Waldbrände in Russland "Wenn früher der Blitz in einen Baum fuhr, brannte der Baum. Jetzt brennt nicht nur der Baum"

Es hört nicht auf zu brennen: Ein Löschflugzeug in Russland
Foto: Uncredited/ dpaSibirien und die russische Arktis erleben in diesem Jahr ungewöhnlich hohe Temperaturen. Auch die Zahl der Waldbrände liegt ungewöhnlich hoch. Nach Schätzungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace standen Anfang Juli rund drei Millionen Hektar Wald in Flammen. Das entspricht annähernd der Fläche von Nordrhein-Westfalen. Schon im vergangenen Jahr hatte es in Sibirien verheerende Brände gegeben.
Zu den betroffenen Regionen gehört auch das Krasnojarsker Gebiet. Im Bezirk Bogutschany liegt in der Tajga das Dorf Artjugino. Es wurde 1930 für Forstarbeiter gegründet, heute leben dort noch 767 Einwohner; Tatjana Popowa, die Leiterin des Dorfsowjets, ist eine davon.
SPIEGEL: Frau Popowa, wie hat Ihre Siedlung die Waldbrände überstanden?
Popowa: Wir sind abgehärtete Sibirier, aber der Rauch hat uns zu schaffen gemacht. Unsere Siedlung liegt an der Angara und zwei ihrer Zuflüsse. Wenn es in den Bergen brennt und der Rauch über das Wasser zieht, dann ist das für uns schwierig.
SPIEGEL: Wann hat es denn bei Ihnen gebrannt?
Popowa: Wir hatten zwei Brände hintereinander: Ende Juni für vier Tage, und dann wieder Anfang Juli. Beide mal begann es mit einem Gewitter, weil ein Blitz einschlug. Früher gab es das nicht, weil der Wald anders bewirtschaftet wurde.
SPIEGEL: Aber Feuer durch Blitzschlag gab es doch früher auch?
Popowa: Wenn früher der Blitz in einen Baum fuhr, brannte der Baum. Jetzt brennt nicht nur der Baum, sondern auch noch all das Holz, das seit mehr als einem Jahr am Boden liegt und völlig ausgetrocknet ist. Das flammt sofort auf, die Brände breiten sich unglaublich schnell aus. Früher war das anders. Ich habe 30 Jahre in der Forstwirtschaft gearbeitet, und früher haben wir die gerodeten Flächen geräumt und dann neue Bäume gepflanzt. Heute holen sich die Privatunternehmer nach Belieben das erste Holz, und dann lassen sie alles andere liegen. Die sind nur am Geld interessiert und werden von der Forstaufsicht nicht gut genug kontrolliert.
SPIEGEL: Wie hat man Ihnen geholfen?
Popowa: Natürlich wurde sofort Alarm geschlagen, Flugzeuge und Hubschrauber waren da, man hat Feuerwehrleute abgesetzt, Bulldozer gebracht. Wenn das Feuer näher als drei Kilometer rückt, legt man mit Bulldozern Brandschneisen um die Dörfer - drei Streifen von jeweils drei Metern Breite.
SPIEGEL: Merken Sie etwas vom Klimawandel?
Popowa: Natürlich gibt es eine Erwärmung. Früher hatten wir bis zu 55 Grad Frost, 40 Grad minus war keine Besonderheit. Ich will nicht sagen, dass es heute keinen harten Frost mehr gibt, aber alles ist wechselhafter geworden: Heute 40 Grad minus, morgen nur noch 15 Grad minus. Mir persönlich fällt das schwer. Die meisten Einwohner hier sind schon älter, und die leiden unter diesen Temperaturunterschieden.
SPIEGEL: Und im Sommer?
Popowa: Die Jahreszeiten haben sich um einen Monat verschoben. In diesem Jahr begann der Frühling schon im April, die Leute spazierten schon im T-Shirt, im Mai konnte man schon im Garten die Pflanzen setzen. Jetzt herrscht gerade eine unglaubliche Hitze. Wahrscheinlich werden wir die Kartoffeln schon im August ernten statt im September.
SPIEGEL: Für die Landwirtschaft ist das doch gut?
Popowa: Eine richtige Landwirtschaft gibt es bei uns nicht mehr, die Sowchose hat schon vor mehr als 15 Jahren zugemacht. Aber wer privat Landwirtschaft betreibt, der hat es jetzt leichter.
Mitarbeit: Tatjana Sutkowaja