Russischer Raketenbeschuss »Sie wollen uns alle auslöschen«
Russland trifft zivile Ziele in der Ukraine
»Sie wollen uns alle auslöschen«
Russland will den Ukrainern einen harten Winter bescheren: Bei den jüngsten Raketenangriffen zielte Moskau vor allem auf Energie-Infrastruktur. Die Menschen finden unterschiedliche Wege, mit Dunkelheit und Kälte umzugehen.
Eine zerstörte Schule in Mykolajiw, einer ukrainischen Hafenstadt am Schwarzen Meer. Russland hatte in der Nacht zum Dienstag vier Raketen auf die Stadt abgefeuert.
Iryna Siden, Lehrerin:
»Russland will unseren Kindern die Möglichkeit zum Lernen nehmen, ihnen die Schulen nehmen, den Lehrern die Arbeitsplätze und uns die Gesundheitsversorgung. Russland will uns vom Erdboden tilgen. Ich weiß nicht, warum, aber das ist meine Einschätzung. Sie wollen uns alle auslöschen.«
Ein weiteres Ziel: ein Wohnhaus, dessen Bewohner nur knapp überlebte.
Leonid Titov, Anwohner:
»Ich habe es irgendwie geschafft, mich unter den Trümmern zu befreien. Ich ging in ein anderes Zimmer, dort war das Bett mit Laub bedeckt. Ich habe die Blätter entfernt und mich dort wieder schlafen gelegt. Ich konnte nachts sowieso nichts sehen, es gab keinen Strom.«
Der Angriff auf Mykolajiw folgte auf eine Reihe russischer Raketenangriffe auf mehrere Städte am Montag. Moskau nahm dabei vor allem die Energie-Infrastruktur der Ukraine ins Visier.
In mehreren ukrainischen Regionen gibt es Einschränkungen bei der Stromversorgung. Das Licht wird zeitweise abgeschaltet, um eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern. Reparaturen laufen. Die Ukraine wirft Russland »Energieterror« vor mit dem Ziel, die Menschen in Dunkelheit, Kälte und Angst zu stürzen.
[TRENNER]
Die Stadt Isjum im Nordosten der Ukraine wurde vor kurzem von den ukrainischen Streitkräften zurückerobert. Die Menschen hier versuchen inmitten der Strom-, Wasser- und Gasknappheit unter schwierigen Bedingungen zu überleben, organisieren sich selbst Brennmaterial.
O-Ton:
»Auf die Minen habe ich nicht mehr geachtet. Die liegen hier ja überall. Ob du über eine stolperst oder nicht – das ist wie Roulette spielen. Gewonnen oder verloren. Ich habe nur die Bäume durchgesägt, die schon auf dem Boden lagen. Es gibt so viele, die von Panzern oder anderen Fahrzeugen platt gefahren worden sind.«
Die meisten Einwohner haben Isjum längst verlassen. Viele Wohnsiedlungen sind zerstört, die Geschäfte geschlossen. Die, die dageblieben sind, leben von Hilfsgütern der ukrainischen Armee und von Hilfsorganisationen. Das sagt dieser Bewohner. Das Essen reiche so für den Winter, aber die Heizung werde nicht schnell genug repariert sein.
O-Ton:
»Wir werden jetzt mit einem Brenner heizen. Was bleibt uns auch übrig? Hier wegzufahren? Das können wir nicht, dafür bräuchten wir Geld. Aber wir haben keins. Und wohin? Zu wem? Nein, wir können nur hierbleiben.«
Ein kleines bisschen Licht und Wärme im Krieg – dafür wollen auch Freiwillige in der Hauptstadt Kiew sorgen. Sie treffen sich regelmäßig, um Schützengrabenkerzen für die ukrainische Armee herzustellen.
Nino Nazarova, Organisatorin:
»Die Kerzen können verwendet werden, um einen Graben auszutrocknen, Essen zu kochen, was besonders wichtig ist, oder Wasser zu kochen und sich aufzuwärmen. Die Dosen sind mit einem Deckel versehen. Man kann sie also verschließen, in kochendes Wasser werfen und danach in die Jacke stecken. Das kann man oft wiederholen.«
Die Initiative hat nach eigenen Angaben mehr als 3000 Kerzen an die ukrainische Armee ausgeliefert. Die Kerzen kommen in Schützengräben im Süden und Osten des Landes zum Einsatz. Die Energiekrise in der Ukraine, ausgelöst durch Raketen, trifft alle Teile der Bevölkerung – Zivilisten und Truppen gleichermaßen.