Gerichtsurteil in Seoul Südkorea trägt Schuld an Massaker im Vietnamkrieg

Südkoreanische Marinesoldaten hatten im Vietnamkrieg ein siebenjähriges Mädchen angeschossen und etliche Familienmitglieder getötet. Ein Gericht hat die Regierung jetzt zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt.
Klägerin Nguyen Thi Thanh war sieben Jahre alt, als südkoreanische Soldaten bei einer Durchsuchungsaktion fünf ihrer Angehörigen erschossen. Heute ist sie 62.

Klägerin Nguyen Thi Thanh war sieben Jahre alt, als südkoreanische Soldaten bei einer Durchsuchungsaktion fünf ihrer Angehörigen erschossen. Heute ist sie 62.

Foto: picture alliance / Kyodo

Weil sie von südkoreanischen Marinesoldaten angeschossen worden war, muss Südkorea einer Vietnamesin fast 48 Jahre nach Ende des Vietnamkriegs 24.000 Dollar zahlen. Das hat ein Gericht in Seoul entschieden. Zum ersten Mal macht die Justiz des Landes damit die Regierung für Massentötungen vietnamesischer Zivilisten verantwortlich. Das Urteil könnte den Weg für ähnliche Klagen ebnen.

Nach den USA stellten die antikommunistischen südkoreanischen Militärs mit 320.000 Soldaten das größte Truppenkontingent für den Krieg gegen die als »Vietcong« bezeichnete »Nationale Front für die Befreiung Südvietnams«.

Überlebende berichteten von Schüssen auf Zivilisten

Nach US-Militärdokumenten und Angaben von Überlebenden wurden mehr als 70 Menschen getötet und etwa 20 weitere verletzt, nachdem südkoreanische Marinesoldaten im Februar 1968 bei Durchsuchungsaktionen in Phong Nhi und dem nahe gelegenen Dorf Phong Nhut auf unbewaffnete Zivilisten geschossen haben sollen.

Die Klägerin, die heute 62-jährige Nguyen Thi Thanh, war damals sieben Jahre alt. Sie wurde wegen Schusswunden am Bauch behandelt, während fünf ihrer Familienmitglieder starben, darunter ihre Mutter, ihre Schwester und ihr Bruder. Sie reichte die Klage gegen die südkoreanische Regierung ein und sagte im vergangenen August vor dem Gericht in Seoul aus.

Im Rahmen des Prozesses sagten auch andere vietnamesische Dorfbewohner und der südkoreanische Kriegsveteran Ryu Jin-seong aus, ein Mitglied der Marineeinheit, die an den Angriffen in Phong Nhi und Phong Nhut beteiligt war. Er schilderte, wie die koreanischen Soldaten auf unbewaffnete Zivilisten, darunter viele Kinder und Frauen, schossen.

Klägerin »überglücklich« über ihren Sieg

Thanh, die das Urteil in Vietnam erwartete, sagte, sie sei »überglücklich« über ihren Sieg vor Gericht, »weil ich glaube, dass die Seelen (der in Phong Nhi Gefallenen) jetzt ruhig schlafen können«.

Die südkoreanische Regierung hatte behauptet, es gebe keine abschließenden Beweise dafür, dass südkoreanische Truppen für die Morde verantwortlich waren. Darüber hinaus hatte sie angedeutet, dass es sich bei den Angreifern um Vietcong-Kämpfer gehandelt haben könnte, die in koreanischen Uniformen verkleidet waren und psychologische Kriegsführung betrieben.

Darüber hinaus beharrte die Regierung darauf, dass, selbst wenn koreanische Soldaten involviert waren, ihre aggressive Reaktion verständlich war. Man sei einer ständigen Bedrohung durch Vietcong-Guerillas ausgesetzt gewesen, die sich oft unter Einheimischen versteckt und aktiv junge Frauen rekrutiert hätten. Ob die koreanische Regierung Berufung einlegen will, war zunächst unklar.

fin/AP

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