestiert vor dem Obersten Gerichtshof in Moskau

Foto: EVGENIA NOVOZHENINA / REUTERS

Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial International hat rechtliche Schritte gegen ihr gerichtlich angeordnetes Verbot angekündigt. »Wir werden die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Russlands auf jede erdenkliche Weise anfechten«, erklärte die Organisation. »Und wir werden rechtliche Möglichkeiten finden, um unsere Arbeit fortzusetzen.« Memorial-Anwältin Tatjana Gluschkowa sagte AFP, die NGO bereite eine Eingabe vor dem Berufungsgremium des Obersten Gerichts vor.

Russlands Oberstes Gericht hatte zuvor die Schließung Memorials verfügt. Richterin Alla Nasarowa gab der Agentur Interfax zufolge einem entsprechenden Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen russische Gesetze statt. Memorial weist die Vorwürfe zurück und beklagt politische Verfolgung.

Kritik aus Berlin, Paris, Warschau und Prag

International führte die Entscheidung zu erheblicher Kritik. Die Bundesregierung hat die gerichtlich angeordnete Auflösung als »mehr als unverständlich« kritisiert. Die Anordnung des Gerichts »widerspricht internationalen Verpflichtungen zum Schutz grundlegender Bürgerrechte, die auch Russland eingegangen ist«, erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Dienstag. »Die Entscheidung bereitet uns nicht zuletzt große Sorge auch deshalb, weil sie den Opfern von Unterdrückung und Repression die Stimme entzieht.«

Memorial leiste als Teil eines internationalen Netzwerks »einen unverzichtbaren Beitrag zur Erforschung, Dokumentation und Verhütung von schweren Menschenrechtsverletzungen und ist damit auch Ausdruck unseres gemeinsamen europäischen Selbstverständnisses, Verstöße gegen Menschenrechte klar zu benennen und aufzuarbeiten«, erklärte die Sprecherin.

Paris hat mit »Empörung« und »Besorgnis« auf die gerichtlich angeordnete Auflösung der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial International reagiert. Dies sei ein »schrecklicher Verlust für das russische Volk«, erklärte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Dienstag. Er fügte hinzu, die russische Bevölkerung habe ein Recht darauf, über seine Vergangenheit richtig informiert zu sein. Sie habe zudem das Recht auf eine Gesellschaft, die sich »auf die Grundwerte des Europarats« stütze.

Auch Tschechien zeigte sich beunruhigt über die Entscheidung des russischen Obersten Gerichts. Die Entscheidung sei »ein Symbol der Repression gegen die Zivilgesellschaft und der fehlenden unabhängigen Gerichtsbarkeit« in Russland, teilte das Außenministerium in Prag am Dienstag mit.

Russland schade mit dem Schritt in erster Linie seinen eigenen Bürgern. »Keine Gesellschaft kann lange ein Leben in Lüge über die eigene Geschichte führen«, hieß es weiter. Memorial setzt sich unter anderem mit den Verbrechen der Sowjetzeit auseinander.

Auch die polnische Regierung verurteilte das Verbot der russischen Bürgerrechtsrechtsorganisation. Polen werde die wunderbaren Menschen von Memorial niemals in Stich lassen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Warschau der Agentur PAP zufolge.

muk/dpa/AFP
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