Nahostkonflikt Palästinensischer Chefunterhändler Erekat stirbt an Corona-Infektion

Saeb Erekat (2018): Enger Vertrauter von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas
Foto: Mohamad Torokman / REUTERSDer palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat ist an den Folgen seiner Corona-Infektion gestorben. Das teilte das palästinensische Präsidialamt der Nachrichtenagentur AFP mit.
Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) starb im Alter von 65 Jahren im Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem. Dort war Erekat den Angaben zufolge am 18. Oktober wegen schwerer Atemprobleme nach einer Corona-Erkrankung aufgenommen worden. Nach einer Verschlechterung seines Zustands war er in Vollnarkose versetzt und künstlich beatmet worden.
Nach Angaben der Ärzte war die Behandlung des Politikers besonders schwierig, weil Erekats Immunsystem nach einer Lungentransplantation vor drei Jahren unterdrückt war. Hinzu seien die Corona-Erkrankung sowie eine bakterielle Infektion gekommen.
Erekat galt als enger Vertrauter von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Er handelte bereits in den Neunzigerjahren die Osloer Friedensverträge zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) mit aus (lesen Sie hier ein SPIEGEL-Interview zum Nahostkonflikt vom vergangenen Juli). Seit 2014 liegen die Gespräche brach.
Außenminister Heiko Maas über Saeb Erekat
Erekat hatte sich für eine Zweistaatenlösung eingesetzt und den israelischen Siedlungsausbau stets scharf als Hindernis für den Frieden kritisiert. Er hatte auch heftige Kritik an der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und zwei Golfstaaten geübt, weil die Vereinbarungen ohne Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts getroffen worden waren. Dass zuletzt israelische Ärzte um sein Leben kämpften, löste in sozialen Medien viele hämische Kommentare aus.
Erekat, der Internationale Beziehungen und Politikwissenschaften in den USA studierte und in Konflikt- und Friedensforschung in England promovierte, hinterlässt eine Frau und vier Kinder.
Auch enge Kontakte zu deutschen Diplomaten
Mit Erekat hatten auch viele deutsche Diplomaten im Auswärtigen Amt über Jahrzehnte intensive Kontakte gepflegt. Der deutsche Außenminister Heiko Maas erklärte, die Nachricht von seinem Tod erfülle ihn mit Trauer. Erekat habe sich über Jahrzehnte als Chefunterhändler der Palästinenser große Verdienste um den Nahostfriedensprozess erworben. "Als Verfechter palästinensischer Selbstbestimmung hat er kontroverse Debatten geführt, aber immer auf Verhandlungen mit Israel gesetzt", so der SPD-Politiker.
Verhandeln sei wohl die höchste Kunst der Diplomatie. "Dass sie auch an ihre Grenzen stoßen kann, musste Saeb Erekat immer wieder in seiner durch Krisen erschütterten Heimat erleben. Mut und Hoffnung hat er dabei nie aufgegeben, auch nicht angesichts gesundheitlicher Herausforderungen in den letzten Jahren", so Maas. Er appellierte an alle politischen Verantwortungsträger, Erekats Vermächtnis fortzusetzen und weiter aktiv auf eine friedliche Zweistaaten-Lösung hin zu arbeiten.
Der letzte große palästinensische Verhandler
"Der Tod von Saeb Erekat ist eine bedeutende Transition in der Geschichte und Realität Palästinas", schrieb Hanan Ashrawi auf Twitter. Sie ist wie Erekat Mitglied des Exekutivkomitees PLO und war ebenfalls an Corona erkrankt. Seit den Achtzigerjahren arbeitete Ashrawi eng mit Erekat zusammen.
Die PLO, eine Dachorganisation verschiedener palästinensischer Fraktionen, steckt schon länger in einer tiefen Krise. Sie ist zutiefst gespalten und konnte in den vergangenen Jahren keine nennenswerten Vorschläge mehr präsentieren. Ihr alternder Vorsitzender Mahmoud Abbas, 85, hat stark an Popularität und Legitimität eingebüßt. Doch er scheint an seinen Ämtern zu kleben - auch am Posten des palästinensischen Präsidenten; die Wahlen dazu ließ er seit Jahren aussetzen.
Dazu kommt, dass die PLO schon länger ihren Alleinvertretungsanspruch der Palästinenser verloren hat und zunehmend Konkurrenz bekommt durch die Hamas und noch radikalere Gruppen. Im Gespräch mit dem SPIEGEL im Juli äußerte Erekat die Sorge, dass in Zukunft Islamisten den Ton angeben könnten.
Pessimistisch äußerte sich jüngst auch Muriel Asseburg, Nahost-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Das plausibelste Bild Palästina in zehn Jahren ist das einer Dystopie." Sie gehe davon aus, dass weder der israelische palästinensische Konflikt noch die innerpalästinensische Spaltung gelöst sein werden. Gleichzeitig würde Palästina wohl noch stärker zerbröselt sein in autoritär kontrollierte Enklaven lokaler Machthaber, die jeweils separate Arrangements mit Israel aushandeln würden.