Syriens Assad-Clan Familienstreit über 120 Millionen Dollar

Das syrische Regime gewährt keinen Blick hinter die Kulissen der Macht. Doch nun hat der reichste Mann des Landes Facebook-Videos veröffentlicht, die Diktator Assad kritisieren - es ist sein Cousin Rami Makhlouf.
Ist seit zehn Jahren im Krieg gegen sein eigenes Volk: Syriens Diktator Baschar al-Assad

Ist seit zehn Jahren im Krieg gegen sein eigenes Volk: Syriens Diktator Baschar al-Assad

Foto:

-/ SANA/ AFP

Im dunkelblauen Anzug sitzt Rami Makhlouf, 50, vor einem Stapel Kaminholz und macht ein Gesicht wie ein begossener Pudel. Er scheint in einer seiner Villen zu sein: Hinter ihm ziehen sich die ockerfarbenen Mauersteine hoch, wie sie in modernen arabischen Prunkbauten üblich sind.

"Gottes Frieden, Barmherzigkeit und Segen sei mit euch", fängt Makhlouf sein Video auf Facebook an. Es ist sein zweites innerhalb weniger Tage in diesem Fastenmonat Ramadan. Eine besinnliche Zeit. Und so erinnert Makhlouf daran, wie viel Geld er für humanitäre Zwecke gespendet, wie viel Steuern er dem syrischen Staat gezahlt habe, bevor er zu seinem Anliegen kommt.

Die syrischen Sicherheitskräfte wollten seine Unternehmen beschlagnahmen, ihm den Mund verbieten, nachträglich etwa 120 Millionen Dollar eintreiben. Und weil er auf Facebook darüber rede, würden nun auch noch seine Angestellten von den Sicherheitskräften festgenommen.

"Hätte jemand erwartet, dass die Sicherheitskräfte das Unternehmen von Rami Makhlouf antasten, dem größten Unterstützer und Finanzier des Sicherheitsapparats während des Krieges?", fragt Makhlouf klagend. "Das ist eine Ungerechtigkeit!", sagt er. "Herr Präsident", wendet er sich an seinen Cousin Baschar al-Assad, "ich bitte Sie, erlauben Sie das nicht." Die Szene entbehrt nicht einer unfreiwilligen Komik. Schließlich war Makhlouf bis vor Kurzem einer derjenigen, die am meisten von der Ungerechtigkeit des Regimes profitierten.

Die syrische Herrscherfamilie streitet um Macht und Geld

Wie kein anderer symbolisiert Rami Makhlouf die Korruption des Assad-Regimes. Er gilt mit seinen Dutzenden Milliarden als reichster Mann Syriens. Ihm gehören unter anderem Luxuswohnungen in Moskau, seine Söhne protzen mit ihrem Partyleben zwischen Dubai und der Côte d'Azur.

  • Als Cousin des Präsidenten flogen ihm vor dem Krieg die Lizenzen und Großprojekte zu, über die Hälfte der syrischen Wirtschaft war in seiner Hand.

  • Unliebsame Konkurrenten wurden unter Druck gesetzt, enteignet, verhaftet oder ermordet.

  • Im Gegenzug finanzierte Makhlouf das syrische Regime und sorgte mit einem Netz weltweiter Briefkastenfirmen dafür, dass sein Cousin an Dollar kam - trotz internationaler Sanktionen.

Doch inzwischen steht Makhlouf selbst auf den internationalen Sanktionslisten. Er hat seinen Nutzen verloren und offenbar auch seinen Zugang zum Präsidenten. Assad braucht nur noch sein Geld.

Makhloufs Videos geben bisher kaum da gewesene Einblicke in den Streit um Macht und Geld, der die syrische Herrscherfamilie zerreißt. Syriens Wirtschaft liegt im zehnten Jahr des Krieges am Boden.

Aus den Bürgern kann das Regime kaum noch etwas herauspressen: Bereits 2018 lebten knapp 70 Prozent der Syrer in extremer Armut. Seitdem sind die Lebensmittelpreise weiter angestiegen und die Situation vieler Menschen hat sich weiter verschlechtert. Und Europa zögert zu helfen, da klar ist: Das Geld würde größtenteils in den Taschen des Regimes landen - nicht bei denjenigen, die es brauchen.

Russland soll Druck gemacht haben

Gleichzeitig sind auch die Unterstützer des syrischen Regimes nicht willens oder fähig, Assad dauerhaft zu finanzieren: Das mit Sanktionen belegte Regime in Iran hat selbst große Probleme, und auch Russland geht es wirtschaftlich nicht sonderlich gut; erst recht, seit der Ölpreis so niedrig ist und nun auch noch die Coronakrise dazukommt.

In Damaskus munkelt man schon länger, dass Russlands Druck dazu geführt habe, dass Assad so hart gegen seinen Cousin vorgeht. Belegen lässt sich dies nicht. Auffällig ist allerdings, dass russische Staatsmedien inzwischen häufig die Korruption in Syrien kritisieren - und Assads Unwilligkeit, etwas dagegen zu tun.

Exil in Weißrussland und ein mysteriöser Anschlag

Zudem schwelt innerhalb der herrschenden Familie schon länger ein Konflikt zwischen Asma al-Assad, der Frau von Machthaber Baschar, und der Familie ihrer inzwischen verstorbenen Schwiegermutter, den Makhloufs. Die Gräben haben sich im Laufe des Krieges noch vertieft:

  • Rami Makhloufs Bruder Hafez ist längst aus dem Zentrum der Macht verschwunden. Bis 2014 war er Geheimdienstchef in Damaskus. Seitdem lebt er in Weißrussland.

  • Assads Schwester Bushra lebt inzwischen im Exil; ihr Mann, der mächtige Ex-Geheimdienstchef Assef Shawkat, starb bereits 2012 bei einem Anschlag, der von Baschar al-Assad und seinem Bruder Maher beauftragt worden sein soll.

Wo Rami Makhlouf sich derzeit aufhält, ist unbekannt. Unwahrscheinlich ist, dass er noch in Syrien ist. Denn sonst hätte es nach seinem ersten brisanten Facebook-Video wohl kein zweites mehr gegeben.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten