Stockholmer Friedensforscher Sipri Welt steuert auf neues »Zeitalter der Risiken« zu

So düster wie nie skizzieren die Sipri-Forschenden die Zukunft: Klimakrise, Pandemien und Kriege plagen die Menschheit, zugleich ist die internationale Politik zerstritten. Doch an einer Stelle machen sie auch Hoffnung.
Ein ukrainischer Junge »spielt« Krieg in einem Dorf nahe Kiew

Ein ukrainischer Junge »spielt« Krieg in einem Dorf nahe Kiew

Foto: Gleb Garanich / REUTERS

Klimawandel, Ressourcenknappheit Artensterben: Auch ohne den russischen Aggressionskrieg in der Ukraine steckt die Welt aktuell voller Probleme. Die internationale Gemeinschaft ist aus Sicht des Forschungsinstitut Sipri derzeit kaum in der Lage, diese gemeinsam anzugehen. Entsprechend berge eine gefährliche Mischung aus Umwelt- und Sicherheitskrisen derzeit komplexe Risiken für den Frieden auf der Welt.

Auf dieses »neue Zeitalter der Risiken« seien Entscheidungsträger nicht vorbereitet, warnen die Friedensforscher aus Stockholm in einem heute veröffentlichten Bericht .

Der Sipri-Bericht zeichnet ein düsteres Bild von der künftigen weltweiten Sicherheitslage. Die Forschenden zeigen auf, wie Umweltkrisen – Klimawandel, Knappheit an Ressourcen, Aussterben von Arten – mit Sicherheitskrisen und anderen Bedrohungen wie der Coronapandemie zusammenwirken.

In Somalia zum Beispiel hätten anhaltende Dürre und andere Folgen des Klimawandels, kombiniert mit Armut und einer schwachen Regierung, die Menschen in die Arme der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab getrieben, heißt es. In Mittelamerika erhöhten die Auswirkungen des Klimawandels auf die Getreideernte in Kombination mit Gewalt und Korruption die Migration in Richtung der USA.

»Eine Zeit, in der die internationale Politik in einem furchtbaren Zustand ist«

»Viele Umweltexperten argumentieren, dass wir gerade an einem entscheidenden Punkt stehen: Wir können die Umweltkrise ihren Lauf nehmen lassen oder das Problem jetzt erkennen und etwas dagegen tun«, sagte Sipri-Direktor Dan Smith der Nachrichtenagentur dpa. »Die schlechte Nachricht ist, dass dieser extrem wichtige Moment in eine Zeit fällt, in der die internationale Politik in einem furchtbaren Zustand ist.« Die Beziehungen zwischen den großen Mächten seien »giftig und gefährlich«, Populismus und Nationalismus auf dem Vormarsch.

Dem Bericht zufolge verdoppelte sich in den Zehnerjahren sowohl die Anzahl der bewaffneten Konflikte, an denen mindestens ein Staat beteiligt sei, als auch die Anzahl der Todesopfer in Konflikten – ebenso wie die Zahl der Geflüchteten und Vertriebenen weltweit. Nach jahrelangem Rückgang sei die Zahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe 2020 wieder gestiegen. Im vergangenen Jahr hätten die weltweiten Militärausgaben einen Höchststand von mehr als zwei Billionen US-Dollar erreicht.

Zugleich beschreibt der Bericht alarmierende Entwicklungen der Umwelt. Etwa ein Viertel aller Arten sei vom Aussterben bedroht. Die Zahl bestäubender Insekten gehe dramatisch zurück. »Der Klimawandel sorgt dafür, dass extreme Wetterereignisse wie Stürme und Hitzewellen häufiger und intensiver auftreten und so den Ertrag wichtiger Nahrungsmittelpflanzen verringern und das Risiko großflächiger Ernteausfälle erhöhen.« Die Politik müsse Risiken besser abschätzen und den Kampf gegen Umweltkrisen entschieden angehen.

»Giftig, tiefgreifend und schädlich«

Auch im Angesicht akuter Krisen wie Coronapandemie und Krieg in der Ukraine dürfen man dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren, mahnte Smith. »Es scheint, als könnten die meisten Regierungen nur eine Krise gleichzeitig bewältigen. Das ist ein enormer Komplikationsfaktor.« Die Pandemie habe aber auch gezeigt, was mit Entschlossenheit und internationaler Zusammenarbeit alles möglich sei – etwa bei der Entwicklung von Impfstoffen .

Schwedens frühere Außenministerin und EU-Umweltkommissarin Margot Wallström schreibt im Vorwort des Berichts: »Die Mischung ist giftig, tiefgreifend und schädlich. Und Institutionen mit der Macht, Lösungen zu finden, wachen viel zu langsam auf.«

mrc/dpa
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