Staatskrise in Sri Lanka Demonstrierende wollen besetzte Gebäude räumen

Demonstrierende im besetzten Präsidentenpalast in Colombo
Foto: Adnan Abidi / REUTERSSri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa ist auch am Tag nach seiner Flucht formell im Amt geblieben, obwohl er für Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt hatte. Aus Regierungskreisen heißt es nun, dass Rajapaksa auf dem Weg nach Singapur sei. Anschließend sei ein Weiterflug nach Saudi-Arabien geplant.
Demonstrierende hatten am Wochenende den Präsidentenpalast gestürmt, Rajapaksa war durch die Hintertür geflohen und fand am Flughafen von Colombo Unterschlupf. Am Mittwoch flog er zusammen mit seiner Frau in einer Militärmaschine auf die Malediven. Der ebenfalls unpopuläre Premierminister Ranil Wickremesinghe wurde übergangsweise zu seinem Nachfolger bestimmt.
Die Demonstrierenden hoffen, dass nun ein offizieller Rücktritt ansteht – und haben die Rückgabe des besetzten Präsidentenpalasts und anderer Gebäude in der Hauptstadt Colombo angekündigt. »Wir ziehen uns mit sofortiger Wirkung friedlich aus dem Präsidentenpalast, dem Präsidentenbüro und dem Amtssitz des Regierungschefs zurück, werden unseren Kampf aber fortsetzen«, sagte eine Sprecherin der Protestbewegung.
Währenddessen verlegte das Militär Truppen zum Parlament, um das Gebäude zu sichern, wie die Nachrichtenagentur AP berichtete. Am Vortag hatten wütende Demonstranten versucht, das Parlament zu stürmen.
Frust und Krise
Die Aktivistinnen und Aktivisten machen die Regierung für die schwere Wirtschaftskrise im Land verantwortlich. Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern erlebt die schlimmste Krise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1948. Es mangelt an Treibstoff, Gas zum Kochen, aber auch an Medikamenten und Lebensmitteln. Ein Grund dafür ist, dass Einnahmen aus dem wichtigen Tourismus unter anderem im Zuge der Coronapandemie weggebrochen sind. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.
Bei neuen Protesten in der Nacht zu Donnerstag wurden nach Polizeiangaben 42 Menschen verletzt. Protestierende hätten es geschafft, ein Gewehr und Munition zu erbeuten, hieß es. Eine nächtliche Ausgangssperre wurde um fünf Uhr Ortszeit aufgehoben, es gab am Vormittag zunächst keine neuen Proteste. Die Demonstrierenden hielten über Nacht aber weiter die offiziellen Residenzen und Büros des Präsidenten sowie des Premierministers besetzt.
Am Donnerstag soll der Parlamentspräsident Vertreter der Opposition und Regierungspartei treffen, um über die politische Zukunft und die Ernennung eines neuen Premierministers zu sprechen. Der gegenwärtige Premier und geschäftsführende Präsident Wickremesinghe bot an, von seinem Amt als Premier zurückzutreten. Die Abgeordneten des Parlaments sollen zudem am 20. Juli einen neuen Staatschef wählen.