Russland Redaktion der russischen »Nowaja Gaseta« mit chemischer Substanz angegriffen

Blumen vor dem Haus der erschossenen »Nowaja Gaseta«-Journalistin Anna Politkowskaja (Archivbild von 2006)
Foto: A2800 epa Kochetkov/ dpaDie russische Zeitung »Nowaja Gaseta« ist für ihre kritische Haltung zum Kreml bekannt. Nun ist nach Darstellung der Zeitung ein »Chemie-Angriff« auf das Redaktionsgebäude verübt worden. Das oppositionelle Medium schrieb auf seiner Homepage von einem »anhaltenden, scharfen chemischen Geruch« in seinen Räumlichkeiten in der Hauptstadt Moskau. Demnach waren Vertreter von Zivilschutz, Innenministerium und dem Inlandsgeheimdienst FSB für Untersuchungen vor Ort. Zunächst war unklar, um welche Substanz es sich handelte.
Zeitungsmitarbeiter habe der Geruch an eine Gasattacke Unbekannter auf Haus und Auto der Journalistin Julia Latynina im Jahr 2017 erinnert, hieß es. Latynina war wenig später ins Ausland geflüchtet. Mitarbeiter, die an Allergien leiden, seien in Sicherheit gebracht worden, sagte Chefredakteur Dmitri Muratow. Die Arbeit werde aber ansonsten fortgesetzt.
Immer wieder Angriffe
Die Investigativ-Zeitung »Nowaja Gaseta« zählt zu den wichtigsten unabhängigen Medien Russlands. Journalisten der »Nowaja Gaseta« sind in der Vergangenheit immer wieder Opfer von Angriffen geworden. Für besonderes Aufsehen sorgte 2006 der Fall der Reporterin Anna Politkowskaja, die in ihrem Haus in Moskau erschossen wurde. Nach langen Ermittlungen wurden 2014 mehrere Männer aus der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien verurteilt. Politkowskajas Familie und Ex-Kollegen vermuten ein politisches Motiv und fordern eine Suche nach den Hintermännern.
Im vergangenen Jahr hatte der autoritäre tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow der Zeitung wegen ihrer kritischen Berichterstattung über die Coronakrise offen gedroht. Der neuerliche Angriff auf die Zeitung »Nowaja Gaseta« erfolgte an dem Tag, an dem drei Nichtregierungsorganisationen in Moskau Strafanzeige gegen die russische Söldnergruppe Wagner stellten.
Enthüllungen über die Organisation Wagner
Bei der Strafanzeige geht es um die Ermordung eines Gefangenen in Syrien im Jahr 2017, für die Söldner der Organisation Wagner verantwortlich gemacht wurden. Die Strafanzeige stütze sich auf Enthüllungen der »Nowaja Gaseta«, erläuterte Muratow. Ein Video, das von der Zeitung veröffentlicht wurde, zeigt Männer, die mit einem Hammer auf einen Mann einschlagen, ihn zerstückeln und ihn schließlich anzünden.
Am Montag veröffentlichte die »Nowaja Gaseta« einen Bericht über Übergriffe, die sich in Tschetschenien ereigneten. Seit der Gründung der Zeitung 1993 gab es wiederholt Einschüchterungen, Angriffe und Mordanschläge. 2018 wurde der Zeitung der Kopf einer enthaupteten Ziege zugeschickt. Eigner der »Nowaja Gaseta« sind die Redaktion, der Geschäftsmann Alexander Lebedew und der frühere Sowjetführer Michail Gorbatschow.