Ukrainekrieg Putin besucht die zerstörte Hafenstadt Mariupol

Einen »Arbeitsbesuch« nannte es der Kreml: Wladimir Putin hat sich durch Mariupol fahren lassen und Spitzenmilitärs getroffen. Der ukrainische Präsident richtete derweil schwere Vorwürfe an die Weltgemeinschaft.
Russland lässt seine Annexion der Krim feiern: Parade in Sewastopol am Samstag

Russland lässt seine Annexion der Krim feiern: Parade in Sewastopol am Samstag

Foto: Konstantin Mihalchevskiy / SNA / IMAGO

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin die besetzten Gebiete des Nachbarlandes besucht. Wie der Kreml in der Nacht zum Sonntag mitteilte, hatte Putin der in schweren Kämpfen zerstörten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer einen »Arbeitsbesuch« abgestattet.

Nach seiner Ankunft in einem Hubschrauber habe er sich bei einer Rundfahrt über die Lage informiert und sich auch mit Bewohnern der Stadt unterhalten, berichtete die Staatsagentur Tass weiter. Russlands stellvertretender Regierungschef Marat Chusnullin habe Putin über den Stand der Wiederaufbauarbeiten informiert.

»Die Menschen beginnen, in die Stadt zurückzukehren«, sagte Chusnullin auf dem Beifahrersitz in einem Bericht des russischen Staatsfernsehens. In Mariupol gebe es wieder Straßenbeleuchtung und Busverkehr. Der TV-Sender zeigte auch den Besuch Putins in der Philharmonie der Stadt, wo der Präsident auf einem Stuhl in einem Saal Platz nahm. Nach Darstellung Chusnullins ist zudem ein Universitätsgebäude samt Studierendenwohnheim intakt. Gezeigt wurden auch Bürger, die Putin für den unangekündigten Besuch dankten.

So sieht Mariupol heute aus: Bagger reißen zerstörte Wohnblocks ab und beseitigen Trümmer

So sieht Mariupol heute aus: Bagger reißen zerstörte Wohnblocks ab und beseitigen Trümmer

Foto: Alexander Ermochenko / REUTERS

Mariupol am Asowschen Meer war seit Beginn des Krieges Ende Februar 2022 unablässig von Russland bombardiert und belagert worden. Am 21. April verkündete Moskau die Einnahme der Hafenstadt. Rund 2000 ukrainische Kämpfer verschanzten sich danach fast einen Monat lang im weitläufigen Stahlwerk Asowstal in Mariupol, bevor die Regierung sie im Mai aufforderte, sich den Russen zu ergeben, um ihr Leben zu retten. Nach Angaben Kiews wurden 90 Prozent der Stadt zerstört und mindestens 20.000 Menschen getötet.

So nah an der Front war Putin noch nie

Kurz zuvor war Putin zum neunten Jahrestag der russischen Annexion der Krim zu einem unangekündigten Besuch auf der Schwarzmeer-Halbinsel eingetroffen. »Unser Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin hat es drauf, zu überraschen«, schrieb der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Hafenstadt Sewastopol, Michail Raswoschajew, am Samstag in seinem Telegram-Kanal. Das Staatsfernsehen verbreitete Bilder, auf denen der Kremlchef bei der Eröffnung einer Kunstschule für Kinder in Sewastopol zu sehen war. In der Hafenstadt hat die russische Schwarzmeerflotte ihren Stützpunkt.

Die größte Stadt auf der Krim ist nur 240 Kilometer von der Stadt Cherson entfernt, die im November nach einem Rückzug der russischen Truppen von der ukrainischen Armee zurückerobert worden war. Näher an der Front war der russische Präsident mit seinen Besuchen auf der Krim und in Mariupol noch nie seit Kriegsbeginn.

Sewastopol feiert mit dem russischen Präsidenten den Jahrestag der Krim-Annexion:

Sewastopol feiert mit dem russischen Präsidenten den Jahrestag der Krim-Annexion:

Foto: EPA

Nach seinen Besuchen in der Ukraine sei Putin in Rostow am Don mit den Befehlshabern der in der Ukraine kämpfenden russischen Streitkräfte zusammengetroffen. Unter anderem habe ihm Generalstabschef Waleri Gerassimow Bericht über die Lage an den Fronten erstattet.

Selenskyj macht Weltgemeinschaft schwere Vorwürfe

Der ukrainische Präsident Selenskyj machte in seiner jüngsten Videobotschaft die Passivität der Weltgemeinschaft in Syrien vor einigen Jahren, als Putin dort Präsident Baschar al-Assad mit seinen Bomben an der Macht hielt, für den Beginn des Kriegs in der Ukraine verantwortlich. »Die Menschen in Syrien haben keinen angemessenen internationalen Schutz erhalten, und dies hat dem Kreml und seinen Komplizen das Gefühl gegeben, straffrei zu sein«, sagte Selenskyj.

»Es gibt nur einen Weg, das Leben zu schützen – es ist notwendig, die russische Armee von ukrainischem Boden zu vertreiben. Und wir werden es tun«, versprach Selenskyj. In seinem Wochenfazit wähnte er sein Land dazu auf einem guten Weg. So habe die Ukraine ein neues Rüstungspaket mit Munition, Artillerie und Kampfflugzeugen aus dem Westen bekommen. Zudem habe es in größerer Runde Verhandlungen mit den USA über weitere Rüstungshilfe gegeben, erklärte der ukrainische Staatschef.

oka/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren