Vorwürfe der Ukraine an Russlands Armee Massengräber, gefesselte Leichen, Folterräume

Rettungskräfte in Isjum ruhen sich während der Exhumierung der Leichen aus
Foto: Evgeniy Maloletka / dpaIn den von Russland besetzten Gebieten der Region Charkiw sind nach ukrainischen Angaben massenhaft Menschen gefoltert und getötet worden. Allein in einem Wald nahe der Stadt Isjum seien mehr als 400 Gräber gefunden worden, darunter eines mit 17 Soldaten. Einigen Leichen waren nach ukrainischen Angaben die Hände gebunden.
Es sollen laut Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht die einzigen Grabstätten sein, die die russischen Besatzer hinterlassen haben. Der ukrainische Polizeichef Igor Klimenko berichtete zudem von Folterstätten, die in den befreiten Gebieten gefunden worden seien.
Auch Selenskyj sprach in einem in den sozialen Netzwerken geteilten Video von Folterspuren an Leichen, die in Isjum gefunden wurden. »Das muss die ganze Welt sehen«, teilte das ukrainische Staatsoberhaupt mit.
Behörden beginnen mit Exhumierung der Leichen
Angeblich sind auch nicht alle Opfer einzeln vergraben worden, wie unter anderem der »Guardian« berichtet. Auf Telegram schrieb der ukrainische Ombudsmann für Menschenrechte, Dmytro Lubinez, von einer dreiköpfigen Familie, die in Isjum gemeinsam in einem Grab gelegen habe. Die Tochter sei 2016 geboren worden. »Uns liegen Zeugenaussagen von Einheimischen vor, wonach sie alle durch einen Luftangriff ums Leben kamen«, schreibt Lubinez. Es gebe »viele, viele ähnliche Fälle«.
Nach Angaben der Ukraine ist auch ein Grab mit mindestens 17 ukrainischen Soldaten gefunden worden, die mit gefesselten Händen aus nächster Nähe erschossen worden seien. Lubinez sprach in dem Zusammenhang von Völkermord.
Die Nachrichtenagentur AP berichtet unter Berufung auf Charkiws Regionalverwalter Oleg Synegubov, dass viele der Gräber nicht beschriftet gewesen seien. Mindestens eine Leiche habe demnach auch einen Strick um den Hals gehabt.
Die ukrainischen Behörden begannen am Freitag mit der Exhumierung der Leichen. Die Gräber seien während der Gefechte um die Einnahme Isjums durch Russland im März und während der russischen Besatzung ausgehoben worden, sagte Oleg Kotenko, der ukrainische Regierungsbeauftragte für die Vermisstensuche.
Selenskyj spricht von weiteren Gräbern und russischen Kriegsverbrechen
Selenskyjs Angaben zufolge sind in den zurückeroberten Gebiete mehrere Orte gefunden worden, an denen ganze Familien verscharrt worden sind. Es gebe Hinweise auf von russischen Soldaten verübte Kriegsverbrechen.
Den russischen Streitkräften wird seit Monaten vorgeworfen, in den besetzten Gebieten in der Ukraine zahlreiche Gräueltaten an Zivilisten begangen zu haben. Die Uno kündigte die Entsendung eines Teams nach Isjum zur Prüfung der ukrainischen Vorwürfe an.
Die US-Regierung hat die Leichenfunde von Isjum als »abscheulich« bezeichnet. »Es passt leider zu der Art von Verdorbenheit und Brutalität, mit der die russischen Streitkräfte diesen Krieg gegen die Ukraine und das ukrainische Volk führen«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. »Es ist absolut verdorben und brutal.«
Dem Polizeichef der Ukraine Igor Klimenko zufolge wurden im Gebiet Charkiw zudem zehn Folterkammern gefunden. »Wir sehen hier eine riesige Zahl von Verbrechen, die an der Zivilbevölkerung verübt wurden«, sagte Polizeichef Ihor Klymenko laut einer Mitteilung.
In der Stadt Balaklija seien während der russischen Besatzung bis zu 40 Menschen in der örtlichen Polizeistation festgehalten, erniedrigt und gefoltert worden. »Wir haben an den Händen der Leute Spuren von nackten Elektrodrähten gesehen, durch die bei Verhören Strom geschickt wurde«, sagte Klimenko demnach. Es seien auch Hämmer und Schlingen gefunden worden. Seinen Worten zufolge gab es in Isjum noch sechs weitere Folterorte, die aber komplett zerstört worden seien.