Russischer Angriffskrieg USA nennen Wagner-Chef »Kriegsverbrecher« – und sondieren offenbar Sanktionen gegen China

Soldat der Wagner-Gruppe (am 29. Januar in Soledar im Donbass)
Foto: Ivan Noyabrev / ITAR-TASS / IMAGODas sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sein Land angesichts systematischer russischer Angriffe auf Energieeinrichtungen dafür gepriesen, einen »sehr schwierigen« Winter überlebt zu haben. »Wir haben diesen Winter überwunden«, sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner täglichen Ansprache.
»Es war eine sehr schwierige Zeit, und jeder Ukrainer hat diese Schwierigkeit erlebt, aber wir waren dennoch in der Lage, die Ukraine mit Energie und Wärme zu versorgen«, sagte Selenskyj. Der Staatschef fügte hinzu, dass es immer noch »eine Bedrohung des Energiesystems« gebe.

Wolodymyr Selenskyj
Foto: Ukrainian Presidential Office / ZUMA Wire / IMAGOZuvor hatte bereits der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärt, dass die Ukraine den schwierigsten Winter ihrer Geschichte überstanden habe. Mit dem Frühlingsbeginn am 1. März habe die Ukraine den »Winterterror« des russischen Präsidenten Wladimir Putin überstanden, gab er an.
Die russischen Streitkräfte hatten im Oktober damit begonnen, verstärkt die Energieinfrastruktur in der Ukraine mit Raketen und Drohnen anzugreifen. Für Millionen Menschen bedeutete dies Ausfälle von Wasser, Strom und Heizung bei eisigen Wintertemperaturen.
Die Streitkräfte der Ukraine haben die Lage an den Fronten des Landes nach Einschätzung von Selenskyj im Griff. »Wir haben jedes Gebiet an der Front unter Kontrolle«, sagte er seiner Videoansprache weiter. Allerdings müssten die Menschen im Hinterland der Fronten weiterhin unter den russischen Angriffen leiden. »Bewusster Terror«, sagte Selenskyj zu den russischen Artillerieangriffen auf Städte und Dörfer hinter den Fronten im Süden und Osten der Ukraine.
»Im größten Teil unseres Landes, wo es uns gelungen ist, für relative Sicherheit zu sorgen, können sie (die Bewohner) vielleicht nicht nachempfinden, wie das Leben der Menschen ist, die in den Grenzgebieten zu Russland und im Süden unseres Landes leben«, sagte Selenskyj. Dort seien die Menschen zwar nicht an der Front, aber dennoch direkt im Krieg. »Dort, wo Russland ständig versucht, alles zu zerstören, was die Menschen haben, ständig – und das ist keine Übertreibung.«
Die ukrainischen Streitkräfte seien bemüht, mit ihrem Einsatz die Sicherheit für diejenigen Menschen wiederherzustellen, die diese ständigen russischen Angriffe erdulden müssten: »Jede Bewegung unserer Fahne nach vorne wird die Sicherheit unseres Volkes erhöhen.«
Aufarbeitung von Kriegsverbrechen
US-Justizminister Merrick Garland hat den Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgenij Prigoschin, als »Kriegsverbrecher« bezeichnet. Das US-Justizministerium helfe Kiew dabei, seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine mutmaßlich begangene Kriegsverbrechen zu untersuchen, sagte Garland am Mittwoch in einer Anhörung des US-Senats. Darunter auch Verbrechen, die der Gruppe Wagner zugeschrieben werden.

Merrick Garland
Foto: Shawn Thew / EPA»Herr Prigoschin, der diese Sache leitet, ist meiner Ansicht nach ein Kriegsverbrecher«, sagte der Justizminister. Vielleicht sei es unangemessen, dies zu sagen, bevor alle Beweise vorlägen. »Aber ich denke, wir haben zu diesem Zeitpunkt mehr als genug Beweise, um mein Gefühl zu rechtfertigen«, fuhr Garland fort. Was die Gruppe Wagner in der Ukraine anrichte, sei »unfassbar«.
Der 61-jährige Prigoschin war ein Verbündeter des russischen Präsidenten Putin. Zuletzt allerdings hatte er mit äußerst scharfer Kritik an der russischen Armeeführung aufhorchen lassen. Dem russischen Generalstab warf er Verrat vor, weil seinen in der Ukraine kämpfenden Söldnern die Munition verwehrt werde. Russland weist diesen Vorwurf zurück.
Derzeit sind Wagner-Einheiten vor allem auch in den seit Monaten andauernden Gefechten um die ostukrainische Stadt Bachmut im Einsatz.
Internationale Reaktionen
Die USA sondieren nach Angaben von Insidern bei engen westlichen Verbündeten die Möglichkeit neuer Sanktionen gegen China. Dabei gehe es um Maßnahmen für den Fall, dass China Russland im Krieg gegen die Ukraine militärisch unterstütze, sagten mehrere Regierungsbeamte der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch.
Die Sondierungen seien noch in einem frühen Stadium. Sie sollten dazu dienen, die Unterstützung vor allem der G7-Gruppe der sieben führenden Industrieländer zu gewinnen, um eine Unterstützung für mögliche Maßnahmen zu koordinieren. Zu den G7 gehören neben den USA Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und Großbritannien. Um welche Sanktionen genau es gehen könnte, blieb offen.
Die USA hatten in den vergangenen Wochen wiederholt erklärt, China erwäge Waffenlieferungen an Russland. Die Regierung in China hat das zurückgewiesen.
Die ersten Sondierungsschritte der USA umfassten informelle Kontakte auf personeller und diplomatischer Ebene, inklusive des Finanzministeriums, sagten Insider. Der Grundstein für mögliche Maßnahmen gegen die Regierung in Peking solle mit der Kerngruppe von Ländern gelegt werden, die die Sanktionen gegen Russland nach dessen Invasion in der Ukraine vor einem Jahr am meisten unterstützten.
Was heute passiert
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußert sich ab neun Uhr in einer Regierungserklärung zu der von ihm vor einem Jahr konstatierten »Zeitenwende«. Drei Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hatte der Kanzler am 27. Februar 2022 in einer Sondersitzung des Bundestags verkündet: »Wir erleben eine Zeitenwende. Das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.«
Rund ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kommen die Außenminister der G20-Runde führender Wirtschaftsmächte zu Beratungen in Indien zusammen. Auf der Tagesordnung stehen in Neu-Delhi neben dem Krieg auch die globale Nahrungsmittel- und Energiekrise sowie die Entwicklungszusammenarbeit und die Terrorismusbekämpfung. Mit Spannung wird dabei der Auftritt von Russlands Außenminister Sergej Lawrow erwartet. Im vergangenen Juli hatte er beim G20-Außenministertreffen auf der indonesischen Ferieninsel Bali für einen Eklat gesorgt, als er direkt nach seiner Rede den Saal verließ und den Wortmeldungen seiner Kritiker nicht mehr zuhörte. Das G20-Treffen in Indien gilt als die erste große Konferenz seit Bali, bei der er mit westlichen Kolleginnen und Kollegen zusammentrifft.