Überraschung in Moskau Russische Regierung tritt zurück

Die gesamte russische Regierung von Ministerpräsident Medwedew hat überraschend ihren Rücktritt angeboten, Präsident Putin nahm das Angebot an. Die Hintergründe sind noch unklar.
Wladimir Putin (l.) und Dmitrij Medwedew

Wladimir Putin (l.) und Dmitrij Medwedew

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Alexei Nikolsky/ Sputnik/ Kremlin Pool Photo/ AP

Dmitrij Medwedew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Er habe Präsident Wladimir Putin über diesen Schritt informiert, nachdem dieser eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt hatte, berichteten russische Nachrichtenagenturen. Putin werde eine neue Regierung berufen und wies das bisherige Kabinett an, bis dahin im Amt zu bleiben, meldete Interfax. Putin schlug später den Chef der Steuerbehörde, Michail Mischustin, als neuen Ministerpräsidenten vor. Mischustin habe dem bereits zugestimmt, meldete die Nachrichtenagentur RIA.

Die Nachrichtenagentur berief sich auf Medwedew. Dieser werde von Putin zum stellvertretenden Chef des Sicherheitsrates ernannt werden, ein Posten, der neu geschaffen wird. Dort solle er den Bereich der Verteidigung und Sicherheit verantworten, berichtete Interfax. Putin dankte der Regierung nach Angaben von Tass für ihre Arbeit. Es könne aber nicht alles gelingen, sagte er demnach nach einem Vieraugengespräch.

Die Regierung von Medwedew stand wegen der Wirtschaftskrise im Land unter großem Druck. Putin hatte erst kurz zuvor mehr Hilfen für einkommensschwache Familien versprochen. Die nächste Parlamentswahl war für Herbst 2021 geplant.

An diesem Mittwoch hatte Putin angekündigt, mit einer Verfassungsreform dem Parlament in Russland mehr Macht einräumen zu wollen. So sollen die Abgeordneten unter anderem künftig den Ministerpräsidenten bestimmen, wie Putin in einer Rede zur Lage der Nation sagte. Außerdem sollten die Kriterien für Präsidentschaftskandidaten verschärft werden. An dem starken Präsidialsystem wolle er aber festhalten. Dazu schlug er ein Verfassungsreferendum vor. Kritiker werfen Putin vor, bereits an seinem Machterhalt über das Jahr 2024 hinaus zu arbeiten, in dem seine Amtszeit als Präsident endet und er gemäß der Verfassung abtreten muss.

Amtszeit von Putin endet 2024

Putins Amtszeit läuft 2024 ab. Die Verfassung schreibt vor, dass der Präsident nur zweimal hintereinander amtieren darf. Der 67-Jährige wurde im Mai 2018 wiedergewählt. Er führt Russland praktisch seit Januar 2000 - zunächst zwei Amtszeiten lang bis 2008 als Präsident. Danach wechselte er für vier Jahre ins Amt des Ministerpräsidenten. 2012 wurde er erneut zum Präsidenten gewählt. Wie schon vier Jahre zuvor tauschten Putin und Medwedew die Ämter.

Medwedew ist in Russland sehr unbeliebt. Seit 2017 gibt es immer wieder Proteste der Opposition, die sich besonders gegen seine Person richten. Der Kremlkritiker Alexej Nawalny hatte mit Recherchen Korruption und Geldanhäufung des Politikers aufgedeckt und die Proteste angestoßen.

als/otr/Reuters/AP/AFP/dpa
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