Steigende Getreidepreise Uno warnt vor Hungerkatastrophe auf Sri Lanka

Menschen warten in einer Schlange, um Brennstoff zu kaufen
Foto: Abhishek Chinnappa / Getty Images
In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.
Erst kam die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit 1948, jetzt droht Sri Lanka eine Hungerkatastrophe. Das UN-Nothilfebüro OCHA veröffentlichte am Freitag in Genf einen dringenden Spendenappell. Nötig seien 47 Millionen Dollar, gut 44 Millionen Euro. Sri Lanka war zuvor zehn Jahre lang auf gutem Entwicklungsweg und benötigte keine humanitäre Uno-Hilfe.
Doch seit Mai gilt das Land als zahlungsunfähig, Jahre der Misswirtschaft haben es an einen Abgrund geführt. Die Bevölkerung leidet inzwischen unter 30 Prozent Inflation – viermal so viel wie zuletzt im April in Deutschland. In der Hauptstadt Colombo stehen Menschen inzwischen Schlange für Brot und Benzin, es gibt dramatische Engpässe bei der Versorgung mit Medikamenten. Der Staat kann den Import lebensnotwendiger Güter teilweise nicht mehr finanzieren.

Protestierende in der Innenstadt von Sri Lankas Hauptstadt Colombo
Foto: CHAMILA KARUNARATHNE / EPANach einem Einfuhrverbot für chemische Düngemittel im vergangenen Jahr sei nun nur halb so viel geerntet worden wie zuvor, sagte ein Vertreter der Uno-Agrarorganisation FAO, der per Video aus der Hauptstadt Sri Lankas, Colombo, zugeschaltet war. Nach Uno-Angaben verschärfen die derzeit hohen Weltmarktpreise für Getreide die Lage noch zusätzlich. Sie sind infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stark gestiegen.
Der Regierung werfen Kritiker vor, die Krisen Sri Lankas mit unglücklichen Entscheidungen weiter verstärkt zu haben. So senkte das Land in den vergangenen Jahren trotz Rekordausgaben für Infrastruktur die Steuern. Im zurückliegenden Jahr beschloss Sri Lanka einen vollständigen Umstieg auf biologische Landwirtschaft. Motiviert war der Schritt jedoch vermutlich nicht nur durch Umweltschutzgründe, sondern durch akuten Düngermangel.
Eltern in Not bringen Kinder in Heime
Etwa 5,7 Millionen Menschen benötigen nach UN-Schätzungen Unterstützung. Das ist gut ein Viertel der Bevölkerung von Sri Lanka. 17 Prozent der Kinder unter fünf Jahren seien zu klein für ihr Alter, sagte eine Vertreterin des Welternährungsprogramms (WFP). 70 Prozent der Haushalte hätten die Verpflegung reduziert, berichtete das Uno-Kinderhilfswerk Unicef. Aus Verzweiflung brächten Familien Kinder, die sie nicht mehr ernähren können, inzwischen in Kinderheime. Die Lebensbedingungen dort seien jedoch ebenfalls schlecht, sagte ein Unicef-Vertreter in Colombo. In solchen Heimen lebten bereits mehr als 10.000 Kinder.
Die politische Führung schafft es bislang kaum, Antworten auf die Krisen des Landes zu finden. Auf Proteste reagierte die Polizei bislang mit Gewalt, mehrere Menschen kamen dabei ums Leben. Nun droht eine weitere Eskalation. Auf die Frage einer BBC-Journalistin, ob er eine Hungerkrise befürchtet, antwortete Premierminister Ranil Wickremesinghe noch im Mai lakonisch: »Irgendwie werden wir Essen finden.«
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft
Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.
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