Handelsabkommen Streit um Fisch verzögert offenbar Brexit-Einigung

Um einen No-Deal-Brexit abzuwenden, haben EU und Großbritannien nur noch wenig Zeit. Auch wenn es nach einer Einigung aussieht, gibt es offenbar weiterhin Streit um letzte Details.
Britische und europäische Flagge vor dem Big Ben in London: Gespräche über Fisch bis spät in die Nacht

Britische und europäische Flagge vor dem Big Ben in London: Gespräche über Fisch bis spät in die Nacht

Foto: DANIEL LEAL-OLIVAS / AFP

Die EU und Großbritannien ringen weiter um den Abschluss eines Handelsabkommens. Aus EU-Kreisen hieß es, dass die Verhandlungen über das Abkommen auch am Donnerstagvormittag fortgesetzt würden. Streitpunkt seien demnach erneut die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern.

Einige Beobachter hatten ursprünglich mit einer Pressekonferenz des britischen Premiers am Donnerstagmorgen gerechnet, in dem eine Einigung verkündet werden sollte. Der irische Außenminister Simon Coveney berichtete allerdings nun in einem Radiointerview von einem Problem mit einem kurzen Textabschnitt beim Thema der Fischerei.

Laut einer BBC-Journalistin seien Vertreter beider Seiten über Nacht eine Liste mit über hundert Fischspezies durchgegangen. Dabei seien Details verhandelt worden, welche Menge Fischer aus Großbritannien und der EU von welcher Spezies fangen dürften.

Hoffnung auf ein Abkommen an Heiligabend

Aus französischen Regierungskreisen hieß es am Mittwochabend, die Briten hätten »enorme Zugeständnisse« in der Fischereifrage gemacht. Ein EU-Vertreter berichtete von einem andauernden »Streit um Zahlen« bei den Fischfangrechten, sagte ein EU-Vertreter. Er sprach von einem »schlechten Zeichen«.

Beide Seiten hatten in den vergangenen Tagen deutliche Fortschritte gemacht und wesentliche Streitpunkte ausgeräumt. Am Mittwoch schien ein Durchbruch bereits in greifbarer Nähe. Da Großbritannien nur noch bis Ende des Jahres Teil des EU-Binnenmarkts ist, bleibt beiden Seiten nur noch wenig Zeit für eine Einigung.

Von EU-Vertretern hieß es, dass man trotz des aktuellen Streits einen Abschluss an Heiligabend weiter für möglich halte. Verschiedene Beobachter vermuten, dass der britische Premier Boris Johnson und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in separaten Pressekonferenzen im Laufe des Tages erste Details eines Abkommens bekannt geben könnten. Der Kurs von Euro und Pfund legte in Erwartung einer möglichen Brexit-Einigung zu.

Anfang der Woche hatte die EU ein Angebot Londons abgelehnt, das Kürzungen bei Fangquoten von bis zu 60 Prozent bei einer dreijährigen Übergangszeit vorsah. Brüssels Angebot stand hingegen bei einer Kürzung um nur 25 Prozent und einer Übergangszeit von sechs Jahren.

Fischerei politisch und sozial bedeutend für mehrere Länder

Britische Medien berichteten zuletzt von einer kürzeren Übergangszeit von fünfeinhalb Jahren. EU-Fischer fangen Meerestiere im Wert von jährlich rund 650 Millionen Euro in britischen Gewässern. Trotz des geringen wirtschaftlichen Gewichts ist der Sektor für Mitgliedstaaten wie Frankreich, die Niederlande, Dänemark und Irland von großer politischer und sozialer Bedeutung. Auf der anderen Seite ist die Kontrolle über die eigenen Gewässer für viele Briten zum Symbol der durch den Brexit wiedergewonnenen Souveränität geworden.

Weitere zentrale Streitpunkte zwischen der EU und Großbritannien waren in den vergangenen Monaten die Wettbewerbsbedingungen für britische und EU-Firmen sowie die rechtliche Kontrolle eines künftigen Abkommens.

Ohne Handelsabkommen würden im beiderseitigen Handel zum Jahreswechsel Zölle nach WTO-Konditionen erhoben. Wirtschaftsverbände rechnen dann mit massiven Staus an den Grenzen im Lieferverkehr sowie der Unterbrechung wichtiger Lieferketten der Industrie und warnen vor Milliarden an Mehrkosten und Einnahmeausfällen.

hpp/afp/rtr
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten