Krieg in der Ukraine Angriffe auf Bahngleise, Russland plant Militärbasis in besetztem Gebiet – das geschah in der Nacht

Russlands Armee nimmt offenbar gezielt Infrastruktur unter Beschuss. Moskau wendet sich wirtschaftlich China zu. Und: heikle Baupläne in Cherson. Der Überblick.
Brennende Raffinerie in der Region Donezk (am 22. Mai)

Brennende Raffinerie in der Region Donezk (am 22. Mai)

Foto: Rick Mave / ZUMA Wire / IMAGO

Was in den vergangenen Stunden geschah

Durch russische Raketenangriffe im Osten der Ukraine ist nach ukrainischen Angaben am Montag Infrastruktur der Eisenbahn zerstört worden. Bei vier Raketeneinschlägen im Gebiet Dnipropetrowsk seien Gleise sowie die Oberleitungen schwer beschädigt worden, teilte Gouverneur Walentyn Resnitschenko auf seinem Telegram-Kanal mit. Verletzt wurde demnach niemand. Wann der Zugverkehr wieder aufgenommen werden könne, sei noch nicht bekannt.

Das sagt Kiew

Die in der Hafenstadt Mariupol gefangen genommenen ukrainischen Soldaten sollen nach dem Willen von Präsident Wolodymyr Selenskyj ausgetauscht werden. »Wir müssen sie austauschen«, sagte Selenskyj der ukrainischen Agentur Interfax zufolge bei einer Videoschalte ins ukrainische Haus im schweizerischen Davos, wo derzeit das Weltwirtschaftsforum stattfindet. Der Austausch sei eine politische Entscheidung, die von der Unterstützung vieler Staaten abhänge. Alle Uno-Mitglieder – insbesondere die, die mit solchen Angelegenheiten Erfahrung hätten – sollten sich einschalten.

Wolodymyr Selenskyj

Wolodymyr Selenskyj

Foto: Efrem Lukatsky / dpa

Selenskyj hat zudem nach drei Monaten Krieg vom Westen moderne Raketenabwehrwaffen und Kampfflugzeuge gegen russische Angriffen gefordert. Viele Menschen wären »nicht gestorben, wenn wir alle Waffen erhalten hätten, um die wir bitten«, sagte Selenskyj am Montagabend in einer neuen Videobotschaft. Sein Land sei seit Kriegsbeginn am 24. Februar Ziel von 3000 Luftangriffen und annähernd 1500 Raketenangriffen gewesen. Die große Mehrheit der Angriffe habe zivilen Objekten gegolten.

Alle Partner der Ukraine seien sich einig, dass der Kampf seines Landes gegen Russland dem »Schutz der gemeinsamen Werte aller Länder in der freien Welt« diene, sagte Selenskyj weiter. Deshalb habe sein Land ein Recht auf Waffenhilfe. Im Osten der Ukraine, wo die russische Armee ihre Aktivitäten konzentriert habe, bleibe die Lage schwierig. Er erwarte nicht, dass Russland die besetzten Gebiete in der Region Charkiw und anderen Regionen aufgeben werde. »Die kommenden Kriegswochen werden schwierig«, fügte er hinzu

Das sagt Moskau

Russland will offenbar in der Region Cherson eine eigene Militärbasis errichten. Die russische Nachrichtenagentur Ria berichtet unter Berufung auf lokale Behördenvertreter, dass entsprechende Pläne vorliegen. Cherson ist Teil der Ukraine, grenzt an die Krim und ist schon seit der frühen Phase der russischen Invasion besetzt.

Nun soll die lokale Regierung in Russland um eine feste Armeepräsenz gebeten haben. Allerdings ist diese lokale Regierung von Russland eingesetzt, der Rubel wurde als Währung eingeführt. Die ukrainische Regierung in Kiew rechnet seit Längerem damit, dass es in der südukrainischen Region ein Referendum geben könnte über die Ausrufung einer Volksrepublik Cherson nach dem Vorbild der prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk. Eine feste Militärvertretung wäre ein Indiz, dass diese Pläne fortschreiten.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagt eine schnelle Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und seinem Land voraus. Grund sei, dass der Westen »die Haltung eines Diktators« angenommen habe, sagt er. Wenn der Westen Vorschläge zur Wiederaufnahme der Beziehungen machen wolle, werde seine Regierung überlegen, ob man dies brauche.

Die »diktatorische Position« des Westens gegenüber Russland beschleunigt nach Ansicht des russischen Außenministers die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen seines Landes zu China. Moskau werde sich nur auf sich selbst und auf diejenigen Staaten verlassen, die »ihre Zuverlässigkeit bewiesen haben«, sagte Sergej Lawrow den Staatsagenturen Ria und Tass zufolge in der Nacht zum Dienstag.

Internationale Reaktionen

US-Präsident Joe Biden sieht die Krise in der Ukraine als globales Problem. »Dies ist mehr als nur ein europäisches Problem. Es ist ein globales Problem«, sagt Biden bei dem Gipfeltreffen der USA, Japan, Australien und Indien in Tokio. Seine Regierung werde mit seinen Partnern für eine freie und offene indopazifische Region eintreten. »Russlands Angriff auf die Ukraine erhöht nur die Bedeutung dieser Ziele der grundlegenden Prinzipien der internationalen Ordnung, der territorialen Integrität und der Souveränität.«

Kolumbianische Soldaten werden ukrainische Militärs zu Minenräumern ausbilden. Das teilt das Verteidigungsministerium des südamerikanischen Landes mit. Kolumbien ist nach 60 Jahren bürgerkriegsähnlicher Kämpfe zwischen Militär, linken Revolutionären, paramilitärischen Milizen und Drogenkartellen nach Uno-Angaben eines der Länder mit der größten Dichte an Minenfeldern. Nach Angaben der Regierung in Bogota sind seit 1990 2342 Menschen durch Minen zu Tode gekommen, rund 10.000 wurden verletzt.

Wirtschaftliche Konsequenzen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet, dass die EU bald ein Ölembargo gegen Russland verhängen wird. Es sei »in greifbarer Nähe«, sagte Habeck am Montagabend im ZDF-»heute journal«. In den laufenden Gesprächen hätten zuletzt nur noch wenige Staaten »Probleme angemeldet«, vor allem Ungarn. Er rechne daher mit einem Durchbruch »innerhalb von wenigen Tagen«, sagte Habeck.

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Die EU-Mitgliedstaaten seien unterschiedlich abhängig von russischem Öl, fügte Habeck hinzu. »Zwischen Ungarn und Portugal gibt es einfach eine andere Verbindung zu Russland – klarerweise.« Daher könne die EU auch auf Ungarn Rücksicht nehmen. »Dann muss allerdings auch in Ungarn was passieren.«

Ein Embargo führe zudem »nicht automatisch dazu«, dass der russische Präsident Wladimir Putin geschwächt werde, sagte der Grünenpolitiker. Bei der Verkündung des US-Öl-Embargos seien weltweit die Preise hochgegangen. So habe Putin »in den letzten Wochen weniger Öl verkauft und mehr Einnahmen gehabt«.

Was heute passiert

  • Außenministerin Annalena Baerbock trifft ihren polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau. Dabei wird es um Russlands Krieg in der Ukraine und um weitere internationale, europapolitische sowie bilaterale Themen gehen

jok/Reuters/dpa
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