Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Türkischer Amnesty-Chef saß zu Unrecht in U-Haft

Mehrfach wurde die Untersuchungshaft des türkischen Amnesty-Chefs verlängert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied nun: Die Beweise haben nie ausgereicht, um Taner Kilic überhaupt zu inhaftieren.
Proteste gegen die Festnahme von Taner Kilic im Jahr 2017

Proteste gegen die Festnahme von Taner Kilic im Jahr 2017

Foto: John Macdougall / AFP

Die mehr als einjährige Untersuchungshaft des ehemaligen Chefs der türkischen Sektion von Amnesty International, Taner Kilic, war nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unrechtmäßig. Es habe keinen begründeten Verdacht gegeben, dass der Menschenrechtsaktivist eine Straftat begangen habe, entschied das Gericht mit Sitz in Straßburg nach einer Mitteilung von Dienstag. Zudem sei gegen sein Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen worden. Die Türkei soll Kilic nun 24.500 Euro Entschädigung zahlen.

Festnahme im Zusammenhang mit Gülen-Ermittlungen

Kilic war im Juni 2017 festgenommen worden. Die Untersuchungshaft wurde bis Mitte August 2018 mehrfach verlängert. Hintergrund der Festnahme waren Ermittlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen. Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers für einen Putschversuch 2016 verantwortlich. Als Beweise gaben die Behörden an, Kilic habe bestimmte Publikationen abonniert und mit verschlüsselten Nachrichten gearbeitet. Auch die von ihm genutzte Bank sowie die Schule, auf die er seine Kinder schickte, sahen die Behörden als Beweise. Der Gerichtshof erachtete dies als nicht ausreichend.

Die türkische Regierung war nach dem Putschversuch mit sogenannten Säuberungen gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vorgegangen, aber auch gegen Oppositionelle. Per Dekret wurden Zehntausende Staatsbedienstete entlassen und Zehntausende Menschen verhaftet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein. Als Mitglied des Europarats ist die Türkei eigentlich an die Urteile aus Straßburg gebunden.

Der Europarat hatte Ende des vergangenen Jahres ein Strafverfahren gegen die Türkei eingeleitet, weil das Land sich weigert, den Kulturförderer und Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala aus der Haft zu entlassen. Kavalas Freilassung war vom EGMR bereits 2019 angeordnet und seine Haft als politisch motiviert eingestuft worden. Der Europarat wacht über die Einhaltung der Menschenrechte und ist keine EU-Institution.

muk/dpa
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