Acht Milliarden – Russlands Krieg gegen die Ukraine Die Wagner-Gruppe und ihre Bedeutung für Putin
Wer darf Russlands militärische Führung kritisieren? Den Generalstabschef Walerij Gerassimow gar straflos »eine Schwuchtel« schimpfen?
Zum Beispiel Jewgeni Prigoschin, Chef der privaten Söldnertruppe »Gruppe Wagner«. Denn es waren angeblich zwei Wagner-Kämpfer, die jene diffamierende Bezeichnung für Gerassimow in einem Telegram-Kanal verwendeten. Prigoschin dementierte zwar später, ließ sich dafür aber mehrere Stunden Zeit. Eine Ewigkeit in Social-Media-Zeiträumen.
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Olaf Heuser [00:00:07] Hier ist 8 Milliarden, der Auslands-Podcast des Spiegel. Es ist Freitag, der 20. Januar 2023 und es ist der 330. Tag in Putins Krieg.
O-Ton [00:00:22] Ich vertrete die private Militär Firma Wagner. Vielleicht habt ihr davon gehört. Dieser Krieg ist hart, ganz anders als der Tschetschenienkrieg. Es wird zweieinhalb Mal mehr Munition verbraucht als in Stalingrad. Diejenigen, die an der Front ihre Meinung ändern, werden dem Erschießungskommando übergeben.
Olaf Heuser [00:00:44] Jewgeni Prigoschin bekennt sich erst seit kurzem dazu, Chef der russischen Söldnertruppe Wagner zu sein. Unter anderem durch dieses Video, in dem er Häftlinge für den Kampf gegen die Ukrainer rekrutiert. Inzwischen erlaubt sich Goosen auch herbe Kritik an der militärischen Führung Russlands, ohne bisher Konsequenzen zu spüren. Wie mächtig seine Truppe ist und wie groß sein Einfluss, darum geht es in dieser Folge. In der vergangenen Woche beherrschte Prigoschin privater Militärdienst gleich zweimal die Nachrichten aus der Ukraine. Zum einen behauptete die Wagner-Gruppe in der langen Schlacht um Bachmut die Kleinstadt Soledar allein eingenommen zu haben, ohne die Hilfe des regulären russischen Militärs. Und dann beantragte der ehemalige Wagner-Kommandant Andrej Medwedew in Norwegen politisches Asyl.
O-Ton [00:01:39] Ich weiß mit Sicherheit von mehr als drei Hinrichtungen von Mitgliedern, die mit Verletzungen versucht haben, aus dem Krankenhaus zu fliehen. Und ich weiß von zehn öffentlichen Hinrichtungen. Den neu rekrutierten Ex-Sträflingen wurde auf dem Trainingsgelände gezeigt, was mit sogenannten Verweigerern und Verrätern passiert.
Olaf Heuser [00:01:57] Meine Kolleginnen und Kollegen von Spiegel TV haben weitere ehemalige Wagner-Kämpfer gefunden und interviewt. In allen Gesprächen spürt man die Macht des Wagner-Chefs und die Angst, die seine Methoden bei Gegnern und Mitgliedern erzeugen. Am Donnerstagmorgen habe ich mit meinem Kollegen Oliver Imhof und meiner Kollegin Christina Hebel über die Wagner-Gruppe gesprochen.
Oliver Imhof [00:02:22] Bei Wagner handelt es sich aktuell noch um einen losen Zusammenschluss verschiedener Söldner-Gruppierungen. Die wurden in verschiedensten Konflikten bisher eingesetzt in der Ukraine, in Libyen, in Syrien. Und so weiter. Aufgrund der Größe hat Wagner mittlerweile aber auch relativ viele Charakteristika, die zunehmend zu einer richtigen bewaffneten Gruppierung machen.
Olaf Heuser [00:02:46] Wer sind denn die Wagner-Söldner? Du hast gerade schon gesagt, Oliver, das sind bezahlte Kämpfer. Insofern glaube ich, kann man sie als Söldner bezeichnen. Wo kommen diese Menschen her?
Oliver Imhof [00:02:57] Also was wir bisher gesehen haben, sind ziemlich verschiedene Hintergründe. Also am Anfang in der Ukraine wurden dann noch ziemlich qualifizierte Kämpfer eingesetzt. Das waren entweder ehemalige Veteranen. Das können auch teilweise aktuelle Kämpfer gewesen sein, die sich dann quasi Urlaub von dem zum richtigen Militär genommen haben und dann eingesetzt wurden. Mittlerweile sieht man aber auch zunehmend das Wagner halt in Gefängnissen rekrutiert hat und diese Leute halt als Kanonenfutter in die Ukraine schickt, die als ja quasi wegwerfbar sind für sie und häufig an die Front geschickt werden, um einfach nur feindliche Positionen auszukundschaften und dort dann häufig umkommen.
O-Ton [00:03:44] Wenn ihr sechs Monate überlebt, geht ihr vollständig begnadigt nach Hause. Wer dann bei uns bleiben will, kann bleiben. Ihr werdet nicht zurück ins Gefängnis gehen.
Christina Hebel [00:03:57] Die Gefangenen sind eine große Stütze von Prigoschin, würde ich sagen. Nach Schätzungen von Menschenrechtler sind es bis zu 40.000 Mann. Kann das sein? Das ist enorm. Also, es wird weiterhin auch in den Gefängnissen rekrutiert. So berichten Menschenrechtler immer wieder. Wir haben ja gesehen, wie das begonnen hat im letzten Sommer, also gegangen ist durch die Gefängnisse selbst persönlich getingelt, um diese Männer Mörder, Diebe, Vergewaltiger, also alles wirklich zu hohen Haftstrafen verurteilte Männer zu rekrutieren. Und das hat er natürlich nicht so ohne Weiteres machen können, sondern hat sich eng mit den Behörden abgestimmt und hatte da auch einen Freifahrtsschein. Den hat er bis heute. Wir wissen nicht wirklich, wie viele Männer es sind, aber wenn wir den Menschenrechtlern Glauben schenken können, sind das sehr, sehr viele. Tausende sind es auf jeden Fall. Wir haben jetzt erste Videos gesehen, die Prigoschin veröffentlicht hat, wo er sich im Kreise von Männern gezeigt hat, die ihren Dienst getan hätten. So, ich sage bewusst Konjunktiv, die er entlassen haben will. Das sind die Männer, denen er versprochen hat: Wenn ihr sechs Monate kämpft, überlebt, bekommt ihr Freiheit, Begnadigung, Geld und seid entlassen. Das ist insofern problematisch, als dass es ja noch mal zeigt, wie sehr dieser Rechtsstaat, der in Russland ja eher marginal noch vorhanden ist, jetzt überhaupt nicht mehr gilt. Also wenn wir davon sprechen, dass verurteilte Mörder jetzt hier frei rumlaufen nach dem Kriegseinsatz, das ist schon enorm und sorgt natürlich auch, sagen wir mal in bestimmten Kreisen der Gesellschaft für sehr großes Unwohlsein. Ja, also ich meine, verschiebt sich noch mal ganz klar eine Grenze innerhalb dieses Krieges und sorgt für Unruhe und auch wirklich ja zu einer Normalität, die überhaupt keine Normalität ist. Also gesellschaftlich hat sich jetzt enorm was verschoben.
O-Ton [00:06:00] Ihr habt eure Aufgabe vertrauensvoll und ehrenhaft erfüllt. Ich habe eure kriminellen Talente gebraucht, damit ihr den Feind im Kampf tötet. Es gibt jetzt keinen Grund mehr, eure kriminellen Talente zu behalten. Wenn ihr mit uns zusammen kämpft, müsst ihr nicht mehr ins Gefängnis.
Christina Hebel [00:06:21] Ich habe das Stichwort Begnadigung genannt. Letztendlich weiß niemand, ob diese Männer wirklich begnadigt werden. Denn eigentlich muss das über einen Erlass von Putin, also von Präsident Putin, geschehen. Dieses Dokument ist bis heute nicht veröffentlicht worden. Deswegen wissen wir nicht genau, was wirklich läuft. Sind diese Männer wirklich, die überlebt haben, diese sechs Monate Krieg jetzt überlebt haben, wirklich in irgendeiner Form begnadigt für das, was sie an Verbrechen begangen haben oder eben nicht? Ist das geheim passiert? Gibt es mündliche Absprachen? Kann man diese Männer wieder zurückholen als All das ist nicht klar. Was wir wissen, ist, dass sehr viele von ihnen gefallen sind. Es gibt Gräber in Krasnodar, unter anderem, wo die Namen dieser gefangenen Soldaten, Söldner, so würde ich sie nennen, zu sehen sind. Russische Kollegen haben nachrecherchiert, dass es sich dabei um Mörder, Drogendealer handelt, die jetzt als Helden verehrt werden. Also, es verschieben sich wirklich hier in russland die Ebenen und auch so in eine Richtung, die wirklich den Menschen, die kritisch sind, wirklich große Bauchschmerzen bereitet, weil einfach jegliche Grenze von dem was, was überhaupt noch sein kann und machbar ist, verschoben wird moralisch. Also wir müssen einfach sehen, Prigoschin steht für ein System, in dem halt der Stärkere gewinnt. Also Prigoschin ist jemand, der halt maximal mit Gewalt seine Interessen durchsetzt, das muss man ganz klar sagen. Und er hat es lange verdeckt gemacht. Aber jetzt ist das halt offen und ist damit zu einem sogenannten Gesicht auch dieses Krieges geworden.
Olaf Heuser [00:08:04] Da sind viele Anhaltspunkte dran. Ich versuch das mal zusammenzubinden mit dem, was Oliver vorher gesagt hat. Denn die die Videos, es gibt inzwischen einige Videos, in denen Prigoschin schon auftaucht. Das hast du gerade gesagt, Christina, weil er sich jetzt mehr in der Öffentlichkeit zeigt und auch dazu steht, dass das seine Organisation ist, wenn man es mal so nennen möchte. Du hast vorhin gesagt, Oliver, dass das die Taktik eine ganz besondere ist. Gerade was diese rekrutierten Gefangenen angeht, weiß man sonst etwas über die militärische Vorgehensweise?
Oliver Imhof [00:08:38] Also man muss sich vielleicht zwischen zwei Einsatzgebieten unterscheiden. Also einmal waren das die Auslandseinsätze, der die Ukraine natürlich auch ist, aber wo Russland halt eher in andere Konflikte eingegriffen hat, wie in Syrien oder in Libyen, wo die Truppe dann einfach als ja streitbare Kämpfer benutzt wurden, die die russischen Interessen bedient haben. Und man muss zwischen Ukraine unterscheiden, wo Russland halten, richtigen Frontenkrieg führt. Und die Taktik läuft halt etwas anders als beim russischen Militär, weil die Söldner halt, über die wir verfügen können wie sie wollen. Das heißt, sie können die einfach an die Front schicken. Im Fall von Bachmut aktuell ist es so gelaufen anscheinend, dass diese Gefangenen vorgeschickt werden. Dadurch, dass sie an die Front geschickt werden, legen sie halt feindliche Positionen offen, weil auf die geschossen wird. Also es kommt Artilleriefeuer, es kommt Maschinengewehrfeuer. Und so weiter. Diese Positionen werden dann wiederum von den Russen beschossen und durch den Platz, der dadurch geschaffen wird, rücken dann erfahrener Partnereinheiten oder auch russische Einheiten nach und nehmen somit Gebiete ein. Im Fall von Bachmut hat das quasi ewig gedauert, weil die Schlacht da seit August lief und es bisher auch nur geschafft haben Soledar, eine Kleinstadt vor Bachmut, einzunehmen. Es wurde auch schon im Sommer oder im Spätsommer bei der Schlacht um Sievierodonetsk und Lysychansk so gemacht. Dann hat Wagner aber dort nicht so eine große Rolle wie aktuell gespielt. Und aktuell sieht man halt, dass Wagner da anscheinend, auch wenn es das Verteidigungsministerium abstreitet, eventuell sogar die größte Einsatzkraft ist.
Olaf Heuser [00:10:21] Weiß man etwas über die Abstimmung? Du hast es gerade schon so ein bisschen angedeutet zwischen der russischen Armee und der der Wagner-Truppe.
Oliver Imhof [00:10:29] Ja, das ist ein ganz interessantes Thema, weil es scheint ein bisschen Reibungen zu geben. Also es wird davon geredet, dass die Wagner-Truppe in den meisten Fällen halt relativ privilegiert behandelt wird. Es gibt da so eine gewisse Hierarchie von den verschiedenen Gruppen, die in der Ukraine kämpfen. Da soll man das russische Militär, da gibt es auch die Tschetschenen, es gibt Spezialeinheiten. Und so weiter. Und man sagt eigentlich, dass grundsätzlich von der Ausrüstung der Truppe ganz gut geht, was sich durch diese Gefängnisinsassen vielleicht geändert haben könnte, die meistens nicht so gut ausgestattet sind. Und Wagner hat sich jetzt vor allem um diese Schlacht bei Machmud sehr zu profilieren versucht. Und aktuell versuchen halt Wagner und das Verteidigungsministerium halt Anerkennung für diesen Sieg, um soll er da zu kriegen. Und daran sieht man halt auch, wie man sich profilieren will. Bringen sagt, das ist ein Sieg. Das Verteidigungsministerium sagt: Nein, wir haben auch Fallschirmjäger und so weiter dahin geschickt. Und da sieht man halt, dass es da durchaus anscheinend einen internen Machtkampf zu geben scheint.
Christina Hebel [00:11:36] Erst da muss man sagen, dass das erste Mal das Verteidigungsministerium überhaupt die Rolle von Wagner öffentlich anerkannt hat. Also Oliver hat es gesagt, Es gab eine Meldung vom Verteidigungsministerium, wir haben Soledar eingenommen. Daraufhin hat Prigoschin sich beschwert, dass man ihn um seine Siege berauben würde, also ihnen das nehmen würde. Also er hat das so sehr mit Mann betont, aber es war klar, wer gemeint wurde. Und daraufhin hat das Verteidigungsministerium noch eine Erklärung rausgegeben, wo auch die Rolle der Wagner Söldner sehr deutlich. Ja, also die Wagner wurden dort erwähnt und das war das erste Mal überhaupt seit Anfang des Krieges. Und das zeigt schon, dass sich etwas verschoben hat. Weil wenn wir jetzt mal schauen auf die Entwicklung des Krieges. Wagner hat gekämpft und es wurde immer wieder verschwiegen, wie auch all die Jahre in anderen Ländern, in Syrien, Afrika. Also Wagner fand nicht statt, obwohl alle wussten, dass sie auch in der Ukraine im Einsatz sind. Dann gab es auf einmal die Sprachregelung, die Musiker des Orchesters, also Wagner, also die Anspielung auf Wagner, seien auch in der Ukraine erfolgreich im Einsatz. Das fand man dann in staatlichen Medien. Solche Formulierungen, auch die Korrespondenten der staatlichen Sender haben diese Formulierung dann immer wieder einfließen lassen. Wir haben wirklich gesehen, wie schrittweise, sozusagen Wagner auch sprachlich legalisiert wurde, bis hin jetzt. Sie werden halt auch gezeigt in staatlichen Sendern. RT, der Auslandssender, hat große Filme über die Wagner-Truppe gemacht, die auch als Helden dargestellt werden.
Olaf Heuser [00:13:22] Sie können sich diese Filme vorstellen: Hochglanz-Produktionen, die Wagner-Kämpfer im Einsatz mit hoch modernem militärischen Gerät zeigen. Tatsächlich gilt die Wagner-Gruppe als hervorragend ausgestattet und verfügt über gepanzerte Fahrzeuge und sogar Kampfjets. In einer Spiegel TV Reportage spricht der Ex-Wagner-Kämpfer Marat Gabidullin über die Finanzierung der Truppe.
O-Ton [00:13:48] Für mich ist es klar, dass Prigoschin über staatliche Gelder verfügt, aber selbst bei seinem Vermögen würde das Geld für den Unterhalt der Truppe in der Ukraine maximal für zwei Wochen reichen, auch wenn er alles, was er besitzt, komplett verkaufen würde. Weil Krieg ein sehr kostspieliges Unternehmen ist. Der Krieg verschlingt Geld.
Christina Hebel [00:14:21] Ich sehe schon, dass sich etwas verschiebt in der Rhetorik, dass auch das Verteidigungsministerium jetzt eingestehen musste, dass es eben halt auch die Wagner-Söldner waren, die maßgeblich für diesen Erfolg verantwortlich war. Und zu Bachmut möchte ich noch sagen Das ist ja ein sehr, sehr langer Kampf. Oliver hat gesagt, da läuft ja schon seit Sommer und ist für Deutschland insofern ja auch ein Problem, weil wir haben zwar jetzt diesen Erfolg, aber letztendlich wird jetzt schon lange gekämpft, monatelang. Und er steht natürlich auch unter Druck, Erfolge liefern zu müssen. Und es sind, soweit wir es hier sehen, den Berichten zufolge ja sehr, sehr viele Männer schon gefallen und vor allen Dingen wahrscheinlich gefangenen Soldaten. Und da ist halt auch die Frage, wie viel kann er noch rekrutieren in Gefängnissen, wie viel Kämpfer kann er noch sozusagen finden, damit er weiterhin in diesem ähm, ja, ich würde sagen zynischen Krieg führen kann, weil er natürlich darauf ausgelegt ist, eben diese unerfahrenen Männer an die vorderste Front zu schicken.
Olaf Heuser [00:15:32] Wie werden denn die Taten, die Aktionen und die, na ja, die Beteiligung der Wagner-Gruppe an diesem Krieg wahrgenommen?
Christina Hebel [00:15:41] Also erstmal nach dem russischen Gesetz sind Söldnertruppen nach wie vor verboten, die sind illegal und Söldnertum ist mit bis zu 15 Jahren Haft wird das bestraft. Das muss man mal ganz klar sagen, dass diese Rechtslage gibt es immer noch so und gleichzeitig sehen wir ja in diesem Krieg, wie diese Söldnertruppe mehr und mehr sozusagen zur neuen Normalität wird. Also wir haben diese Parallelität. Was ich wahrnehme, ist, dass es durchaus Russen gibt, die Prigoschin schon Respekt zollen. Vielleicht würde ich formulieren in dem Sinne, dass er sozusagen dem Verteidigungsministerium, dem Staat den Spiegel vorhält für das, was nicht läuft. Also er ist ja sehr mit sehr heftiger Kritik unterwegs hier äußert sich über seine Medien er ist ja nicht nur, er hat ja nicht nur Militär und daneben Wagner, sondern er hat auch eigene Telegram-Kanäle. Er hat eigene Medien, über die er kommuniziert. Und da recht stark austeilt gegenüber der Führung der Armee und des Verteidigungsministeriums. Das wird schon goutiert, dass er das klar benennt. Also vor allen Dingen bei den Kriegs Hardlinern, aber auch bei Beamten im System. Dann gibt es aber eben die Gruppe, die das alles ja eher mit Angst verfolgt, weil morgen schon in der Sprache und im Duktus, wie ein Kollege es mal formuliert hat, eine. Der sehr lange sich mit Prigoschin beschäftigt, immer ein Krimineller geblieben ist.
Olaf Heuser [00:17:19] Prigoschin Karriere begann als Krimineller. Diebstähle, ein Raubüberfall und verschiedene andere Delikte brachten ihm eine Haftstrafe von 13 Jahren ein. 1990 wurde er nach neun Jahren entlassen. Danach verkaufte er erst Hotdogs auf den Straßen Sankt Petersburg und dann gehobener das Essen in schicken Restaurants. Angeblich sei er dort Wladimir Putin aufgefallen, der mit seinem Staatsgast Jacques Chirac dort definierter, sagt Prigoschin. Anfang der 2000 Jahre begann Prigoschin, Kindergärten, Schulen und auch die Armee mit Essen zu beliefern. Bald folgten Staatsbankette, die er ausrichtete. Den wachsenden Reichtum nutzte Prigoschin, um ein Netzwerk an Firmen aufzubauen. Inzwischen gehören auch Rohstoff Unternehmen und Ein Medien Konglomerat zu seinem Imperium. 2016 veröffentlichte Alexej Nawalny einen Bericht über Ausschreibungen des Verteidigungsministeriums, durch die ihn Aufträge in Höhe von 23 Milliarden Rubel erhalten haben sollen. Neben den Taten der Söldner Gruppe Wagner wird ihn auch vorgeworfen, mit mehreren Troll-Armeen in den Informationskrieg einzugreifen. Die USA setzten in 2016 auf die Fahndungsliste, weil er versucht habe die US Wahlen zu beeinflussen. Und 2022 bestätigte der Wagner-Chef, dass anlässlich der amerikanischen Midterms mit den Worten Wir haben uns eingemischt, wir tun es und wir werden es weiter tun.
Christina Hebel [00:18:50] Also jetzt kann man sagen, dass er für Putin natürlich auch praktisch ist und auch von Nutzen ist, weil dieses Element der Angst auch nach innen ist. Für Putin ja sehr, sehr wichtig. Also nach außen wie nach innen und außen ist jemand, der immer wieder den Finger in die Wunde legt und sagt das funktioniert nicht im Ukraine Krieg. Der General funktioniert nicht, der ist eine Lusche, der kann es nicht. Das ist ja sein Duktus. Und er teilt auch gegen die Eliten aus, die seiner Meinung nach sozusagen sich nicht verhalten, zu diesem Krieg schweigen und eigentlich darauf setzen, dass Russland diesen Krieg verliert. Und das sind für ihn Verräter. Und das benennt er auch so und er droht da auch mit Vergeltung. Ja, er ist da auch nicht zimperlich. Vergleicht das, wenn ihr euch erinnert an den ehemaligen Wagner gefangenen Söldner, der mit dem Vorschlaghammer erschlagen wurde. Und solche Begriffe nutzt er dann eben auch, um zu sagen so passt auf, hier ist der Vorschlaghammer. Wenn ihr euch jetzt hier nicht verhaltet und wie Verräter weitermacht, dann wird auch euch der Hammer.
Olaf Heuser [00:19:59] Also der Vorschlaghammer ist zu einem furchtbaren Symbol der Wagner-Gruppe geworden. Auslöser war die Hinrichtung des Söldners Jewgeni Nuschin, der sich am 4. September nahe Luhansk ergeben hatte. Bei Spiegel TV erzählt Wagner-Aussteiger Andrej Medwedew, wie es dazu kam.
O-Ton [00:20:18] Kurze Zeit später wird Nuschin von den Ukrainern gegen 20 Landsleute angeblich ausgetauscht. Ein Deal des Geschäftsmanns Prigoschin. In den sozialen Medien kursiert kurze Zeit später ein Video mit Nuschins letzten Worten. Dann wird er mit einem Vorschlaghammer erschlagen. Kontrolliert. Nach meinen Informationen haben die Aufklärungstruppen von Wagner alles getan, um Prigoschin Plan zu verwirklichen. Er wollte die öffentliche Hinrichtung des Verräters, damit die anderen es sehen und Angst bekommen wie die Libyer.
Christina Hebel [00:20:51] Wenn Du nach der Gesellschaft fragst: große Teile der Gesellschaft schweigen zu diesem Trick und verhalten sich nicht. Für Prigoschin ist das recht praktisch, weil er eigentlich nicht viel Widerstand bekommt. Also jedenfalls sehen wir es nicht so relativ öffentlich. Natürlich, wenn es hinter den Kulissen ist das ja eine große Konkurrenz, großer Wettbewerb. Oliver hat es gesagt zwischen Verteidigungsministerium, Armee. Es sind auch andere Gruppen noch im Ukraine Krieg beteiligt, Inlandsgeheimdienst groß geworden. Ja, es gibt verschiedene Gruppen, die alle natürlich erfolgreich dastehen wollen. Aber Prigoschin durch seine sehr mediale Präsenz und wie er vorgeht, durch das sehr rabiate und rücksichtslose Vorgehen, kann scheinbar relativ viel machen, wenn nicht fast alles. So also ich mein ein Söldner Gefangenen vor laufender Kamera umbringen zu lassen und es gibt eigentlich nicht wirklich eine Reaktion. Das ist schon war schon ein Ereignis, was für großes Aufsehen gesorgt hat. Natürlich bei den Menschen, die sich dafür interessieren und auch sagen wir mal moralisch verwerflich fanden. Das muss man halt auch sehen. Russland hat, wie es hieß, aufgrund der Ausweitung der zu lösenden Aufgaben erneut seinen Kommandeur für den. In der Ukraine ausgewechselt und ihm drei Stellvertreter an die Seite gestellt. Die Verantwortung dafür hat nun der langjährige Putin vertraute Waleri Gerassimow als Oberkommandierender in der Ukraine übernommen. Der Generalstabschef solle die Effektivität des Militäreinsatzes steigern, heißt es offiziell.
Olaf Heuser [00:22:33] Mitte Januar wechselt Russland also erneut den Kommandeur für die sogenannte Sonderoperation in der Ukraine. Nach nur drei Monaten muss General Sergej Surowikin, bekannt als General Armageddon, für Gerassimow Platz machen. Ein Sieg für die russischen Hardliner wie jene Prognosen, die in den Kanälen inzwischen regelmäßig die militärische Führung kritisieren. Ganz so einfach ist das nicht. Denn der neue Befehlshaber stand zuvor ebenfalls in der Kritik.
Oliver Imhof [00:23:03] Also gibt er von Seiten der militärischen Blogger eine relativ offene Kritik, die ja sonst relativ ungewöhnlich ist. Und die kritisieren im Endeffekt selbst relativ stark zum Teil das Verteidigungsministerium für die ganzen militärischen Unzulänglichkeiten. Und so weiter. Viele gehen aber speziell jetzt nicht unbedingt auf ihn ein, würde ich sagen. Es gibt ein paar spezielle Kanäle bei Telegram, die teilweise auch als Verbindung zur Führung haben, teilweise auch einfache Kämpfer sein können, die da bloggen und diskutieren das dann natürlich, aber die haben dann in dem Fall auch offensichtliche Verbindungen.
Christina Hebel [00:23:46] Ich würde sagen, Prigoschin testet da seine Grenzen aus. Also diese Kritik war ja so formuliert, dass zwei Wagner-Söldner sich hingestellt haben und Gerassimow als Schwuchteln bezeichnet haben. Wir müssen es mal ganz klar benennen. So, und das ist schon wirklich ein krasses Vorgehen. Und in vielen dieser Pro-Kriegs-Telegram-Kanäle war die Aufregung groß. Man sprach von Fake, dass es eben nur eine Fake Aktion der Ukraine gewesen sei und hat das dann ein paar Stunden laufen lassen, um sich dann zu melden und zu sagen, dass es so nicht ist. Ja, und den Generalstabschef Gerassimow, das war er mal, Generalstabschef und jetzt auch Leiter dieser sogenannten Special Operation gegen die Ukraine so zu beschimpfen, ist schon ein krasser Schritt. Und die Frage ist, wie lange das dauern kann. Und der Schritt, der darauf folgte, war, dass Gerassimow jetzt auch zum Chef der speziellen Operation, der sogenannten, in der Ukraine ernannt wurde. Es gibt Leute, die das auch in einer Verbindung sehen, das weiß keiner, warum der jetzt auch noch sozusagen Leiter dieser Spezial Operation wurde, der sogenannten. Aber das wird auch in einem Zusammenhang gesehen, dass Putin sich vor seine regulären Armeeleute stellt.
Olaf Heuser [00:25:08] Im Video, das seine Ansprache an zu rekrutieren, dass Straftäter zeigt, formuliert Prigoschin drei Todsünden für seinen zukünftigen Kämpfer die erste Fahnenflucht. Die zweite Drogen oder Alkoholkonsum während der sechsmonatigen Dienstzeit ist etabliert.
O-Ton [00:25:25] Und die dritte Sünde ist Plündern inklusive jedes sexuellen Kontaktes mit einheimischen Frauen, Flora, Fauna, Männern oder sonst was.
Christina Hebel [00:25:35] Dieser Kampf ist die ganze Zeit da zwischen normaler gesetzlicher Armee und sozusagen inoffizieller Armee. So, und das ist aber für Putin auch relativ praktisch, weil dieser Wettbewerb erzeugt ja Druck um darum, dass man besser sein will als der andere. Nur im Fall von diesem Gerassimow Zitat und dieser Beschimpfung wissen wir auch nicht genau, was dahinter steht. Es gibt die Vermutung, dass weil es eben in Machmud so lange jetzt dauert, dass Erfolge präsentiert werden können, dass das auch ein Weg war, sozusagen diesen langsamen Fortschritt auf Gerassimow abzuwälzen. Zeitgleich. Er wurde nicht nur beschimpft, sondern es wurde auch gesagt Uns fehlen hier Granaten, es fehlt uns Ausrüstung, wir kommen nicht voran. Und das wurde miteinander verknüpft. Und das ist eine Erklärung dafür.
Olaf Heuser [00:26:28] Ihr habt ja die von der Kleinstadt Soledar erzählt, die angenommen wurde. Das ist aber auch nur ein, ich sage mal, eine Etappe. Ich bin kein Militär. Vielleicht der Ausdruck falsch auf dem Weg zur nach Bachmut und Präsident Selenski, habe ich gefunden, hatte danach eine Frage gestellt, nachdem die Russen vermeldet hatten, dass sie Soledar eingenommen haben und hat gefragt: Was wollen Sie damit eigentlich erreichen? Ich glaube, er hat damit auch darauf angespielt, dass das eben taktisch oder strategisch kein großer Gewinn war.
O-Ton [00:27:01] Also was wollte Russland dort erreichen? Alles ist vollständig zerstört. Es gibt fast kein Leben mehr und Tausende ihrer Leute sind verloren. Die ganze Landschaft bei Soledar ist von ihren Leichen bedeckt. So sieht Wahnsinn aus.
Olaf Heuser [00:27:16] In der "New York Times" ist daraufhin die Frage aufgeworfen worden Ich glaube, Oliver, du hast es vorhin auch schon so ein bisschen angedeutet, ob es vielleicht einfach für die Wagner Gruppe wichtig war, diesen Erfolg zu präsentieren. Die Frage ist aber an euch beide wird das. In euren Kanälen, die ihr überwacht oder seht, auch so wahrgenommen, dass das eine Möglichkeit sein könnte.
Oliver Imhof [00:27:39] Also da muss man vielleicht ein bisschen weiter ausholen. Also Soledar ist natürlich erst mal nur in Etappen erfolgt, weil es als ein Versorgungswege nach Waffen und abschneidet. Und ja, die Nato oder Russland jetzt einfach dadurch bessere Chancen hat, auch gut einzunehmen. Ob das wirklich passieren wird, das muss man noch sehen. Und Bachmut hatte eigentlich, als die Kämpfer damals angefangen haben, noch einen strategischen Wert, weil Russland damals noch die Kontrolle über Isjum hatte. Das heißt, die Russen wollten damals vermutlich von diesem und von Waffen und im Süden aus Slowjansk und Kramatorsk in der Mitte einnehmen. Dann haben aber die Ukrainer bei ihrer Gegenoffensive im im Spätsommer sich zurückgeholt und seitdem hat das eigentlich weitestgehend seinen strategischen Wert verloren. Und dadurch ist es jetzt eigentlich genauso. Wie du das sagst, ist wahrscheinlich in erster Linie ein Prestigeprojekt zu gewinnen, damit er einfach Erfolge vorweisen kann. Und dann sagt man ihm noch nach, dass er auch da an Rohstoffen interessiert ist. Also die Gruppe sichert sich eigentlich bei allen ihren Auslandseinsätzen, ob das jetzt Syrien, Libyen, Zentralafrika ist, Rohstoffe, Erträge, das ist in Zentralafrika war das zum Beispiel Holz, in Syrien war das Öl. In Libyen weiß man nie, was die da wollten, weil sie nie so weit gekommen sind. Aber auch Öl war da die Vermutung. Und die Region um Bachmut und Soledar die Salzminen, die hat Gipsminen und die Vermutung ist halt, dass Prigoschin auch ein Interesse daran hat, dass da auch Rechte oder sonstiges zu sichern.
Olaf Heuser [00:29:13] Aber die Nähe zu Putin ist schon offensichtlich, oder? Wenn Prigoschin sich traut, so offiziell und so öffentlich zu kritisieren, dann impliziert das für mich zumindest, dass er einen gewissen Status genießt, der ihm das erlaubt. Kann man etwas über die die Nähe zu Putin sagen?
Christina Hebel [00:29:34] Es ist schwierig. Also erst einmal muss man ja festhalten, dass Putin sich nicht mit Prigoschin zeigt. Also er taucht mit ihm nicht auf Bildern auf. Die Bilder von den beiden, die wir sehen in den Medien, sind sehr viele Jahre alt und er hat sich bis jetzt während dieser Kriegsmonate nicht mit ihm gezeigt. Es heißt oder es gab Medienberichte, dass er über direkten Zugang verfüge, dass er es auch war, der Putin erzählt hat, dass es eben militärisch nicht richtig läuft in der Ukraine. Da gab es mehrere Medienberichte. Aber, und das ist das große Fragezeichen, inwieweit ist er wirklich Teil dieses inneren Zirkels? Und da habe ich meine großen Zweifel, dass er das ist. Ich glaube schon, dass er Zugang hat im Kreml über Leute, letztendlich dann auch zu Putin. Aber er ist jetzt nicht, das sagen mehrere Experten, irgendwie Teil des Netzwerkes oder er entscheidet dort. Ja, also er ist für Putin natürlich sehr nützlich, deswegen hat er eine gewisse, sagen wir mal Bewegungsfreiheit. Aber sie ist auch begrenzt. Er hat ja mal angekündigt, er wolle eine Partei gründen. Das halte ich für sehr viel PR. Also wir müssen immer schon unterscheiden, was, was kann sein und was kann nicht sein. Also er ist sehr gut darin, sich größer zu machen, als er ist. Und deswegen bin ich da so ein bisschen skeptisch, was seinen direkten Einfluss im Kreml angeht.
O-Ton [00:31:13] Wenn eine Entscheidung getroffen wird, dann werden alle Aufgaben erfüllt. Niemand kann zurücktreten. Das ermöglicht uns strengste Disziplin. Deshalb ist die Wagner-Gruppe auf dem Vormarsch und deshalb wird sie weiter auf dem Vormarsch sein. Das ist die Antwort auf mehrere Journalistenfragen, die in letzter Zeit gestellt worden sind.
Christina Hebel [00:31:35] Er hat sicherlich Verbindungen. Es werden Verbindungen zum Auslandsgeheimdienst zu Vertretern dort nachgesagt und er ist auch dabei, das sehen wir, seine Verbindungen auszubauen. Also Anfang des Jahres haben wir ein Video gesehen, wie der Gouverneur von Kursk in einem Lager von Wagner so ein Vorbereitungs, Verteidigungstraining gemacht hat. Das ist natürlich für ihn Gold wert, wenn so ein Funktionär sich so darstellt und das mit Wagner Leuten in so einem Training teilnimmt. Das ist natürlich für ihn sehr gut. Und ich glaube, er ist ein Gütesiegel. Na ja, ein bisschen Gütesiegel. Genau. Er ist Teil sozusagen der Eliten. Aber er ist es eben noch nicht ganz. Man muss sich so ein bisschen die Eliten in Russland auch vor Augen führen. Mit so einem zeigt man sich ja dann auch nicht so gerne. Ja, also er ist ja auch vom Auftreten immer sehr robust in der Sprache und also wirklich, also das ist schon schwierig. So, ja. Und das hilft ihm ja auch. Die Hardliner haben in diesem Krieg das Sagen bekommen, Die Gesellschaft und all das hat sich ja hier so verändert, dass wirklich die Hardliner hier die Wortführer sind. Das zeigt sich in der Sprache, das zeigt sich in diesen Telegram-Kanälen, die wir schon besprochen haben. Dafür steht auch Prigoschin.
Oliver Imhof [00:32:51] Ja, so wie Christina schon sagt. Wagner hat per se schon relativ anrüchigen Ruf und der eigentliche Gründer Dmitri Utkin fällt halt sehr durch Verbindungen zu rechtsextremen Milieu auf. Daher kommt halt erst mal auch der Name Wagner, weil sein Lieblingskomponist ist halt Wagner, der auch Hitlers Lieblings Komponist war und und hat auch verschiedene Nazi-Tattoos und tritt jetzt selbst nicht mehr so oder eigentlich gar nicht mehr in Erscheinung wie es Putin tut. Aber hat halt am Anfang diese Organisation gestartet.
O-Ton [00:33:27] Utkin taucht 2016 sogar bei einer offiziellen Veranstaltung des Kreml auf. Wird mit Putin bei Feierlichkeiten zum Tag der Helden des Vaterlandes fotografiert. Ein Wagner-Nazi neben dem Präsidenten.
Oliver Imhof [00:33:44] Wagner hat auch Verbindungen zu verschiedenen rechtsextremen Gruppen. Das ist einmal zum Beispiel Rusitsch, eine Kampfgruppierung, die auch aus verschiedenen Nazis besteht. Dann sieht man ab und zu noch in Zeichen der russischen Reichsbewegung, die auch von rechtsextremen Gruppierungen sind. Das muss nicht heißen, dass jetzt unbedingt jeder war, keine Verbindung in dieses Milieu hat. Aber man kann schon häufig dort rechtsextreme Symbolik erkennen und das ist halt definitiv auch problematisch.
Olaf Heuser [00:34:15] Wagner Chef Jewgeni Prigoschin bevorzugt harte Haltungen, ganz gleich, ob es um die Einschüchterung von Rekruten geht, um die permanente Angst Kulisse einer gegen Freund und Feind gleichermaßen kompromisslos brutalen Söldnertruppe. Oder um den medialen Druck auf Militärs, die gleichzeitig seine Verbündeten und seine Rivalen zu sein scheinen. Eine riskante Taktik, die für Prigoschin selbst zum Problem werden könnte.
Christina Hebel [00:34:40] Trotzdem muss er dann auch irgendwann liefern. Wir haben ja über Bachmut schon mal gesprochen. Also irgendwann musst du ja natürlich auch dann liefern. Und was auch noch sehr bezeichnend war in der Entwicklung von Wagner ist ja, dass er sogar jetzt einen Bürokomplex eröffnet hat in Sankt Petersburg. Also so ein gläserner Büroturm ist schon eine Ansage. Was da wirklich passiert darin, dass weiß eigentlich niemand so richtig. Aber es ist auch egal, es soll für Aufsehen sorgen. Das ist sozusagen seine Strategie und dazu, was er wirklich für Einfluss hat. Das ist so interessant, weil es eben auch in Sankt Petersburg spielt. Prigoschin hat seit Jahren ein Konflikt mit dem Gouverneur von Sankt Petersburg, und es ist interessant, dass er da eigentlich nie so richtig weiterkommt. Also die beiden führen da Machtkämpfe untereinander aus. Geht dann natürlich um geschäftliche Interessen: wer darf was und was darf Prigoschin da machen? Ich will jetzt nicht in die Einzelheiten gehen, aber letztendlich kommt Prigoschin nicht so richtig voran. Und das zeigt mir ein bisschen, dass er eben nur begrenzt Einfluss hat. Also ihm wird ein bestimmter Raum zugesprochen, ein Wirkungsdauer, ein Handlungsspielraum. Da darf er dann sozusagen das machen, was er für richtig hält. Aber es gibt dann eben halt auch Grenzen. Also Beglov ist halt ein Mann, der Gouverneur von Sankt Petersburg von Putin und da gibt es dann auch irgendwann Grenzen. Und das Beispiel zeigt für mich, dass es eben genau abgesteckte Räume hier gibt. Für jeden, auch für Prigoschin, auch wenn er versucht, diesen Raum immer weiter auszubauen.
Olaf Heuser [00:36:15] Allein die Tatsache, dass Wladimir Putin, die russische Führung, die russische Armee oder wer auch sonst Prigoschin diesen Raum zur Entfaltung lässt, ist für mich ein gruseliger Gedanke. Grauenhafter noch, weil diese Entfaltung darin besteht, einen brutalen, hinterhältig begonnenen und gegen jedes Recht geführten Krieg noch brutaler, menschenverachtender und rechtloser zu machen, weil es denjenigen nützt, die schon und der Wagner Gruppe diesen Raum geben. Falls es noch irgendeinen Zweifel darüber gibt, wie Jewgeni Prigoschin vorgeht und wie er seine Kämpfer betrachtet. Dann habe ich hier ein weiteres Video, das in Prigoschin Telegram-Kanal veröffentlicht wurde. Sehen ist der Chef selbst, der beobachtet, wie tote Wagner Kämpfer in schwarzen Leichensäcke aus einem Transporter in ein Lagerhaus gewuchtet werden. Prigoschin bekreuzigt sich und kommentiert mit ausdruckslose Miene, während seine Leute ihn mit Handys filmen. Es soll wohl eine Art PR-Clip sein.
O-Ton [00:37:22] Der Vertrag ist abgelaufen und du musst dich auf den Urlaub vorbereiten. Frohes neues Jahr.
Olaf Heuser [00:37:33] Das war 8 Milliarden. Der Auslands Podcast des Spiegel. Ich bedanke mich bei Christina Hebel und Oliver Imhof für das Gespräch in dieser Folge bei Philip Fackler für die Mischung der Episode und bei meinen Kollegen Marius Mestermann und Martin Vornweg-Brückner für die Over Voices. Bei Ihnen bedanke ich mich herzlich fürs Zuhören. Ihr Interesse an 8 Milliarden und für die vielen Zuschriften an unsere E Mail Adresse. Acht punkt Milliarden at spiegel.de. Bleiben Sie tapfer und gesund. Ich verbleibe bis zur nächsten Folge – ihr Olaf Heuser.
Bei den Kämpfen um die ukrainische Stadt Bachmut vermeldete die Wagner-Gruppe die Einnahme der Kleinstadt Soledar durch eigene Kräfte, ohne entscheidende Unterstützung der regulären russischen Armee. Zunächst dementierte der russische Generalstab noch, dann erkannte er die Verdienste der Söldner offiziell an. So viel Macht besitzt die Wagner-Gruppe inzwischen. Ihr Boss Jewgeni Prigoschin wird gern als »Putins Koch« bezeichnet, weil er damit Geld verdiente, Staatsbankette auszurichten, und das einzige Restaurant im Kreml betreibt. Ein viel zu niedlicher Ausdruck für einen Mann, dessen Söldner einen Deserteur aus den eigenen Reihen mit einem Vorschlaghammer folterten und töteten . Vor laufender Kamera.
Prigoschin nannte das Video zunächst »eine hervorragende Regiearbeit, die ich in einem Atemzug angesehen habe«. Sie müsse den Titel »Ein Hund verdient den Tod eines Hundes« tragen. Tags darauf teilte er mit, dass die Wagner-Gruppe nichts mit der Ermordung zu tun habe.
»Hinter den Kulissen gibt es eine große Konkurrenz zwischen Verteidigungsministerium, Armee und anderen Gruppen, die alle erfolgreich dastehen wollen«, erklärt Moskau-Korrespondentin Christina Hebel. »Aber Prigoschin, durch seine sehr mediale Präsenz und dadurch, wie er vorgeht, durch das sehr rabiate und rücksichtslose Vorgehen, kann anscheinend relativ viel machen, wenn nicht fast alles. Einen gefangenen Söldner vor laufender Kamera umbringen zu lassen und es gibt nicht wirklich eine Reaktion – das ist schon ein besonderes Ereignis.«
Und auch die militärische Abstimmung zwischen den Wagner-Söldnern und der russischen Armee weist Besonderheiten auf, wie SPIEGEL-Experte Oliver Imhof erklärt: »Es scheint da ein bisschen Reibungen zu geben. Also es wird davon geredet, dass die Wagner-Truppe in den meisten Fällen relativ privilegiert behandelt wird. Und Wagner hat sich jetzt in der Schlacht bei Bachmut sehr zu profilieren versucht.«
Dennoch hat wohl auch Prigoschins Einfluss Grenzen. Inzwischen wurde Walerij Gerassimow zum Oberbefehlshaber für die sogenannte Spezialoperation in der Ukraine bestimmt. Nach den Beschimpfungen auf Telegram.
Wie weit also reicht der Einfluss Jewgeni Prigoschins und seiner Wagner-Gruppe wirklich? Wie gehen die Söldner im Krieg vor? Und wie hilfreich ist die Angst, die Prigoschin mit seinem Vorgehen erzeugt, für Wladimir Putin? Darüber sprechen Oliver Imhof und Christina Hebel in dieser Episode des SPIEGEL-Auslandspodcasts Acht Milliarden.
Die aktuelle Folge hören Sie hier: