Studie aus Boston Steigende Schuldenlast bedroht Klimaschutz in armen Ländern

Die Zinsen steigen weltweit. Die Auswirkungen treffen vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer. Vom Klimawandel besonders bedrohte Staaten rechnen nun die Konsequenzen vor – und fordern rasche Hilfe.
Fischer an einem Süßwassersee in Hanoi, Vietnam

Fischer an einem Süßwassersee in Hanoi, Vietnam

Foto: Nhac Nguyen / AFP
Globale Gesellschaft

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Viele der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder müssen in den kommenden Jahren mit einem deutlichen Anstieg ihre Schuldenzahlungen rechnen. Das geht aus einem Bericht des Boston University Global Development Policy Centre und der sogenannten Vulnerable Group of Twenty (V20) hervor.

Die V20 sind eine Gruppe von inzwischen 55 Staaten, wie beispielsweise Kambodscha, Äthiopien, Tuvalu oder Vietnam, die besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Sie verstehen sich als Gegengewicht zu den reichen G20-Staaten.

Durch den Klimawandel zunehmende Regenfälle begünstigen Erdrutsche wie hier auf den Philippinen

Durch den Klimawandel zunehmende Regenfälle begünstigen Erdrutsche wie hier auf den Philippinen

Foto: BOBBIE ALOTA / AFP

Laut dem Bericht steigen die Ausgaben zur Begleichung der Schulden bis 2024 auf 69 Milliarden US-Dollar, den bislang höchsten Stand im laufenden Jahrzehnt. In diesem Jahr liegen die Ausgaben bei 61,5 Milliarden Dollar. Weltweit steigen derzeit die Zinsen – für die betroffenen Länder habe dies jedoch besonders schwere Folgen, so die Autoren. Unter den höheren Kosten litten nicht nur die Volkswirtschaften, sondern auch die Möglichkeiten in weiteren Klimaschutz zu investieren.

In der Pandemie angestoßene Programme zum Schuldenerlass für die ärmsten Länder hätten nur teilweise Fortschritte gebracht, so das Papier. Manche Vorhaben wie die Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes (DSSI) seien inzwischen ausgelaufen, ohne die grundlegenden Probleme zu ändern.

Auch Äthiopien gehört zu den V20-Staaten, die wenig zum Klimawandel beitragen, aber von den Folgen betroffen sind und auch deshalb mit Hilfslieferungen versorgt werden

Auch Äthiopien gehört zu den V20-Staaten, die wenig zum Klimawandel beitragen, aber von den Folgen betroffen sind und auch deshalb mit Hilfslieferungen versorgt werden

Foto: Tiksa Negeri / REUTERS

Erschwerend komme hinzu, dass sich die Gläubigerstruktur der V20-Länder verändert habe, so der Bericht. Bei den gesammelten Auslandsschulden in Höhe von 686,3 Milliarden Dollar seien private Gläubiger inzwischen die größte Gruppe. Sie hielten mehr als ein Drittel der Schulden, während die Weltbank und andere internationale Institutionen jeweils ein Fünftel hielten.

Laut dem Bericht haben die V20-Staaten sieben Prozent der Gesamtschulden bei China. Dagegen entfielen 13 Prozent auf die reichen und vorwiegend westlichen Gläubigerländer des sogenannten Pariser Clubs.

Die Autoren des Berichts forderten den Internationalen Währungsfonds auf, seine Analyse zur Tragfähigkeit von Schulden zu überarbeiten, um auch Klimarisiken für besonders bedrohte Länder zu berücksichtigen.

Aus ihrer Analyse leiten sie direkte Forderungen an wohlhabendere Staaten und Institutionen ab. Zugleich warnen sie vor den Konsequenzen ausbleibender Hilfe: »Ohne Schuldenerlass und Zuschüsse werden die V20-Länder die Vorteile von Klimainvestitionen, wie etwa höhere Widerstandsfähigkeit und Stromerzeugung durch erneuerbare Energien, erst später nutzen können.«

Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft

Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.

Ein ausführliches FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier.

jpe/Reuters
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