Terror in Wien Eine Stadt im Belagerungszustand

Nach dem Terroranschlag vom Montagabend steht Wien unter Schock. Was über den Tathergang bekannt ist.
Aus Wien und Hamburg berichten Walter Mayr und Roman Lehberger
Polizisten kontrollieren eine Person nach dem Anschlag in Wien

Polizisten kontrollieren eine Person nach dem Anschlag in Wien

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Roland Schlager / dpa

Wien am Morgen danach ist eine Stadt unter Schock. Schwer bewaffnete Einsatzkräfte sichern das Gebiet rund um den Stephansdom ab, nur wenige Passanten sind zu sehen, sämtliche Schulen bleiben geschlossen. Auch mehr als zwölf Stunden nach dem blutigen Terroranschlag im Herzen der österreichischen Hauptstadt warnt die Polizei noch immer davor, das Zentrum Wiens zu betreten.

DER SPIEGEL

Vier ermordete Zivilisten, mehr als ein Dutzend zum Teil schwer Verletzte, ein erschossener Täter: Das ist die vorläufige Bilanz eines Blutbads, wie es in der jüngeren Geschichte Österreichs ohne Beispiel ist.

Angehörige der Polizei-Sonderheiten Cobra und Wega riegelten die Innenstadt ab

Bei lauen 18 Grad am letzten Abend vor dem Lockdown waren die Schanigärten gut besucht und die Lokale voll, als am Montagabend um 20 Uhr ein oder mehrere Attentäter scheinbar wahllos das Feuer auf Passanten und Kneipengänger eröffneten.

Videoaufnahmen zeigen, wie ein mit weißer Schutzkleidung Maskierter in der Seitenstettengasse unweit der Synagoge einen Zivilisten unter den Augen des Gemeinderabbiners Schlomo Hofmeister regelrecht hinrichtet. In den umliegenden Gassen des Bermudadreieck genannten Ausgehviertels, aber auch in weiter entfernten In-Lokalen wie dem "Schwarzen Kameel" brach daraufhin Panik aus.

Umgeworfene Stühle, zerbrochene Gläser, Kleidungsstücke blieben zurück. Das Publikum, das in der Staatsoper Pietro Mascagnis "Cavalleria Rusticana" lauschte, musste zwangsevakuiert werden. Angehörige der Polizei-Sondereinheiten Cobra und Wega riegelten die Innenstadt ab.

Nicht nur Terrorexperten wie der Politikwissenschaftler Nicolas Stockhammer gehen von einem "dschihadistischen Hintergrund" des Anschlags aus. Die Zahl potenzieller Gefährder im Land wird auf 600 geschätzt.

Innenminister Karl Nehammer sprach bei einer Pressekonferenz im Morgengrauen von "mindestens einem islamistischen Terroristen" und IS-Sympathisanten. Später erklärte er zum Attentäter: "Er war mit einer Sprengstoffgürtel-Attrappe und einer automatischen Langwaffe, einer Faustfeuerwaffe und einer Machete ausgestattet, um diesen widerwärtigen Anschlag auf unschuldige Bürgerinnen und Bürger zu verüben."

Nach SPIEGEL-Informationen handelt es sich bei dem erschossenen Attentäter um den 20-jährigen Kujtim F., ein Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln, der bereits im vergangenen Jahr in Wien wegen eines Terrordelikts verurteilt wurde. Im Jahr 2018 hatte F. versucht, sich dem IS in Syrien anzuschließen. Er schaffte es allerdings nur bis in die Türkei, wo ihn die Polizei aufgriff.

Laut Nehammer verurteilte ein Gericht ihn zu 22 Monaten Haft, im vergangenen Dezember sei er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden.

Kurz vor der Tat soll er auf Instagram ein Foto von sich mit einem Sturmgewehr, einer Pistole und einer Machete gepostet und sich zum IS bekannt haben.

Die Suche nach weiteren Verdächtigen läuft

Die Suche nach weiteren Tatverdächtigen läuft auch an diesem Dienstagvormittag noch. Wienweit sind Hausdurchsuchungen im Umfeld des Haupttäters im Gang. Ein Sprecher des Bundesheers erklärte, aufgrund des "fürchterlichen, gemeinen und hinterhältigen Anschlags" sei weiterhin das Jagdkommando mit gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern in Alarmbereitschaft.

Regierungschef Sebastian Kurz hat als Reaktion auf den "widerwärtigen Terroranschlag" die Fahnen vor dem Bundeskanzleramt auf halbmast setzen lassen. Kardinal Christoph Schönborn kündigte einen Trauergottesdienst im Stephansdom an und gibt, während die Fahndung nach weiteren Tätern noch läuft, die Losung aus: "Unseren Hass werdet ihr nicht bekommen."

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