Krieg in der Ukraine Moskau räumt höhere Opferzahl in Makijiwka ein

Einschlagsstelle in Makijiwka (am 3. Januar)
Foto: AP / dpaDas sagt Moskau
Nach den ukrainischen Angriffen auf eine russische Militärunterkunft in Makijiwka im Gebiet Donezk hat das Verteidigungsministerium in Moskau die Zahl der getöteten eigenen Soldaten um mehr als 20 auf 89 nach oben korrigiert. Die Männer und auch der stellvertretende Kommandeur seien nach dem Raketenschlag in der Neujahrsnacht in den Trümmern des eingestürzten Gebäudes aus Stahlbeton gefunden worden, teilte Generalleutnant Sergej Sewrjukow in Moskau in der Nacht zum Mittwoch mit.
Zuvor war von 63 Toten die Rede gewesen. Die Ukraine hatte die Unterkunft mit dem US-amerikanischen Mehrfachraketenwerfer Himars beschossen.
Sewrjukow räumte erstmals auch Fehler ein und bestätigte damit Medienberichte. Demnach war der Hauptgrund für die »Tragödie«, dass die Soldaten in der Neujahrsnacht trotz eines Verbots massenhaft ihre Mobiltelefone benutzt und damit die ukrainische Seite auf ihren Standort aufmerksam gemacht hätten. Demnach schossen die ukrainischen Streitkräfte sechs Raketen ab, von denen vier einschlugen und zwei abgefangen worden seien, hieß es. Die Ukraine hatte von 400 Toten und 300 Verletzten in Makijiwka (russisch: Makejewka) gesprochen.
Die Untersuchungen liefen zwar noch, aber so viel zu den Hintergründen sei schon klar, sagte Sewrjukow. »Dieser Faktor hat es dem Gegner ermöglicht, die Richtung zu bestimmen und die Koordinaten der Lage der Soldaten orten, um den Raketenschlag zu vollziehen.« Gegenwärtig werde dafür gesorgt, dass sich das nicht wiederhole. Zudem würden die schuldigen Diensthabenden zur Verantwortung gezogen.
Nach Darstellung des Ministeriumsvertreters in Moskau wurde das Himars-System, aus dem geschossen worden war, geortet und zerstört. Bei Gegenfeuer hätten die russischen Truppen im Gebiet Donezk zudem vier Himars-Abschussrampen, vier Kampffahrzeuge und über 800 Geschosse zerstört sowie mehr als 200 Nationalisten und ausländische Legionäre getötet. Von unabhängiger Seite waren diese Angaben nicht überprüfbar.
Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte über folgenreiche Fehler von russischen Kommandeuren in diesem Krieg. Die ukrainische Führung betonte wiederholt, dass die »Dummheit des Feindes« es dem Militär leicht mache, Erfolge zu erzielen.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die internationale Gemeinschaft nach neuen russischen Raketenschlägen aufgerufen, die Verteidigungsfähigkeit seines Landes zu stärken. Die Ukraine bereite sich auf eine neue Mobilisierungswelle des »Terrorstaates« Russland vor und müsse deshalb gewappnet sein, sagte Selenskyj in seiner am Dienstagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Nach Telefonaten mit den Regierungschefs der Niederlande, Großbritanniens, Norwegens und Kanadas forderte er, alles für eine Niederlage Russlands in dem Krieg zu tun.

Wolodymyr Selenskyj (am 19. Dezember)
Foto: Uncredited / dpaRussland werde nichts unversucht lassen, um für sich eine Wende in dem Krieg zu erreichen und eine Niederlage zu vermeiden. »Wir müssen dieses Szenario der Russen zerstören«, sagte Selenskyj. »Die Terroristen müssen verlieren.« Russland werde neue Reservisten mobilisieren, die es in den Tod schicke, meinte er. Die Ukraine wiederum müsse die zivilisierte Welt mobilisieren.
Der 44-Jährige verurteilte in seiner Ansprache auch den russischen Raketenschlag gegen das Eisstadion »Altair« in Druschkiwka im Gebiet Donezk, wo auch Kinder trainiert hätten. Die Menschen hätten das Stadion lange als Ort der Freude erlebt. Die Zerstörung sei ein neuer Beweis dafür, dass Russland ein Terrorstaat sei.
In seiner Ansprache dankte Selenskyj besonders Norwegen, das eine »historische Rolle« spiele bei der Verteidigung Europas, weil es alle Absprachen umsetze. Das Land helfe auch, der Ukraine die notwendigen Gasmengen für den Winter bereitzustellen.
Selenskyj informierte zudem darüber, dass er bei einem Treffen mit der ukrainischen Militärführung über die Erfordernisse für das Land im Bereich Verteidigung und Energieversorgung gesprochen habe. Details nannte er nicht.
Internationale Reaktionen
Der britische Premierminister Rishi Sunak hat seinem Büro zufolge dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj nach den jüngsten russischen Drohnenangriffen langfristige Hilfe zugesagt. Die jüngste Lieferung von mehr als tausend Flugabwehrraketen sei ein Zeichen dafür. Die beiden Männer hätten im Laufe des Tages miteinander gesprochen.
Wirtschaftliche Konsequenzen
Die Ukraine will den Übergang zu grüner Energie angesichts der russischen Angriffe auf das Stromnetz beschleunigen. Der Krieg habe die Pläne dafür noch dringlicher gemacht, sagt Ministerpräsident Denys Schmyhal bei einer Kabinettssitzung. Man werde das Potenzial der erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Wasserstoff aktiver nutzen. »Die russischen Angriffe zwingen uns zu einer grundlegenden Reform – dem Aufbau eines dezentralisierten Energiesystems. Es wird weniger anfällig für feindliche Angriffe sein«, sagt Schmyhal.
Eine Priorität sei in diesem Jahr, die Voraussetzungen für den Bau von Mini-Stromstationen und kleinen Stromerzeugungsanlagen zu schaffen. Die Regierung konzentriere sich zudem auf die Reparatur von beschädigten Energieanlagen und einen besseren Schutz, insbesondere von Atomkraftwerken.
Was heute passiert
Der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan wollen sich austauschen. Laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax bestätigte ein Sprecher des Kremls die Planungen. Das Gespräch ist offenbar per Telefon angesetzt.